Kindesmißbrauch

Ich will jetzt zu Themen kommen, die nicht so „positiv“ ankommen werden. Macht aber nix, sie machen mich auch aus.


Dazu erstmal eine Geschichte.

Als ich in meine erste „richtige“ Therapie ging, war ich ein richtiges Wrack. Das wußte ich, das wußten der überweisende Arzt und der erste Psychologe in einer psychosozialen Einrichtung nicht so richtig, ich hab's ihnen verheimlicht. Meine erste Diagnose, mit der ich in die Klinik überwiesen wurde, lautete: „reaktive Depressionen“. Relativ harmlos gemessen an dem, was wirklich mit mir los war.

Als ich also in die Klinik ging – war nicht leicht, dort einen Platz zu kriegen, es war zu der Zeit die einzige psychoanalytisch ausgerichtete Klinik in Deutschland, und ich wollte unbedingt dort hin, weil ich keine Psychopharmaka nehmen wollte – war mir schon klar, daß ich in gewisser Weise unter „Halbmast“ dort eingerückt bin. Wie auch immer, darauf komme ich später zurück. Was ich erzählen will:

es gab dort etwas mehr als 100 Patienten mit den unterschiedlichsten neurotischen Störungen, die es so gibt. Es gab Gruppen- und Einzeltherapien, ich bekam einen Einzeltherapieplatz, weil ich mit meiner Biografie in Gruppen aufgewachsen war. Ich hab mich dort sehr schnell eingelebt, vielleicht nachvollziehbar: so ein Klinikalltag ist ähnlich institutionalisiert wie Heimeinrichtungen, Gefängnisse, Internate usw. - soll nicht zynisch klingen, bestimmte „Dynamiken“ kommen in allen diesen Einrichtungen vor (ja, ich war als Jugendliche auch mal im Knast, ich kann das beurteilen).

Wie überall, bildeten sich sehr schnell Gruppen, Cliquen und Liebesverhältnisse dort. Ich war inzwischen gewohnt, mir die „tonangebende“ Clique herauszusuchen und binnen kurzer Zeit „meinen Platz“ darin einzunehmen – nie als Leader, immer als Mitglied ohne spezielle „Einzelbindung“, sprich: respektiert, aber nicht „gebunden“.

Bald hatte ich raus, daß diejenigen, die „stark“ wirkten, zwar tonangebend waren, diejenigen aber, die „schwach“ waren, am meisten Hilfe von Therapeutenseite bekamen. Das waren diejenigen, die sich das Gesicht blutig kratzten, mit Rasierklingen an sich rumschnippelten oder andere „spektakuläre“ und vor allem sichtbare Symptome hatten. Ich bekam relativ wenig Zuwendung außerhalb der Therapiestunden. Also ging ich los, kaufte mir Rasierklingen und fing an, mir die Arme zu zerschneiden.

Einer meiner ersten „Therapieerfolge“.

Es tat nicht besonders weh, gab aber 'ne ziemliche Sauerei. Und weil's mir danach tierisch peinlich war, verband ich mir die Schnitte, lief in den folgenden Tagen langärmelig rum und vermied es, daß jemand diese peinliche Blödsinnsnummer mitkriegt.

Dumm gelaufen trotzdem: bei der Schneiderei war ich in einen merkwürdigen Zustand geraten, Herzrasen bis in die Ohren und dann ein Gefühl, high zu sein. Das hatte sich gut angefühlt. Also probierte ich das bald wieder, und bevor ich merkte, was ich da trieb, war ich direkt süchtig danach.

Schmerzen hatte ich dabei keine, „schön“ fand ich die Schnitte auch nicht – sah wirklich Scheiße aus, weil ich immer so viel und tief schnitt, bis an den Unterarmen kein Stück heile Haut mehr zu sehen war. Natürlich kam man mir drauf, wir mußten wöchentlich zur ärztlichen Untersuchung, und damit hatte ich „meine“ Aufmerksamkeit: mir wurde auferlegt, mich immer nach so einer Schneide-Orgie beim Arzt zu melden, damit er die Schnitte klammern konnte. Hab ich auch brav gemacht. War meine erste „Trickserei“, mit der ich meine vielen Therapeuten bei Laune gehalten hab, während ich mich um meine eigentlichen Probleme zu kümmern versuchte, die ich weder mitteilen wollte noch konnte.

Ich sag's bewußt so deutlich: die ersten ca. 10 oder noch mehr Jahre Therapien (so genau kann ich das nicht mehr einordnen) waren Beschiß. Nicht ausschließlich mit dieser Absicht, nicht ausschließlich so bewußt, wie ich das heute sehe, nicht ausschließlich Selbstbetrug – ich habe trotzdem während dieser Zeit sehr viel aus den Therapien für mich an Wegen zurück ins Leben herausholen können, das wäre ohne die meistens ziemlich guten, manchmal auch ziemlich unfähigen Therapeuten nicht möglich gewesen. Ich habe da selten einen Unterschied gemacht, auch die „schlechten“ Therapeuten haben mir letzten Endes immer weitergeholfen, wenn es auch 1, 2 mal ziemlich haarig war und mich das Leben hätte kosten können.

Ich will das ungeschönt erzählen, aus zweierlei Gründen: ich weiß, daß viele glauben, eine Therapie wäre der Weisheit letzter Schluß, wenn es um schwerwiegende Probleme geht. Ich bestätige das, Therapien können gut helfen. Aber: wer mit der Erwartung, es werde einem vom guten Papa oder der guten Mama Therapeut fein geholfen und irgendwann sei dann alles wieder gut, der irrt. Das möchte ich vermitteln. Nahezu jeder, der mir im Lauf der Jahre als „Mitpatient“ begegnet ist, hat ein außerordentlich feines Gespür für Stimmungen und Erwartungen der Therapeuten. Fachleute werden wissen, was damit gemeint ist. Die meisten Therapeuten, mit denen ich zu tun hatte, WOLLEN auch helfen. Helfen wollen ist ein Bedürfnis, und daran ist nichts verkehrt. Dumm aber: als Hilfesuchender „liest“ man jede noch so feine Erwartungshaltung aus dem Therapeuten heraus und versucht sie zu erfüllen – ähnlich wie als Kind, wo man abhängig war von den Leuten, die meistens für die Probleme ursächlich waren.

Therapeuten ist das zwar bewußt, in der klassischen Psychoanalyse hat man das z.B. zu unterbinden versucht, indem der Analytiker am Kopfende der Couch saß, während der Patient so auf der Couch lag, daß er den Analytiker nicht sehen kann. In den heute gängigen Therapieformen sitzt man sich meist mehr oder weniger direkt gegenüber.

Damit will ich nicht sagen, daß Therapien generell bedenklich sind. Im Zusammenhang mit Mißbrauchserlebnissen halte ich aber genau das für besonders wichtig, weil: sexueller Mißbrauch hat nur vordergründig „sexuelle Störungen“ zur Folge, die eigentlich viel tiefer liegenden Verletzungen liegen in dem Bereich, daß man als Betroffene(r) nicht mehr eindeutig die eigenen Grenzen, Bedürfnisse, Wahrnehmungen zuordnen kann. Ich konnte das sehr schwer, zeitweise fast überhaupt nicht, Emotionen und Erwartungen anderer haben im direkten Kontakt meine eigenen so überlagert, daß ich mich selbst überhaupt nicht spüren konnte. Meine eigenen Bedürfnisse und Gefühle habe ich früher überhaupt erst Tage später wieder wahrgenommen. Und fühlte mich dann erneut emotional mißbraucht.

Das ist nicht bei allen so extrem ausgeprägt, wie das bei mir der Fall war, jedes Opfer entwickelt ja eigene, individuell z.T. sehr unterschiedliche Bewältigungsstrategien. Aber das ist aus meiner Sicht die größte Gefahr, wenn man meint, Mißbrauchsopfern ohne entsprechende Ausbildung helfen zu können. Ratschläge, zu Therapien drängen und was es da alles gibt, kann sehr schnell ins Gegenteil kippen, gerade wenn das Gefühl, zu etwas gedrängt worden zu sein, erst mit Zeitverzögerung auftaucht (muß mal sehen, ob ich pickats sehr guten Beitrag – glaub aus 2005 oder so – wiederfinde, sie hat das mit weniger Text als ich sehr gut beschreiben können).

Das ist der Grund, warum ich verschiedentlich so gallig reagiere, wenn ich lese oder mitkriege, daß manche – vielleicht sogar mit den besten Absichten – glauben, mit grenzüberschreitenden Mitteln wirklich helfen zu können. Es KANN hilfreich sein in Einzelfällen. Aber ich habe selbst bei professionell sehr guten Therapeuten schon miterlebt, daß sie manchmal Jahre später sich plötzlich dem Vorwurf des erneuten Mißbrauchs ausgesetzt sahen. Muß ja nicht sein.


Hier ist der erwähnte Link (danke für's Zusenden :)):

http://www.erotikforum.at/sex-talk....hr-rat-vergewaltigung.15305-seite3#post146261
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Heut "fließe" ich förmlich über und ich weiß, daß das für Mitlesende zu viel ist. Macht aber nichts, die Sachen wollen raus, ich fühl mich todmüde und gleichzeitig auf gute Art energiegeladen. Gut möglich, daß ich heute Nacht nach längerem endlich mal wieder durchschlafen kann.

Ich will mich nicht "bremsen", weil die Befindlichkeiten momentan so schnell wechseln, daß ein Aufschieben dessen, was ich loswerden will, keinen Sinn macht, weil es morgen oder übermorgen wahrscheinlich schon nicht mehr aktuell ist. Wird möglicherweise irgendwann mal ein Buch daraus, wer weiß.

Wer mitlesen will, kann sich damit ja alle Zeit lassen, wenn Fragen oder Antworten übermorgen, in zwei Wochen oder einigen Monaten auftauchen, isses immer noch früh genug, darauf zu antworten.




Ich schrieb im vorigen Beitrag, daß ich bereits vor Antritt meiner ersten "richtigen" Therapien gewußt habe, wie schlimm mein wirklicher Zustand gewesen ist, und daß ich beschlossen hatte, das in der Therapie nicht anzusprechen. Das hab ich meine gesamten Therapien und Jahre so durchgezogen, erst mit der letzten Therapeutin, bei der ich etwa 1 Jahr war, hab ich die Karten ganz auf den Tisch gelegt (hab ich glaub ich irgendwo schon geschrieben, glaub ich?).


Der Anlaß, überhaupt psychologische Hilfe zu suchen, waren schwere Depressionen - will ich jetzt nicht zu ausführlich erzählen, spielt im Moment keine große Rolle. Weil ich schnell Hilfe brauchte, wurde ich von einer früheren Gruppenschwester aus dem letzten Heim, in dem ich war, zu einer psychosozialen Beratungsstelle vermittelt und hatte dort regelmäßige Sitzungen mit einem Psychologen. War als Krisenintervention ganz ok, ein "guter" Therapeut war er nicht. Ist mir vor ein paar Tagen wieder eingefallen - eine Sitzung verlief so, daß ich über den Tod meiner Mutter berichten sollte, ich hatte sie damals sterbend gefunden. Ich sollte erzählen, was ich dabei gefühlt hatte, und ich wußte das nicht mehr so genau. Ich sagte irgendwas über Schuldgefühle, Angst oder so, und der Psychologe meinte: "Sie haben getrauert".

- Hab ich nicht.

- Haben sie doch!

- Ne, hab ich nicht, müßte ich ja wissen.

- Doch, sie haben getrauert!

usw. - ging ein Weilchen hin und her und ich bin irgendwann stinkig auf den gewesen. Heute muß ich fast lachen über diesen albernen Affentanz, damals fand ich's nicht witzig.

Wie auch immer, in der Beratungsstelle gab's ein kleines Regal mit Büchern, die man sich ausleihen konnte. Eins davon handelte von Multiplen Persönlichkeiten - weiß aber nicht mehr, ob es "Sybil" oder ein ähnliches Buch war. Ich hab nur den Klappentext und die ersten Seiten gelesen und das Buch dann wie glühende Kohlen weggeschmissen, weil das, was darin beschrieben wurde, plötzlich so grell einen Sinn ergab, als hätte jemand ein Licht angeschaltet. Es schien mir zu erklären, was all die Jahre mit mir losgewesen war, warum ich so viele Gedächtnislücken hatte, warum ich in dem Moment, wo ich etwas sagte, schon das Gefühl hatte, es wäre nicht mehr gültig und gelogen usw.

Im ersten Schrecken dachte ich, wenn DAS auffliegt, wird man mich auf Nimmerwiedersehen in die Klappse bringen. Und als nächstes dachte ich: "Die Geschichte ist von vorn bis hinten erlogen, das kann nicht stimmen!" weil: bei der Geschichte ging es um eine junge Frau mit diesen multiplen Persönlichkeiten, die hatten aber alle Namen und wurden beschrieben wie voneinander unabhängige Personen.

Und das stimmte für mich nicht.

Trotzdem hat mir diese Erkenntnis die ersten Anhaltspunkte geliefert, was mit mir los war und auch erste Schritte, das in den Griff zu kriegen.

Die nächsten Tage waren ziemlich übel. Ich blieb zu Hause, war krankgeschrieben, in meinem Kopf war ein Tumult, der das reinste "Stimmengewirr" war. Nicht so, wie man Stimmen hört, sondern so als wären mehrere Leute im Kopf, die durcheinander denken. Konkrete Gedanken konnte ich nicht lokalisieren, war ein heilloses Durcheinander. Und dann hat sich derjenige durchgesetzt, der eigentlich immer "zuständig" war, ich hab den bei mir den "Kotzbrocken" genannt. Ein zynisches Arschloch, sehr kalt, abwertend, aber sehr intelligent. Kann ich nicht besser beschreiben, war männlich, aber mit ähnlichen Eigenschaften wie meine Pflegemutter, allerdings emotionslos. "Der" versuchte Ordnung zu schaffen, indem er den "anderen" den Mund verbot und drohte, wir kämen in die Klappsmühle, wenn in dem Saustall nicht bald Ruhe einkehrt.

Muß sich für euch ziemlich verrückt lesen, ich selbst (da beißt's schon aus, weil "ich" gab's damals nicht oder jedesmal ein anderes "ich", keins, das von einem auf den anderen Moment gültig war) hielt mich für verrückt. Es kehrte irgendwie auch Ruhe ein und dann war "jemand" anderes da - nicht ganz so "nah" in meinem Kopf wie der Kotzbrocken, weiblich, ruhig, freundlich und vermittelnd, die meinte, er könne den anderen den Mund nicht verbieten, weil sie sonst ausbrechen würden, wir müßten zusammenarbeiten.

So in der Art, es war eine Unterhaltung. Und dann verhandelten "die", es meldeten sich andere "Stimmen", die wenigsten davon konnte ich lokalisieren, außer an den "Kotzbrocken" und diese vermittelnden Frau erinnere ich mich nur noch an ein kleines Mädchen, das eigentlich ständig Angst hatte und weinte. Die drei waren im Wesentlichen diejenigen, die ich wahrnehmen konnte, alle anderen waren "irgendwie" mal da, mal nicht und einige hab ich überhaupt nie mitgekriegt, kann sein daß das nur irgendwelche Fragmente waren oder so.

"Wir" einigten uns darauf zu schreiben, damit jeder mal zu Wort kommt und seine Bedürfnisse anmelden kann. Das funktionierte irgendwie. Ich hatte so eine Kladde, in der jeden Tag Einträge drin standen, verschiedene Schrift, manches unleserlich, ich hatte zu den "Leuten", die geschrieben hatten, allerdings keinen Zugang, das hätten Fremde sein können. Wenn ich in der Kladde nachlas, war ich immer irgendwie "betäubt", merkwürdiger Zustand. Was von wem geschrieben worden ist, weiß ich nicht mehr, ich weiß nicht mal, ob es überhaupt noch diese Kladde gibt. Irgendwo habe ich noch einen Umzugskarton voller Tagebücher rumstehen - ist meine "Giftkiste", die hab ich seit 20 Jahren oder so nicht mehr aufgemacht. Vielleicht irgendwann mal, vielleicht ist gar nichts von Belang dabei, ich wollte damit nichts mehr zu tun haben.

So ging's los. Das Buch hab ich nie zu Ende gelesen, bin auch allen Informationen zum Thema Multiple Persönlichkeitsstörung aus dem Weg gegangen, ich wollte damit nichts zu tun haben. Ich hielt das, was gelegentlich durch die Medien ging, für populärwissenschaftlichen Zirkusscheiß und ehrlich gesagt auch für Verarschung, weil ich mich fragte, wieso bei den anderen die "Leute" alle Namen hatten, mir kam das aufgesetzt vor.

Na, egal. Der "Kotzbrocken" hat über die Jahre immer wieder dafür Sorge getragen, daß ich nach außen sehr gut funktionierte, hat allerdings auch jede Emotion, die irgendwie nach außen drängte - sei's ein Lächeln, eine freundliche Bemerkung usw. - sofort immer kommentiert, so in der Art: "Was erzählst du da schon wieder für einen rührseligen Scheiß, das ist ja lächerlich!" usw. Das war quälend. Nach "innen" war die "Vermittlerin" (ich nenne die jetzt mal so, außer dem "Kotzbrocken" hatte ich für keinen von denen überhaupt eine Bezeichnung) am stärksten, die immer wieder Fürsprache für die anderen, von denen ich selten was "mithören" konnte ausgeübt hat.

So, das war jetzt das. Damit bin ich also in meine Therapien gestartet und ich denke bis heute, daß es eine gute Entscheidung war, das in meinen Therapien zu verschweigen. Heute ist diese Dissoziative Störung besser erforscht (mit Sicherheit aber noch nicht ausreichend) und es gibt mittlerweile ein paar vielleicht ganz brauchbare Therapieansätze. Damals gab's das nicht, und vielleicht war das ganz gut so, ich konnte mich auf meine Art selbst darum kümmern, aus dieser Splitternummer wieder rauszukommen.

Für heute genug.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Mir scheint, meine „Roßkur“ hier geht auf. Hab lang und tief geschlafen. Es muß letzte Nacht ein gewaltiges Gewitter gegeben haben, irgendwo in der Nähe gab's einen Blitzschlag, momentan sind die Netze ausgefallen. Davon hab ich nichts mitgekriegt (bin bei Gewittern sonst ziemlich ängstlich :oops:).

Fühle mich heute ruhig, von den emotionalen Stürmen der letzten Tage ist im Moment jedenfalls (außer 'nem gehörigen Muskelkater) nichts zu spüren.

Ich wurde darauf aufmerksam gemacht, daß bei den Sachen, die ich hier schreibe, kaum jemand wird Fragen stellen können. Stimmt. Und ich selbst hab im Moment auch keine Fragen, die mir auf den Nägeln brennen. Ich bekomme genau die Unterstützung, die ich gerade brauche, und darüber hinaus gelegentlich per PN vermittelt, daß mitgelesen wird. Das fühlt sich gut an.

Ob heute im Lauf des Tages hier in der Gegend die Netze wieder hergestellt werden können (scheint einiges platt zu sein, ich kann mom. nur mit einem mobilen Stick online sein) ist noch offen. Wenn ihr Glück habt, kann ich heute also nur wenig schreiben. :engel:
 
Guten Morgen (oder wann immer du das lesen kannst!)
Bin nach wie vor eintreuer( ex) stiller ;) Freue mich wirklich immer von dir zu lesen!
WÜNSCHE EUCH EINE SCHÖNEN SONNTAG
LG
Danke noch für den Link!
 
Zuletzt bearbeitet:
In dieser Ausführlichkeit wie hier habe ich meine Geschichte noch niemandem mitgeteilt mit Ausnahme meines Mannes, dem ich sehr vieles auch erst in Schriftform mitteile, weil mir das leichter fällt als im Gespräch. Das hat verschiedene Gründe. Zum einen ist meine Geschichte insgesamt so verwirrend vielschichtig, daß selbst Therapeuten schon allein mit der Zuordnung zu meinen unterschiedlichen „Familien“ und deren Mitglieder gelegentlich etwas überfordert waren (wir haben das dann z.B. gelöst, indem wir „Organigramme“ erstellt haben, ähnlich wie man das aus großen Firmen kennt). Zum anderen, weil ich Gefühle, soweit sie mich selbst betreffen, meistens peinlich finde. Ist noch eine meiner "offenen Baustellen".

Wenn ich für mich alleine nachdenke, dann geht das in einer Geschwindigkeit, „switche“ dabei auch zwischen den verschiedenen „Erinnerungsebenen“ hin und her und kann das auch ziemlich gut, wenngleich ich manchmal erschöpft bin. Kann man ungefähr so vergleichen: wenn von „Multitasking“ die Rede ist, meinen die meisten, es ginge dabei um Gleichzeitigkeit in den Dingen, die man tut – telefonieren und nebenbei Wäsche zusammenlegen und dabei darüber nachdenken, wann man wieder mal Zeit zum Einkaufen finden wird.

Mein Mann kann es z.B. nicht leiden, wenn er sich mit mir unterhält und ich nebenbei schreibe. Das kann ich so beiläufig, daß ich hier Beiträge beantworte, ihn dabei ansehe und ihm zuhöre (antworten geht allerdings dann nicht, dazu muß ich das Schreiben zumindest kurz unterbrechen). In Wirklichkeit ist das kein besonderes Kunsstück, die meisten könnten das, wenn auch auf ganz unterschiedliche Weise (v.a. unterschiedlich zw. Männern und Frauen). Man kann sich das so vorstellen: eine Filmrolle besteht aus einer Aneinanderreihung vieler kleiner Bildchen, die man an die Wand projeziert. Wahrnehmbar sind nicht die einzelnen Bilder, sondern ein Handlungsablauf – wie ein zusammenhängendes Stück ohne Unterbrechungen. Wenn man jetzt zwei Filme gleichzeitig abspulen würde, dann wäre außer Kuddelmuddel nichts mehr erkennbar, allenfalls kleine Bruchstückchen hier und da.

So ungefähr funktioniert „Multitasking“ - jemand, der darin geübt ist, kann so schnell zwischen den verschiedenen Denk- und Tätigkeitsebenen hin und her „springen“, daß es so aussieht, als könne er gleichzeitig handeln. Daß ich das „besonders gut“ kann, hängt unter anderem damit zusammen, daß ich aus der Notwendigkeit heraus, nach „außen“ gut zu funktionieren, das über die Jahre sehr stark „trainiert“ habe. Nicht besonders bewußt, das ergab sich einfach so. Zauberei steckt jedenfalls nicht dahinter, andere können das auf ihre Art genauso gut, je nachdem, wo solche Fähigkeiten eben gebraucht werden. Ohne Notwendigkeit lernt man in der Regel nichts.

Ähnlich verhält es sich mit der Fähigkeit zu dissoziieren. Auch das ist keine Zauberei, auch diese Fähigkeit ist unterschiedlich stark ausgeprägt in den meisten Menschen vorhanden und wird auch genutzt (ich schreibe absichtlich nicht: in allen Menschen, es mag Ausnahmen geben und ich bin keine Wissenschaftlerin. Aber ich denke, daß solche Fähigkeiten zu den „Grundausstattungen“ beim Menschen gehören.

Beispiel: „Mann“ ist zärtlich, kuschlig und besonders erregt beim Liebesspiel. Dann isses vorbei, er steht auf, schaut auf die Uhr, macht sich für den Tag oder den Heimweg fertig und ist gedanklich schon beim nächsten Wochenende, wo er mit Kumpels Fußball spielen wird oder beim nächsten Tag, wo er im Betrieb irgendwas Wichtiges zu erledigen hat. Er „switcht“ sozusagen von einer emotionalen/mentalen Ebene in die nächste – und läßt gelegentlich eine gekränkte, ratlose Frau zurück, die sich dann vielleicht „ausgeknipst“ fühlt und denkt: „Was für ein unsensibler Arsch issen das, hat der mir grad eben was vorgespielt?“ :mrgreen:

Ganz normale Abläufe. Das, was gerade Priorität hat, wird wahrgenommen, die anderen „Ebenen“ werden soweit beiseite gelegt, daß sie einen nicht weiter stören, sie sind zwar noch „da“, aber sie berühren einen im Moment nicht weiter.

Dieses „Switchen“ ist so alltäglich, daß es kaum jemandem bewußt ist. Wenn eine Mutter ihr Kind weinen hört, wird für den Moment alles andere, was sie vielleicht gerade beschäftigt hat, „ausgeblendet“ - Priorität hat dann ihr Kind, alle anderen Wahrnehmungen sind dann erstmal nicht wichtig. Das macht Sinn, das muß so sein, um gerade in Belastungssituationen mit adäquat reagieren zu können. Ähnlich „switcht“ man mehr oder weniger je nach Temperament, wenn man im Beruf Privates „ausblendet“ - tun Männer meistens „besser“ als Frauen, die meisten Männer denken/handeln ziel- und lösungsorientierter als Frauen (danke Verweigerer für's Erinnern :)) - prinzipiell könnten Frauen das mit entsprechender Motivation auch lernen, wenn sich die Notwendigkeit für sie ergibt, so wie Männer prinzipiell auch lernen könnten, die „Zugänge“ zu den verschiedenen Ebenen etwas flexibler zu öffnen – wenn sich die Notwendigkeit dazu ergibt.


Dissoziationen sind also nichts Besonderes. Eine dissoziative Identitätsstörung – funktioniert nach diesem Prinzip, ist aber eine extrem übersteigerte Form davon und führt damit natürlich zu erheblichen Schwierigkeiten. Weil: das, „beiseite gelegt“ werden muß, wurde oder wird dermaßen gründlich im Gedächtnis „abgelegt“, daß man dazu keinen bewußten Zugang mehr findet. Kann man sich so vorstellen wie wenn das Gedächtnis eine Art Ordnerstruktur hat, jeder Ordner enthält wichtige Erinnerungen und Handlungsmöglichkeiten, die sich z.T. so sehr voneinander unterscheiden, als wären das – für sich betrachtet – voneinander unabhängige, verschiedene Personen. Man kann sich (so war meine „Ausgangslage“) kaum an irgend etwas erinnern. Ich hatte mit Anfang 20 kaum Erinnerungen an die Vergangenheit. Wenn ich heute also in der „Ich-Form“ erzähle, kann ich das nur im Rückblick, damals hatte ich sehr wenig „Zugriff“ auf diese Dinge.

Der Sinn, Dinge zu „vergessen“, liegt darin, daß man weiter funktionieren muß, kein Lebewesen kann es sich leisten, Tränen zu vergießen, wenn grad ein Tiger aus'm Gebüsch hüpft um einen zu fressen – oder ein PKW heranrollt und man zusehen muß, daß man rechtzeitig von der Straße kommt. Das ist das eine. Das andere: all diese „Ordner“ bzw. „Personen“ sind trotzdem da. Je nachdem, was der Alltag gerade erfordert, werden sie aktiv – und blenden dabei meistens die „anderen“ so komplett aus, daß man sie nicht mehr bemerkt.

Auch das ist sinnvoll, wenn die Summe dessen, was man erlebt hat, so widersprüchlich sind, daß sie als Ganzes keinen Sinn ergeben, weil: man würde von der Flut an widersprüchlichen Eindrücken so überwältigt sein, daß man nicht mehr handlungsfähig wäre.

Man kann diese verschiedenen „Personen“ so nach und nach wieder zusammenführen. Ich bin heute ICH. Mal launisch, mal biestig, ziemlich oft gut gelaunt und meistens optimistisch usw. - so wie jeder andere „normale Mensch“ halt auch. Das war mit einer Menge Arbeit verbunden, die Jahre gedauert hat. Wenn's mir nicht gut geht, denke ich mir manchmal, was alles aus mir hätte werden können, wenn es nicht diese vielen fürchterlichen Erlebnisse gegeben hätte.

Sowas läßt sich nicht beantworten. Ich sehe heute, was ich geworden bin, und finde mich meistens ziemlich gut gelungen. :mrgreen: - weil: alle die Dinge, die mich belastet haben oder vielleicht noch belasten, haben auf der „Kehrseite“ immer auch früher oder später zu einem Gewinn geführt. Ich verfüge über Fähigkeiten, die andere nicht haben. Nicht, weil ich so toll wäre, sondern weil ich gezwungen war, sie zu trainieren, so wie Hochleistungssportler oder hochrangige Wissenschaftler ihre Fähigkeiter trainiert haben. Ich bewundere Leute, wenn sie ohne Zwang ihre vorhandenen Talente nutzen und trainieren. Mit mir bin ich zufrieden, Grund mich zu bewundern sehe ich nicht, weil das meiste von dem, was ich heute „drauf hab“, aus der Notwendigkeit zu überleben heraus entstanden ist. „Nicht perfekt, aber ziemlich gut“ ist eines meiner Lebensmotti (-motten? -mottos?).


Um auf deine Frage einzugehen, Arizona:



Ist das jetzt mangelndes Selbstwertgefühl? Hört sich so an... passt aber nicht zu Dir, oder spielst du ( vor Dir selber) die Harte um (Dir)das nicht eingestehen zu müssen?

Konstruktiver Gedanke, nicht bös sein.

Ich bin nicht bös, ich mußte darüber erst nachdenken. :)

Ich hab ein ziemlich gutes, ausgeprägtes Selbstwertgefühl. Ein noch besser ausgeprägtes Selbstbewußtsein. :mrgreen:

Und ich hab ein schlechtes Selbstwertgefühl, wenn ich anfange, jemanden sehr zu mögen, nicht nur "einfach so". Wenn mir jemand überraschend entgegenlächelt, kann's passieren daß ich 'nen roten Kopf kriege und irgend 'nen Dummfug von mir gebe. Oder (wahrscheinlicher) daß ich nach außen überhaupt nicht reagiere, innerlich aber ein ganzer Orkan lostobt.

Sowas passiert, wenn ich jemanden mag. Oder richtiger: ich mag sehr viele Menschen, deutlich mehr jedenfalls, als es Menschen gibt, die ich nicht mag (kommt relativ selten vor und bezieht sich dann i.d.R. auf ganz konkrete Verhaltensweisen). Aber wenn ich jemanden so sehr mag, daß es mir nicht mehr egal ist, ob er oder sie mich "zurück" mag, dann gerate ich leicht in Panik. Ich hab dann das Gefühl, vielleicht nicht genug "bieten" zu können. Wenn jemand keinen "Grund" hat, mich zu mögen, kann er ja jederzeit verschwinden.

Wenn ich mich schwach zeige, fühle ich mich nicht mehr nützlich. Wenn ich nicht nützlich bin, gibt es keinen vernünftigen Grund, mich zu mögen.

So in etwa.


Es stimmt also beides. Sehr gutes Selbstwertgefühl, ich kenne meine Fähigkeiten. Mangelndes Selbstwertgefühl dann, wenn ich's brauchen könnte. Muß ich noch besser üben, oder vielleicht einfach nur lernen, es auszuhalten, daß Menschen, die ich mag, jederzeit verschwinden könnten.
 
Wenn ich von mir erzähle, ergibt sich früher oder später für die, die mich 'kennen', fast zwangsläufig ein so widersprüchliches Bild, daß Zweifel auftauchen.

Mir wird oft gesagt, ich sei „authentisch“. Das bin ich, im Prinzip hab ich mein Leben so genau untersucht wie ein Kriminalist, jedes noch so kleine Detail wurde unter die Lupe gelegt, von allen Seiten beleuchtet und geklärt. Das mache ich auch heute noch so – aktuell auch mit den Dingen, die ich bereits für „bearbeitet“ beiseite gelegt hatte. Mit dem heutigen Wissen ergibt sich im Rückblick auf manches ein umfassenderes Bild, ich kann also Neubewertungen vornehmen, wenn sie nötig sind. Nach dieser „Methode“ hab ich mich wieder flott gekriegt.

Ich hab davon erzählt, wie ich als jugendliche Ausreißerin auf der Straße gelebt hab, mich durch Deutschland, Österreich bis Italien getrampt bin, auch davon, daß ich mich für Schlafplätze, Geld oder Nahrungsmittel durchgevögelt hab. Ich war ziemlich abgebrüht.

Das stimmt.

Ich hab auch davon erzählt, wie schüchtern und unerfahren ich in manchen Dingen bis heute bin. Ich kann nicht küssen, obwohl ich weiter oben erwähnt habe, daß mein Bruder mir auch das „beigebracht hat“.

Auch das stimmt.

Ich hab oft erwähnt, daß ich ein aggressives Weib war, das Männer mühelos auf die Bretter schicken konnte.

Auch das stimmt.

Es gab Jahre, in denen ich so schwer depressiv war, daß ich über Monate in meiner abgedunkelten, völlig vermüllten Wohnung lebte, in Panik geraten bin bei jedem Geräusch, das sich von außen meiner Wohnungstür genähert hat, unfähig manchmal, die Hand nach meinen Schilddrüsentabletten auszustrecken um die zu nehmen, obwohl ich wußte, daß die Nichteinnahme die Depressionen noch verstärken würde. In solchen Zuständen habe ich manchmal selbst das Atmen „vergessen“ und das erst bemerkt, wenn mir schwindlig wurde und Erstickungsanfälle kriegte.

Das stimmt auch.

Ich war beruflich oft erfolgreich, hab mich in verschiedenste Arbeitsbereiche eingearbeitet, hab mich in bescheidenem Rahmen „hochgearbeitet“ und war meistens bei den Arbeitgebern geschätzt, weil ich immer überdurchschnittlich engagiert war, ich hab gerne gearbeitet.

Auch das stimmt.

Ich könnte so weitererzählen, und alles stimmt: daß ich eine Zeit lang dermaßen gesoffen habe, fast jede Nacht bis zur Bewußtlosigkeit, und trotzdem meiner täglichen Arbeit nachgegangen bin. Daß ich eine Zeit lang unter amtsgerichtlich bestellter Betreuung (früher nannte man das Vormundschaft) stand, das hatte ich selbst veranlaßt als ich merkte, daß ich nicht mehr handlungsfähig war. Und wie ich dafür gesorgt habe, daß diese Betreuung per Gegengutachten durch eine Ärztin beim Gesundheitsamt endet in einer Zeit, als meine Betreuerin ihre Tätigkeit auf mein Aufenthaltsbestimmungsrecht erweitern wollte, um mich in eine Klinik einweisen zu lassen.

Will sagen: das ist die „sichtbare“ Seite meiner Dissoziationen: eine Biografie, die unwahrscheinlich wirken muß, weil sie von so verschiedenen Personen zu handeln scheint, daß es schwer fällt zu glauben, es handle sich dabei um eine einzige Person.


Es ist nicht so, daß das über die Jahre ein ständig präsentes Thema war für mich. Es war zwar immer „der Kotzbrocken“ da und hat mich koordiniert und kommentiert, ansonsten war es so, als würden verschiedene Personen nacheinander und gelegentlich parallel zueinander leben. Dem „Kotzbrocken“ waren diese verschiedenen „Personen“ weder bekannt noch hatte er Zugriff, das fiel nicht in seine Zuständigkeit.

Ich wußte zu Beginn meiner Therapien also, was mit mir los war, ich habe mich soweit als nötig „zusammengeschaltet“ und das dann wieder „vergessen“.

Als ich schrieb, meine Therapien wären „Beschiß“ gewesen, meinte ich damit: es ging jeweils die „Person“, die gerade aktiv war, in Therapie, und die war dann auch ernsthaft dabei und hat Fortschritte gemacht. Zuerst mit den Depressionen. Dann mit Zwangsstörungen (relativ milde, es gab Zeiten, da hatte ich Waschzwänge, „mußte“ mich ständig duschen usw), Angststörungen, Eßstörungen usw. Mit jedem neuen Therapeuten eine neue Diagnose.

Das ist eine der typischen Merkmale, wenn man dissoziiert.

Für mich bedeutete das über lange Jahre, daß ich immer das Gefühl hatte, ein Problem nach dem anderen zu bewältigen, um mich dafür einer Menge neuer Probleme gegenüberzusehen. Sisyphos war ein Waisenknäblein im Vergleich zu mir :mrgreen:

Ich hab oft (je nachdem, „wer“ gerade aktiv war) in Bildern gedacht. Mein damals häufigstes: ich sah mich mit einer Fliegenklatsche lauter Lagerfeuer um mich herum ausklopfen, und wenn ich mich umdrehte, sah ich bis zum Horizont große und kleine neue Feuer auftauchen, die sich auf mich zubewegten, je schneller ich die nächstgelegenen löschte, umso schneller entstanden neue.

Das hat mich damals verzweifelt, ich dachte, ich komme nie auf die Füße. Ich war oft vor dem Aufgeben und wollte dann tot sein. Einmal war ich so weit und hätte sterben können. Man sagt ja oft, daß jemand „lebensmüde“ wäre oder daß jemand mit Selbstmord droht. Stimmt in der Regel nicht, jemand der wirklich sterben will, sagt nichts mehr, er tut's.

Als ich so weit war, daß ich sterben hätte können, war außer Ruhe nichts mehr in mir. Das hat sich sehr gut angefühlt. Keine Angst mehr, keine Wut, kein Interesse, wem durch meinen Tod „die Augen aufgehen“ würden usw. - war alles weg, genauso wie meine Angst vor dem Jenseits. Ich war bereit zu sterben, und dann bin ich „weg“ gewesen.

Aufgewacht bin ich vermutlich 1 oder 2 Tage später in meinem Bad auf dem Fußboden.

Und dann war's vorbei mit der Ruhe, ich war erstmal sauer, daß es mich noch gab. Mich umbringen wollte ich nicht – das überschätzen viele, die glauben, sich das Leben nehmen zu können, das geht allenfalls in einem Zustand höchster Erregung. Der Überlebenstrieb ist sehr stark, und das ist auch gut so.

Ich stellte fest, daß meine Angst vor dem Tod nicht mehr da war. Und daß es damit auch keine Notwendigkeit mehr gab, gleich zu sterben – ich hatte sozusagen die „Option Tod“ dazugewonnen, um sie zu nutzen, wenn es erforderlich wäre. Klingt das verrückt?

Wie auch immer: ich überlegte dann, wie's weitergehen sollte und stellte mir die Frage, ob ich leben will und entschied mich für: „Ja!“

Und dann überlegte ich weiter, wie das Leben aussehen sollte und stellte fest, daß ich mich – wenn ich schon lebe – mich dabei gut fühlen will. Nicht mehr ängstlich, haßerfüllt, wütend oder verzweifelt. Logisch, ne?

Dann überlegte ich, was passieren müßte, damit ich mich gut fühlen kann. Das war das schwierigste, weil: egal, was mir dazu einfiel, ich kam immer wieder an den Punkt zurück, daß alles, was dazu führen konnte, mich gut zu fühlen, von mir selbst gemacht werden mußte. Ein Scheißgefühl und ich fand das ungerecht. Schließlich hatte ich mich ja nicht selbst in diese fürchterlichen Zustände gebracht, ich fand, daß all diejenigen, die mich gequält hatten, bestraft werden müßten, das hätte ich gerecht gefunden.

Hätte mir halt bloß nichts genützt, meine Erinnerungen wären damit nicht weg gewesen, meine Schwierigkeiten auch nicht. Der Haß, der so übermächtig da war, hat diejenigen, auf die er sich bezog, in keiner Weise berührt, ich stand mit denen ja schon lange nicht mehr in Kontakt. Manchmal aber war der Haß so groß, daß ich stundenlang wie eine Salzsäule und zitternd nur dastand und mich nicht mehr bewegen konnte, bis ich irgendwann zusammengeklappt bin und tagelang Muskelkater hatte. Ich erkannte also, daß der Haß vielleicht „gerecht“, aber in erster Linie mich selbst schädigend war.

Das war ein weiterer „erster Schritt“, um mich wieder flott zu kriegen.

Konkret geändert hab ich damit erstmal nicht viel, außer daß ich mir eine Dartscheibe angeschafft habe, auf der ich sämtliche Fotos, die ich von meiner Pflegemutter hatte, so nach und nach mit Pfeilen zerschossen hab, bis sie unkenntlich war. Ich war später ziemlich gut beim Darten. :mrgreen:

Hat der Mutter nicht geschadet, aber ich hatte nach solchen Schießübungen wieder mehr Kraft, mich auf andere Dinge zu konzentrieren. Die waren immer noch übermächtig und zu viel, aber nicht mehr so aussichtslos.

In der Zeit habe ich dann überhaupt angefangen, Dinge mit anderen Augen zu sehen. Dabei haben mir die verschiedenen Therapien wirklich geholfen, obwohl ich mit den Therapeuten selten über diese Dinge überhaupt gesprochen habe. Ist wahrscheinlich eine meiner unangenehmeren Eigenschaften, ich unterhalte mich gerne über Themen, „meins“ ziehe ich mir in der Regel aber heraus, ohne das unbedingt mitzuteilen. Einer meiner Therapeuten nannte mich mal „verschlossen“ - einer Quasselstrippe wie mir gegenüber eine erstaunlich hellsichtige Erkenntnis. :mrgreen:

Ich habe erkannt, daß „Rückschläge“, egal wie schwerwiegend die sind, in Wirklichkeit keine Rückschläge waren. Das fand ich wichtig, weil ich immer wieder an den Punkt gekommen bin wo ich dachte, alle meine Bemühungen wären umsonst. Hat mir die Kraft gegeben, immer wieder weiterzumachen und diese vermeintlichen „Rückschläge“ nur noch als Art Pause oder „Fieberanfall“ vor der nächsten Etappe zu sehen.

Dann habe ich erkannt, daß ich es Scheiße finde, als „psychisch krank“ zu gelten, so als handle es sich dabei um Schnupfen oder Infekte. Ich war schwer verletzt – das ist was anderes. Jemand, der schwer verletzt worden ist, kann zwar im Streckverband liegen, Operationen und Therapien brauchen, aber er ist nicht „defekt“. Hat mir geholfen, weiterzumachen.

Weil meine „Rückschläge“ oft so heftig waren, daß sie gelegentlich existenzbedrohlich waren, hab ich darüber nachgedacht und habe erkannt, daß sie mich trotzdem nie vernichtet haben. Egal, wie aussichtslos meine Situation oft war: ich bin immer wieder rausgekommen. Also habe ich daraus geschlußfolgert, daß die Psyche mich zwar bis an meine Grenzen belasten konnte, aber doch immer noch so, daß genug Kraft war, wieder aus der Scheiße rauszufinden. Das eine schien mit dem anderen zusammenzuhängen – Katastrophe einerseits, Kraft andererseits – die haben sich immer früher oder später wieder ausgeglichen.

Und irgendwann dann die wichtigste Erkenntnis – die ist nicht auf meinem Mist gewachsen, über die hab ich mit Therapeuten häufiger mal gesprochen, aber da endlich verstanden und für mich annehmen können: die Psyche ist schlau, sie hat ihre ganz eigene Logik, sie tut nichts, was keinen Sinn ergäbe. Es gibt kein noch so „verrücktes“ Symptom, das nicht in sich einen ganz eigenen, nachvollziehbaren, nützlichen Sinn hätte. Wenn man diesen Sinn „entschlüsseln“ und akzeptieren kann, bekommt man die Mitteln in die Hand, das, was einen belastet, abzulegen und Alternativrouten zu finden.

Auch wieder so eine arbeitsträchtige Erkenntnis, aber sie hat mir geholfen, und auf die verlasse ich mich immer, wenn ich mich wie jetzt wieder auf psychisch belastende Situationen einlasse. Mir wurde verschiedentlich zu vermitteln versucht, ich solle mir professionelle Hilfe suchen. Die hab ich, in mir drin. Mir kann heute nichts wirklich Bedrohliches passieren, nicht mal dann, wenn ich angeschlagen bin.

Gut, wa?
 
Falls sich jemand fragt, was ich hier gerade treibe und warum ich jetzt so viel scheinbar Nebensächliches erzähle: ich stabilisiere mich. Ich "docke" mich in gewisser Weise an, prüfe meine früheren Stabilisierungs-Maßnahmen auf Stichhaltigkeit, weil ich so nach und nach wieder die Dinge, die mich heute belasten, wieder in den Vordergrund lassen werde. Ich brauche diese Zwischendurch-Sicherungen, damit mache ich mir bewußt, was ich bisher geschafft hab und wo meine Stärken liegen. Und ich mache mich "nützlich". Ich bin angewiesen auf Unterstützung und ich hab ja erwähnt, daß ich das Gefühl der "Nützlichkeit" brauche, wenn ich mich schwach fühle.

Wenn jemand jetzt, irgendwann, vielleicht auch erst in Jahren, hier hereinliest und für sich die eine oder andere Anregung herausziehen kann - sei's zum Bewältigen eigener Probleme, sei's, um im Freundes- oder Bekanntenkreis jemandem mit Mißbrauchserlebnissen, mit Borderline-Thematik (gehört in den dissoziativen Formenkreis, ist aber nicht dasselbe wie DIS) Verständnis entgegenbringen zu wollen, dann hat dieses Thema einen Nutzen. Mache ich nicht aus Selbstlosigkeit, es ist ein gutes Gefühl, nicht nutzlos zu sein.


Ich werde vermutlich in der nächsten Zeit wieder konkreter auf die heute bestehenden Schwierigkeiten zurückkommen, die sich aus der Mißbrauchsgeschichte ergeben. Natürlich wirken die sich heute noch aus, vor allem was Vertrauen, aber auch sexuelle Sachen angeht. Ich eiere da noch rum, weiß noch nicht in welcher Form ich manches formulieren kann.

Ich werde dabei auch so nach und nach über die Beziehung zu meinem Mann erzählen, was er mir bedeutet, auf welche Weise er ebenso "besonders" ist wie ich und warum er genau der richtige Partner für mich ist. Er weiß das, ich habe auch früher nie über ihn erzählt ohne sein Wissen und Einverständnis, weder privat noch öffentlich. Er liest hier mit, er beantwortet mir manches direkt, mit Umarmungen oder pragmatischen Gedanken je nachdem, was ich grad annehmen kann. Und ziemlich oft mit frechen Witzen, wir lachen ziemlich viel miteinander. Respektloser Bengel eigentlich. Aber ziemlich reif für sein Alter. :mrgreen:
 
Ich weiß nicht mehr genau, ob ich schon hier im EF aktiv war oder ob es während meines kurzen Aufenthalts in einem kleineren Erotikforum war oder bereits während der Zeit, als ich mich in einem großen, allgemeinen Hilfsforum aufhielt, in dem sehr viele Mißbrauchs-, Vergewaltigungsopfer und zu meiner Überraschung einige DIS'ler aktiv sind. Jedenfalls habe ich mich schon intensiv mit Aussehen, Schönheit, dick / schlank, selbstbewußt oder Komplexhaufen beschäftigt.

In dem Zusammenhang fragte ich meinen Mann mal: "Hast du mich eigentlich nur wegen meiner Schönheit geheiratet?" und er antwortete: "Klar, Geld hatt'ste ja keins!" :mrgreen:


Natürlich war der Dialog witzig von beiden Seiten, und natürlich steckt von beiden Seiten ein Körnchen Wahrheit drin. Wir haben einen gut funktionierenden gemeinsamen Humorlevel.


Dick sein: ich war von klein auf die "Dicke". So wurde ich genannt. Auf Bildern sehe ich, daß ich pummelig war als Kind, nicht besonders dick. Wäre ich heute Kind, käme kaum jemand auf die Idee, mich als dick zu bezeichnen. Eines der Dinge, die meine Pflegemutter an mir ausgetobt hat als ich anfing, weibliche Formen zu entwickeln: sie ließ mich gelegentlich nackt vor einem großen Spiegel stehen, damit ich sehen konnte, wie häßlich und fett ich sei. So ähnlich wie sie das früher gemacht hatte, wenn ich wütend war oder geweint hatte, dann mußte ich vor den Spiegel um zu sehen, wie häßlich verquollen man aussieht, wenn man heult. Ich habe, soweit ich mich erinnere, mit Anfang 20 zum ersten Mal geweint, insgesamt durch mein gesamtes Erwachsenenleben fast nie, während meiner Ehe - gerade in den letzten Jahren - weine ich mittlerweile ziemlich oft. Kommt mir zumindest so vor. Vor einigen Wochen habe ich zum ersten Mal, als mal wieder alte Erinnerungen ihre Griffel nach mir ausstreckten, meinen Mann aufgesucht und hab ihm ein bißchen auf's Kissen und die Schultern geheult. Normalerweise mache ich solche Sachen eher mit mir selbst aus. In der letzten Zeit sagt mein Mann mir gelegentlich, daß er froh ist, wenn ich ihm zeige, daß es mir schlecht geht. Nicht daß er sich darüber freut, daß es mir schlecht geht, sondern weil er so besser einschätzen kann, warum ich mich vor ihm zurückziehe, gereizt bin oder "nicht erreichbar", weil ich mich mit Dingen beschäftige, die ich virtuell "erledige".

Daß ich das jetzt immer besser kann - ihm zeigen, was mit mir los ist, meine ich - liegt daran, daß er mir Raum läßt. Er ist eigentlich ein "Kuschelmonster", ich nicht. Aber er bedrängt mich nicht, er reagiert nicht gekränkt, wenn ich nicht will.

Mein Mann ist ein außerordentlich intelligenter, pragmatisch-naturwissenschaftlicher Typ. Vermutlich ist er außerdem (wahrscheinlich) Asperger Autist - nicht diagnostisch gesichert, ob das irgendwann mal sinnvoll sein wird, ist im Moment für uns nicht so wichtig. Es ist in dem Artikel von "Entwicklungsstörung" die Rede, die Forschung in dem Bereich ist noch relativ neu, wir - also mein Mann und ich - sehen seine "Eigenheiten" eher als Wesensart. Mir sind im Leben nicht viele Menschen begegnet, die so in sich stabil, "unbeschädigt" und ausgeglichen sind wie mein Mann.

Er kann Emotionen nicht sehr gut identifizieren. Er kann Emotionen bei anderen wahrnehmen, aber oft nicht so richtig einordnen. Er äußert Emotionen - das wird allmählich mehr, manchmal kann er sogar schon richtig "aus der Haut fahren" :mrgreen: - aber die Bandbreite an Gefühlen, wie sie Menschen normalerweise haben, und die Differenzierung der verschiedenen Gefühlslagen, ist für ihn oft ziemlich undurchsichtig. Er kann das auf intellektueller Ebene ziemlich gut kompensieren. Und - für mich ebenso komfortabel wie schwierig: er kann sich emotionale Themen, Gespräche, Sitationen nicht merken. Komfortabel: wenn ich am Rad drehe, ihn - vor allem in den ersten Jahren - angebrüllt, getobt, Szenen geliefert habe, war er oft eher irritiert als wütend, oft hilflos, wir konnten innerhalb kurzer Zeit, wenn ich wieder ruhig war, sehr gut darüber reden. Am nächsten Tag erinnert er sich, daß "da" was war, dann vergißt er es. Am Anfang dachte ich oft, er verarscht mich, ich konnte mir nicht erklären, warum er Dinge, die wir gefühlte 1000 Mal besprochen hatten und von denen er wußte, daß sie mich verletzen, trotzdem wieder tat. Mittlerweile schreibt er sich wichtige Konflikte oder emotional behaftete Themen manchmal auf oder bittet mich, nach solchen Gesprächen eine schriftliche Zusammenfassung zu machen.

Mein Mann steht auf dicke Frauen. Er hätte mich nicht "genommen", wenn ich schlank gewesen wäre. Trotzdem bin ich kein "Fetisch" für ihn, ob ich nun leicht pummelig oder doppelt so dick wie jetzt wäre, spielt für ihn keine Rolle. Ich bin ihm vertraut, und mit der Vertrautheit wächst seine Zuneigung zu mir. Er schätzt mich, er kennt mich, manchmal, wenn ich ihn frage, was um Himmels willen er an mir nur findet - gerade dann, wenn ich mich unmöglich benommen hab - sagt er, ich sei eine Herausforderung für ihn. Er hat durch mich viel gelernt, an Kontur gewonnen, so wie ich umgekehrt durch ihn auch.

In der ersten Zeit - damit meine ich einige Jahre - sagte er gelegentlich, daß er noch nie verliebt war. Als wir uns vor ungefähr 2 Jahren beim Sonntagsfrühstück unterhielten, meinte er, er wisse nicht, was mit "Verliebtheit" gemeint sei, er könne damit nichts anfangen. Obwohl ich ihn gut kenne, fiel mir da das Brötchen doch beinahe aus dem Gesicht. :mrgreen:

Mit "Romantik" kann er nichts anfangen. Er weiß, daß "man" einer Frau Blumen schenken kann, und gelegentlich, wenn ihm sowas einfiel, tat er das auch. So wie er mir eines Tages ein Büchlein mit Gedichten geschenkt hat, weil er sich gemerkt hatte, daß ich Gedichte mochte. Was für Gedichte das waren, von wem die waren und was mir an Gedichten gefällt, ist ihm rätselhaft. Das Gedichtbüchlein hatte er irgendwo mit Preisnachlaß gefunden und mir auf's Kopfkissen gelegt. :mrgreen:

Mein Mann ist so ziemlich alles, was Frauen an Männern "eigentlich" nicht sexy finden: er interessiert sich nicht dafür, ob Socken in Sandalen Scheiße aussehen, ob sein Gang "cool" aussieht, ob seine Jeans verbeult wirkt ("wieso, die ist doch noch gut?!" ist eine seiner Standardansagen). Wenn ich ihm einen plüschig-fussligen Schal stricke, dann wäre das "eigentlich" ein ziemlich weibliches Acessoire. Wenn er es trägt, entsteht gar kein Zweifel daran, daß das Ding ihm angemessen und "männlich" aussieht, es könnte sogar rosa gefärbt sein. Er ist er. Unbeeindruckt, ob man ihn für feige oder mutig hält, amüsiert, wenn er ein rosa Netbook zu einem Treffen beruflicher Art mitnimmt, er kann stumm wirken, wenn er keine Lust hat, sich zu unterhalten, und er quasselt mir die Ohren heiß, wenn ihn ein Thema interessiert.

Wir ergänzen uns gut. Wir wissen beide um unsere Verschiedenheit und haben immer wieder Wege gefunden, uns einander verständlich zu machen. Manchmal per Terminplaner, festgelegten Gesprächen und "Gesprächprotokollen".

Er ist ein ausgeglichener, liebenswerter Mensch mit sehr viel Humor. Ich habe noch nie erlebt, daß jemand ihn nicht mochte. Er weiß um seine Intelligenz und kann gelegentlich ein ganz schön arroganter "Arsch" sein - besonders beim Autofahren. Er beleidigt Leute nicht, weder bewußt noch unbewußt. Und es ist ihm ziemlich egal, was man von ihm hält. Er käme nicht auf die Idee, mir zu sagen, daß ihm mein Essen schmeckt, wenn es nicht stimmt, auch nicht um mir damit einen Gefallen zu tun.

Als ich vor 2 oder 3 Tagen geschrieben hatte, wie ich zum ersten Mal "Nein" zu meinem Bruder gesagt habe und daß ich danach auch nie wieder von meiner Pflegemutter geschlagen worden bin, weil irgendwas in mir plötzlich "NEIN" spüren und sagen konnte, fragte er mich, wie alt ich damals war. Und dann hat er ausgerechnet, daß ich eigentlich 3 Jahre jünger bin als er (lt. Ausweis bin ich 10 Jahre älter). Logik: meine "2. Geburt" - dieser erste Schritt zu mir selbst, dieses "Nein" - fand mit 13 Jahren statt.


Wer diese Rechnerei kapiert, ist wahrscheinlich auch Programmierer... er hat's mir erklärt, aber ich hab's vergessen. :mrgreen:
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Ich mag es, von dir über deinen Mann zu lesen.
Da geht sogar einem abgebrühten Arsch wie mir richtig 's Fleischlaberl auf :daumen:
 
@fritzie

Würd mal ganz lapidar unwissenschaftlich ausdrücken, Wok und Deckel haben sich gefunden. ;)
 
Daß ich eine Zeit lang unter amtsgerichtlich bestellter Betreuung (früher nannte man das Vormundschaft) stand, das hatte ich selbst veranlaßt als ich merkte, daß ich nicht mehr handlungsfähig war. Und wie ich dafür gesorgt habe, daß diese Betreuung per Gegengutachten durch eine Ärztin beim Gesundheitsamt endet in einer Zeit, als meine Betreuerin ihre Tätigkeit auf mein Aufenthaltsbestimmungsrecht erweitern wollte, um mich in eine Klinik einweisen zu lassen.


Notiz an mich: der Grund, warum die Betreuerin mich in eine Klinik einweisen lassen wollte, war, daß ich in ihrer Gegenwart unbeherrscht war. Ich hatte geweint, sogar öffentlich in einem Café. Mein bester Freund war gerade nach Spanien ausgewandert und ich hatte das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Ich dachte damals zwar, daß meine Tränen eigentlich ein gutes Zeichen wären, ich konnte Emotionen eh nicht so besonders oft zeigen.

Weitere Notiz: diese Betreuerin war 'ne Fehlbesetzung. Und ich hab sie in die Wüste geschickt. Per Amtsgericht, gutacherlichem Dokument von der Amtsärztin und nachlesbar. Ha!
 
Als ich hier ins Forum gekommen bin, hatte ich ein konkretes Anliegen. Das Sexleben zwischen meinem Mann und mir läuft für mich unbefriedigend. Fast von Anfang an, das heißt: in den ersten Monaten viel und schöner Sex. Zum ersten Mal überhaupt hatte ich mit einem Mann Sex, der mich kein einziges Mal unbefriedigt ließ. Es war einfach toll! Ich konnte mit ihm ausprobieren, unbefangen sein, und wie ich's vom Sex mit Frauen gewohnt war, stand die Pflegemutter "dabei" nie unsichtbar im Schlafzimmer. Das war früher bei meinen Sexerlebnissen mit anderen Männern immer der Fall gewesen.

Dann hat sich fast schlagartig etwas geändert, als ich mit meinem Mann zusammen gezogen bin. Es fand kaum noch Sex statt. Im ersten Jahr unseres Zusammenlebens hatten wir genau 3 x Sex. Als ich ihm das vor einigen Wochen wütend und verzweifelt vor den Latz geknallt hab, war er schockiert, mit Recht. Er fragte, ob meine Aussage, daß eine Beziehung nicht auf Sex basiere, damit ungültig wäre.

Vor einigen Jahren war ich in einem anderen Forum eine Zeit lang aktiv, dort stellte ich Fragen, ich dachte, es müsse doch eine Erklärung geben, warum ein junger, potenter, gesunder Mann so wenig Interesse an Sex zeigt. Die Antworten dort gingen alle in eine Richtung: in unserer Beziehung stimme etwas nicht, ich solle hinterfragen, welche unausgesprochenen Probleme zwischen uns stünden, ein junger Mann denke IMMER an Sex usw.

Damit konnte ich nichts anfangen. Unsere Beziehung stimmte, von Anfang an. Sie fühlt sich einfach zu gut, zu sicher an, als daß da etwas falsch sein könnte. Gerade weil wir viele Konflikte miteinander bewältigt haben, weil wir von Anfang an ehrlich, manchmal schonungslos miteinander umgegangen sind. Trotzdem hat mich das verunsichert. Meinen Mann und mich haben die Jahre immer mehr zusammengeschweißt.

In den letzten Jahren haben wir gearbeitet, die Firma übernommen (genau genommen mein Mann, er ist mein Chef :mrgreen: ). Es war einige Jahre extrem viel Arbeit, teilweise sehr belastend, die erste "Besetzung" war für mich vor allem problematisch, als "Frau vom Chef" und als "Besserwessi" hatte ich einen schweren Stand. Ich wurde gemobbt (ich mag den neumodischen Ausdruck nicht, aber er trifft zu). Vor ungefähr 3 Jahren bin ich dann ausgebrannt gewesen, ich war so fertig, daß ich zeitweise überhaupt nichts mehr konnte. Wir haben das Personal ausgewechselt und ein neues Team aufgebaut, seitdem geht's da super. Ich hatte Zeit, mich zu erholen, mein Mann und ich haben z.T. zusammen, mehr aber jeder für sich Coachings mit unterschiedlichen Schwerpunkten gemacht. Während der Zeit tauchte das Thema Sex zwar mal auf, aber nicht mehr so drängend.

Mein Mann hat es möglich gemacht, daß ich mich wieder aufrappeln konnte. Dazu gehörte auch, daß ich mich um den Abschluß mit meiner Kindheit kümmern wollte, nicht so sehr wegen irgendwelcher Personen wie der Pflegemutter, sondern mit der Institution, in der ich aufgewachsen bin. "Angestoßen" wurde dieses Bedürfnis durch die öffentlich gewordenen Heimkinderskandale, die durch sämtliche Medien gingen. Auch hierfür hat mein Mann mir den Raum gelassen, obwohl ich im Betrieb - wenn überhaupt - nur noch mit halber Kraft arbeiten konnte. War nicht leicht für ihn, sein Arbeitsbereich ist dadurch nicht weniger geworden, er hat selbst hart an seinem Limit gearbeitet.

Im vergangenen Jahr dann hat er mich begleitet, als ich mit Vertretern der Institution gesprochen habe. Es wurde ohne Umschweife anerkannt, daß es zu Übergriffen gekommen war, das hat mich sehr erleichtert, ich hatte Angst gehabt, daß das Übliche: ich sei so ein schwieriges Kind gewesen, es wäre alles nicht so schlimm gewesen usw. - kommen würde. Das war nicht der Fall.

Bei dem Gespräch war auch die Therapeutin dabei, mit der ich Jahre davor meine letzten wichtigen "Integrations- und Stabilisierungs-Gespräche" geführt hatte. Ich hatte sie darum gebeten und sie hat mir neben meinem Mann die Rückenstärkung gegeben, die ich für dieses Gespräch gebraucht habe.

Der innere Abschluß, den ich mir davon erhofft hatte, ist bis jetzt nicht erfolgt, da ist noch einiges an Wut gegen die Institution offen. Will ich jetzt aber nicht klären, die Beziehung zwischen meinem Mann und mir hat oberste Priorität.


Ich habe mich vor knapp 1 1/2 Jahren "fremdverliebt". Nach wie vor hatten mein Mann und ich kaum Sex. Manchmal Vorwürfe von mir, oft Gespräche zwischen uns. Gründe von seiner Seite: mal zu viel Arbeit, mal zu wenig Zeit, mal seine Unsicherheit, weil er von meiner Mißbrauchsgeschichte wußte. Als ich mich verliebt habe, dachte ich, vielleicht wäre wirklich der "Wurm" in unserer Beziehung. Ich fing fieberhaft an zu suchen, was ich vermisse, was mir dieser andere Mann (den ich nie persönlich getroffen habe, auch nie gehört) "bot", was ich in meiner Ehe nicht hatte. Sex konnte es nicht gewesen sein, obwohl meine Fantasien ihm gegenüber gelegentlich in diese Richtung gingen.

Ich hab mit meinem Mann darüber gesprochen. Es hat ihn verletzt und verunsichert. Wir haben viele Gespräche miteinander geführt, und er hat mich letzten Endes in meinem "Liebeskummer" aufgefangen und getröstet.

Und dann habe ich mich gezielt nach einem Erotikforum umgesehen und bin über einen kleinen "Umweg" hier gelandet.


Ich hab hier einige Antworten gefunden, bis jetzt hat mir - uns - dieses Forum ziemlich viel weitergeholfen, wenn auch völlig anders, als erwartet. In der ersten Zeit hier war ich dauergeil. :mrgreen: - so viele Themen, so viele Reize und frivole Rumwitzeleien. Ich hab's genossen, hatte feine dirty Kontakte per Mail oder PN. Mein Mann wußte davon, wir haben uns darüber vor allem im Urlaub letztes Jahr ausgiebig und oft unterhalten. Wir haben beide versucht, unser Sexleben bissl aufzupeppen. Ging ein Weilchen gut, dann schlief das Ganze wieder ein. Und wieder geredet, und wieder Versuche und Erklärungsansätze und irgendwie wurde ich immer verzweifelter. Ich dachte, das Problem läge bei ihm, schließlich hatte ich nie Probleme mit meiner Sexualität gehabt, dachte ich.

Ich dachte, ich müsse nur erstmal rausfinden, wie so ein Mann überhaupt "funktioniert". Ich bin zwar "sexuell erfahren", was die verschiedensten Praktiken angeht (mein Mann nicht so, er interessiert sich für Sex nur innerhalb einer Beziehung, ich bin seine 2. Frau). Dann, als das Thema "Asperger" auftauchte und wir uns damit auseinandersetzten, dachte ich, ich hätte endlich eine Erklärung für seine "Unlust" gefunden. Und dafür, daß er so wenig "Gespür" dafür hat, was ich im Bett brauche.

Das mag in Teilbereichen so stimmen, aber gerade in der letzten Zeit hab ich immer deutlicher erkannt, daß das "eigentliche" Problem bei mir liegt. Zu dieser Erkenntnis hat mir dieses Forum geholfen, die vielen Beiträge zum Thema, die z.T. unwirschen, strengen, auch lachenden Antworten, die immer wieder sagten: "Trenn dich, der will dich nicht, eine Beziehung, in der der Sex nicht läuft, ist nicht machbar" usw. Es fühlt sich alles falsch an, aber es gibt hier auch andere Themen: zum Thema offene Beziehung, zum Thema Polyamorie, zum Thema Beziehungsmodelle generell und auch zu den verschiedensten Beziehungs"verhalten". Teilweise habe ich im Zusammenhang mit solchen Diskussionen nach älteren Beiträgen gestöbert, nachgelesen, nachgespürt und hab dabei angefangen, mein eigenes Beziehungsverhalten weit zurück bis in meine Anfänge zu hinterfragen.

Das hat mir geholfen zu erkennen, wo ich falsch gelegen bin mit meinem Versuch, die Verantwortung für unsere sexuellen Probleme allein bei meinem Mann zu sehen. Und die Korrespondenz mit ein paar wenigen, sehr klugen Leuten hier hat mich wieder neu erkennen lassen, daß mein Mann genau der richtige Partner für mich ist.

Dafür danke ich ganz besonders dem Verweigerer (da musch jetzt durch, Härtling! :mrgreen:) und Alois_I_A, die so unglaublich viel Geduld für meine elendslangen Texte hatten und jeder ehrlich, direkt und ohne falsche Rücksichtnahme Antworten gegeben haben.

Ohne diese "Lustlosigkeit" meines Mannes wären wir schon längst kein Paar mehr. Und auch wenn ich nicht allgemein für alle Mißbrauchsopfer reden kann, eines ist sicher: es taucht in Erzählungen anderer Betroffener immer wieder das Thema auf - am Anfang prima Sex, dann verliert sie die Lust, redet aber nicht darüber.

Die Erkenntnis, daß ich vor meinem Mann kaum je längerfristige Beziehungen hatte - einzige Ausnahme war eine dreijährige Beziehung, in der ich in einer co-abhängigen "Helferrolle" feststeckte - alle anderen Beziehungen waren vor allem an einem gescheitert: ich hatte keine Lust mehr. Wenige Wochen ausufernder, geiler Sex, dann Lustlosigkeit auf meiner Seite.


So weit bin ich jetzt. Mit dieser Erkenntnis und auch mit der Erkenntnis, daß ich immer die besten, vertrautesten Kontakte zu Männern aufbauen konnte, die nichts von mir wollten - das meine ich nicht nur in sexueller Hinsicht, sondern vor allem darauf bezogen, daß es immer Menschen sind, die einfach ihre Meinung vertreten, aber nicht beleidigt reagieren, wenn ich eine andere Meinung habe - ist mir klar geworden, daß ich erstmal meine eigenen Probleme abarbeiten muß, bevor ich anfangen kann, an meinem Mann "rumzudoktorn".


Tja, so viel also zum Thema Selbstbetrug und wie die richtigen Leute einem helfen können, die Augenklappen loszuwerden. Ich bin vor allem dir unheimlich dankbar, Verweigerer.
 
Ich mag es nicht, wenn jemand trotz "Nein" weiterbohrt. Ich bin dann immer versucht zu fragen, welcher Teil von "Nein" genau nicht verständlich ist.

Ich kann's nicht leiden, wenn jemand mein "Nein" damit beantwortet, ich müsse mir Gedanken über meine Aggressionen machen oder der Grund für mein "Nein" läge in meiner schweren Kindheit. Kann ich nicht einfach jemanden bescheuert finden, weil er sich bescheuert benimmt? Dazu braucht's keine Traumata, weil: der Umkehrschluß würde bedeuten, daß all die anderen, die genau dieselben Verhaltensweisen bescheuert finden wie ich, ebenfalls traumatisiert sein müssen. Ist doch Blödsinn, sowas.

Es nervt ganz schön, wenn Leute es auf sich beziehen, wenn ich sag: "Nö, bist nicht mein Fall, hab kein gutes Gefühl bei dir" - wozu soll denn das gut sein, werte ich den Betreffenden damit ab? Mehr als: Du + Ich --> paßt nicht sag ich damit nicht. Wessen Selbstwertgefühl issen da angeknackst - meins etwa?

Ich kann's nicht leiden, wenn versucht wird, mich als Trittbrett zu benutzen. Warum zum Teufel meinen Leute, mir erzählen zu müssen, wie jemand anderer im Bett ist? Warum glauben Leute, sie würden mir "Vertrauen beweisen", wenn sie privat über andere herziehen, sich das öffentlich aber nicht trauen? Bah, erbärmlich.


Ich kann's außerdem nicht leiden, daß mich sowas überhaupt ärgert. Irgendwann hüpf ich vielleicht doch mal einigen mit dem nackten Arsch ins Gesicht. Und das wird dann keine Aufforderung zum Facesitting sein, dafür ist mein Arsch nämlich nicht geeignet. :mad:
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Hätte mich vorhin jemand gefragt, was ich jetzt treibe, hätte ich gesagt: "Nüscht, Morgenmuffellaune".

Jetzt, nach 2 Stunden Schlaf und Kaffee in Aussicht:

ich bau grad mein "Arsenal" auf.


Mein Mann sagte mir letzte Nacht, er müsse in letzter Zeit an Gandalf denken, der mit dem Balrog kämpft und daraus als "weißer Zauberer" hervorgeht. Ha. Schmeichelhaft für mich, obwohl ich so menie Zweifel hab, ob mir ein langer weißer Bart so gut stehen würde wie diesem hinreißend attraktiven alten Mann mit hagerer Figur. Bei meinem Geschick kann's passieren, daß der Balrog als Wasserleiche weiter rumort und ich als Ochsenfrosch als Erdkröte wieder aufauche. Naja, sollen auch weise Viecher sein. :confused:



In der Klinik sollte ich in einer Spiel- und Sporttherapiegruppe an einem "Rauf-Spiel" teilnehmen. Hab schon mal davon erzählt. Die Übung ging so: Matten auf dem Fußboden, es suchten sich immer Zwei zusammen, die sollten auf der Matte gegenüber knien und dann gegenseitig versuchen, sich von der Matte zu drängen. Sinn der Übung war, sich zu behaupten, sich seinen Raum auf der Matte zu "erkämpfen" ohne Angst, dabei verletzt zu werden.

Ich hatte 'ne Scheißangst und hab mich einige Male geweigert. Der Sporttherapeut ließ mir das ein paar Mal durchgehen, aber ich mußte zumindest immer zusehen, und irgendwann als er wieder mal fragte, worin konkret meine Angst bestünde, gab ich zu, daß ich keine Angst hatte, verletzt zu werden, sondern daß ich Angst davor hatte, meinen "Gegner" ernsthaft zu verletzen.

Ich bin zu massiv. Das ist keine "Größenfantasie", sondern echt so. Das führt dazu, daß ich immer mit so einer Art "Beißhemmung" rumlaufe. Selbst dann scheine ich auf manche zu aggressiv zu wirken. Das muß aufhören, ich brauch meine Kräfte grad anderweitig als für solche Nebenschauplätze, die für mich allenfalls Rangeleien ohne tiefschürfende Bedeutung sind.

Als ich kürzlich plötzlich diese fürchterliche Angst hätte, ich wäre selbst genauso Täter gewesen wie mein Bruder mir gegenüber, hat mir neben den Erinnerungen auch der Blick auf meine bisherigen Verhaltensmuster wieder rausgeholfen: mein Verhalten in der Vergangenheit deutet nicht auf Ausnutzen, Angriffe gegen Schwächere usw. hin. Ich bin oft scharf in meinen Antworten, niemals aber in der Absicht zu verletzen. Einzige Ausnahme: jemand, der extrem abwertend und frauenfeidlich auftritt - gab hier vor einiger Zeit einen, der eine zugenähte Fut als Ava hat. Hätte mich nicht zum Ausflippen gebracht, aber seine extrem frauenfeindlichen Sprüche quer durch's Forum gegenüber Frauen, die nicht zu erkennen gegeben hatten, daß sie für solche Spielarten mit Unterwerfung überhaupt empfänglich sind. Das ist übergriffig, bei sowas kann ich richtig bös werden.

Sonst nicht, eigentlich bin ich ein sanftes Schaf. Allerdings eins mit Zähnen.

Ich hab u.a. versucht, mir verschiedene Möglichkeiten, meine Blockaden zu lösen, durchzudenken. Auch im BDSM-Bereich, in Form von Vergewaltigungsfantasien - früher hatte ich massiv welche, in denen ich der Vergewaltiger gewesen wäre, und zwar während der Zeit, als ich mit der Pflegemutter noch nicht abeschlossen hatte. Nicht daß ich sie hätte vergewaltigen wollen, mein Haß und meine Verachtung Frauen gegenüber war früher sehr groß. Das ist verschwunden, aus meinen Fantasien und generell, in gewisser Weise genießen Frauen bei mir so 'ne Art "Welpenschutz" (Jössas, schon wieder "abwertend" - meine ich aber nicht so).

Ich kenne mich, ich weiß, wo Leute zu "packen" wären. Verschiedentlich wurde mir in den vergangenen Monaten angeboten mich auf Dominanz-/Unterwerfungsspiele einzulassen, durchaus freundliche Angebote. Ich hab abgelehnt, weil: das wäre so, wie wenn man einem Kriegsveteranen anbietet, an einem Pfadfinderlager teilzunehmen, um seine Traumata abzuarbeiten. Ich wäre zu massiv.

Das steht mir jetzt im Weg.

Kürzlich hab ich mich mit Alois unterhalten, der konnte mir etwas erklären, was ich bisher nicht gewußt habe. Das bezog sich auf diese "Raufübung" auf der Matte. Als geklärt war, daß ich Angst hatte, jemanden zu verletzen, durfte ich mir den Stärksten in der Gruppe aussuchen und wir machten die Übung. Es war ein sportlicher, trainierter junger Mann. Er faßte mich vorsichtig an den Händen - und dann saß ich alleine und hysterisch lachend auf der Matte, der junge Mann war 2 Meter oder bissl mehr entfernt am Boden, zum Glück unverletzt. Was genau ich gemacht hab weiß ich nicht, die anderen sagten, ich hätte ihn "geworfen".

Danach war ich wahnsinnig erschöpft, hab ungefähr 2 Tage oder so gebraucht, in denen ich zittrig und mit den Nerven völlig am Boden war.

Vielleicht liest Alois hier mit, er konnte mir diesen Vorgang erklären, der wird im Zusammenhang mit Hochleistungssport erforscht. Scheint ein extremer Reflex zu sein in Situationen, in der real Lebensbedrohung (oder Todesdrohung? Hab's mir nicht gemerkt) besteht. Man kann sowas nicht wollen oder planen, das "passiert" extrem schnell und ist für denjenigen, der so reagiert, nicht gerade gesund.

Wie auch immer: ich wußte, daß ich diese "Kraft" in mir hab und ich hatte immer Angst davor. Deswegen hab ich mich sehr früh immer besonders darauf geprüft, wer mich aggressiv macht, warum jemand mich aggressiv macht und wie das zu lösen ist, damit das nicht eskalieren kann.

Am wenigsten Probleme hab ich heute mit Leuten, die mich ärgern oder die ich nicht leiden kann. Es gibt sie, natürlich. Aber diesen "Vernichtungsschlag" oder ungefilterte Reaktionen kriegen die von mir nie ab.

So, das war mein weißes Fähnchen (oder Säbelrasseln, je nach Lesart).



Kann sein, daß mein Mann und ich demnächst gemeinsam eine lösungsorientierte Sexualtherapie machen, wir suchen jedenfalls nach einem geeigneten Platz. Ob das was bringt... ich bin zu massiv, auch gegenüber Therapeuten, ich muß mich dann immer so drosseln, damit die nicht die Laune verlieren. :confused:
 
Und ich editiere jetzt NICHT. So. Ist eh so 'ne Macke von mir, paar Vertippsler wird das Forum schon verkraften. :mad:
 
Vergangenheit-erledigt-abgehakt. Du bist nicht die einzige, die als Kind missbraucht wurde. Warum immer und immer wieder wie ein verwundetes Reh die Wunden lecken? Was kannst dadurch ändern? Genau nix.
Ich habe selbst schon einige Psychotanten verschliessen. Sämtliche hingen an meinen Lippen und frönten unterschwellig ihrem Voyeurismus. Wiederholten brav einige Passagen meiner Erzählungen, um kompetent und aufmerksam zu wirken. Die "geschützte Atmosphäre" ließ Worte und unnötige Tränen fließen. Nach der 100-minütigen Sitzung war ich ausgelaugt, fühlte ich mich saft- und kraftlos, wollte in Selbstmitleid untergehen...bis ich wieder ins pralle Leben des Alltags eintauchen konnte. Ich sog die Hektik förmlich wie ein Schwamm auf und war glücklich. Glücklich in der Gegenwart leben und psychische und physische Pein der Kinder- und Jugendtage wieder hinter mir lassen zu dürfen. Ich kann weder die abgebrochenen Kochlöffel oder blauen Striemen, die durch Schläge mit Kabeln verursacht worden waren, noch die Vergewaltigung durch zwei Israelis, die ihrem Wollen Nachdruck verliehen haben, indem sie mir das Rasiermesser an die Kehle gehalten haben, noch die Ängste, die ich an der Seite meines alkoholkranken Mannes ausgestanden habe, ungeschehen machen. Ich war in der Vergangenheit genug Opfer. Erledigt. Abgehakt. Ich lasse es nicht zu, dass die Täter auch noch in Gegenwart und Zukunft Gewalt über mich haben. Sie sind mir keinen Gedanken wert.
 
Meine persönliche Meinung gibt's oft direkt und frei Haus - daher nicht bedankenswert. ;)
 
Meine persönliche Meinung gibt's oft direkt und frei Haus - daher nicht bedankenswert. ;)

Ich lese dich schon eine ganze Weile und weiß das. Ich mag deine Beiträge, weil mir deine Haltung ziemlich vertraut ist.

Wann ich etwas für bedankenswert halte, entscheide ich trotzdem selbst. :mrgreen:


Auf deinen inhaltlichen Beitrag möchte ich nur soweit eingehen, als es mich betrifft.

Ich hab über die Jahre meinen Mann oft zum Weinen gebracht. Ich hab mich für eine Beziehung mit ihm entschieden, und zwar mit allen Konsequenzen. Seit ich mit ihm zusammen bin, bin ich nicht mehr nur für mich zuständig oder für meine Befindlichkeiten, da brauchte ich nicht viele Rücksichten nehmen. Das hat sich geändert. Wenn die ollen Kamellen mein heutiges Verhalten beeinflussen – und das tun sie – dann werde ich alles dransetzen, um daran etwas zu ändern.

That's it.
 
Zurück
Oben