Eigentliches Ansinnen von mir war und ist, zum Ausdruck zu bringen, dass ich es nicht mehr hören und lesen kann, dass Österreich primär mit dem Holocoust in Verbindung gebracht wird, denn ich empfinde so, und eben dieses hängt mir zum Halse raus.
Von wem wird Österreich mit dem Holocaust in Verbindung gebracht? Noch dazu primär?
Am ehesten wohl noch von den Opfern und deren Angehörigen, bzw. Nachkommen. Die tun sich sicher nicht leicht, Österreich zu allererst mit Bergen, Seen und Hochkultur zu assoziieren.
Meine bescheidene subjektive Erfahrung dazu: Ich habe 1984/85 ein Jahr in Israel verbracht.
Kein einziges mal hat mich dort irgendjemand auf den Holocaust angesprochen, geschweige denn mir einen Vorwurf deswegen gemacht.
Und ich war nur ein Rucksacktourist mit langen Haaren...also auch für den dortigen gesellschaftlichen Mainstream nicht gerade ein Besucher den man mit offenen Armen empfangen möchte und zu dem man besonders höflich sein will oder müsste.
In Wien hingegen wurde ich davor und danach immer wieder mit diesem Thema konfrontiert. Nicht in den Medien, nicht in der Schule, im Alltag, unterschwellig.
Als ich einmal als Kind auf der Straße stolperte, hörte ich einen Mann lachend sagen "Hoppla, da liegt a Jud' begraben."
Ich verstand überhaupt nicht was er damit sagen wollte.
Ein anderes mal erzählte mir ein Verwandter, dass der Hitler nicht nur schlecht gewesen sei, wie die Leute sagen, sondern er auch gutes für die Menschen getan hätte. Besonders für die Armen. Sie hätten z.B. zu Siebent in einer Zimmer-Küche Substandardwohnung gelebt, bevor sie diese schöne, große Wohnung im 9.Bezirk bekamen.
In der Volksschule gab es eine mittlere Aufregung als sich unsere Klassenlehrerin weigerte bei einer Schulaufführung zum 200. Gründungstag der Vereinigten Staaten von Amerika mitzumachen. Sie begründete das mit den Bomben, die auf Österreich abgeworfen wurden.
Im Gymnasium (Unterstufe) kursierten unter den Schülern sogenannte "Judenwitze" - nicht zu verwechseln mit jüdischen Witzen - à la "Wieviel Juden passen in einen VW Käfer?" Dreizehn. Fünf auf den Sitzen, der Rest in den Aschenbecher..."
Ich war gänzlich unbedarft, was ich mir zusammenreimte war: Es gab einen großen Krieg, die Deutschen und die Österreicher waren Verbündete, was mir aufgrund der gemeinsamen Sprache logisch erschien, und wir haben den Krieg verloren. Ich konnte das nur sportlich sehen, und so war ich ein wenig traurig darüber.
Die Wahrheit kam über den Fernsehapparat in mein Bewußtsein.
Holocaust - Die Geschichte der Familie Weiß hieß die 4teilige Fernsehserie, die mir nicht nur die Augen über diese Zeit öffnete, sondern auch starke Gefühle entwickeln ließ. Von Mitleid bis Wut.
Ich kann mich auch noch erinnern, dass Leute sich aufregten, sich beschwerten über die Ausstrahlung, mit den gleichen Argumenten wie auch heute: Warum bringt man das, ich kann das nicht mehr hören, wir haben damit nichts zu tun. Das ist alles schon lange vorbei.
Das war 1978 oder 79.
Kurz danach oder davor lief auch eine Fernsehserie, die die Geschichte des amerikanischen Sklavenhandels zum Thema hatte: Roots . Auch seehr geeignet das Gerechtigkeitsempfinden eines jungen Menschen zu schärfen und wachsen zu lassen
1983 regierte die Koalition SPÖ-FPÖ unter der Führung Bruno Kreiskys und des ehem. SS-Mannes Friedrich Peter.
Es gab eine kleinere Diskussion, aber wenn der (nichtgläubige) Jude Kreisky nichts dagegen hat - wer soll sich dann aufpudeln?
1984/85 kam der erwähnte Aufenthalt in Israel, dessen Motivation aber gar nichts mit obigen Dingen zu tun hatte. Das Ziel hatte ich deswegen ausgewählt, da man dort, auch bei Geldknappheit in den Kibbuzim essen und schlafen konnte. Und weil's warm war im Winter...
Dann brach die "Waldheim-Affäre" los. Das erste mal in der Nachkriegszeit eine Debatte über Österreichs Rolle in der Nazizeit. Und gleich eine nichtendendwollende, polarisierende, hasserfüllte.
Ich glaube heute nicht dass Waldheim ein Gesinnungsnazi oder gar ein Kriegsverbrecher war.
Aber seine Glaubwürdigkeit war von Anfang an ruiniert. Hat er doch einige Zeit davor als UN-Generalsekretär eine Biographie veröffentlicht, in der er über seine Wehrmachtszeit glatt gelogen hatte.
Und dann noch seine patscherte Aussage: "Ich habe nur meine Pflicht getan". In meinen Augen war er selber Schuld an dieser ganzen Auseinandersetzung.
Dass andere politische Gruppen, wie z.B. SPÖ und World Jewish Congress daraus politisch Kapital schlagen wollten (Wenn auch aus verschiedenen Gründen), liegt nur in der Natur der Sache.
Die Versuche denen die Rolle des Bösewichts anzuhängen kamen in der Bevölkerung aber recht gut an. Waldheim wurde gewählt. "Jetzt erst Recht!" war einer der Wahlslogans.
Michael Graff, damaliger Generalsekretär, und damit Hauptverantwortlicher des Wahlkampfs setzte noch einen drauf:
Wenn man Waldheim nicht nachweisen kann, dass er sechs Juden eigenhändig erwürgt hat, ist er jedenfalls unschuldig.
Für diese Aussage hat er sich allerdings entschuldigt und ist von seinem Amt zurückgetreten.
Im selben Jahr wurde Jörg Haider in einer Kampfabstimmung Obmann einer 5% Partei, die sich aus einer Mischung von deutschnationalen und wirtschaftsliberalen Funktionären zusammensetzte.
Haider wurde von den Nationalen unterstützt, nach seinem Sieg auf deren Schultern durch den Saal getragen und dem Fernsehen präsentiert.
Haiders familiäres Umfeld kann man ohne weiteres nationalsozialistisch nennen. Haiders Vater war schon im Voranschlußzeiten Mitglied der NSDAP, seine Mutter war "Führerin" des weiblichen Pendants zur Hj.
Haider verteidigte immer die (seine?) "Elterngeneration", seine Aussagen dazu ließ die "Nazidebatte" nie abebben.
1985 wurde der Österreicher SS- Offizier Walter Reder nach 34 Jahren Haft aus einem italienischem Gefängnis vorzeitig frei. Er war 1951 als Hauptverantwortlicher für das
Massaker von Marzabotto zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Der damalige FPÖ Verteidigungsminister Frischenschlager begrüßte ihn mit Handschlag am Flughafen, Haider sagte in einem Interview mit den "Kärntner Nachrichten":
Walter Reder war Soldat wie Hunderttausende andere auch. Er hat seine Pflicht erfüllt, wie es der Eid des Soldaten gebietet."
Ebenfalls 1985 in einem "Profil" Interview:
profil: Die Naziherrschaft hat sich durch nichts von anderen Diktaturen unterschieden?
Haider: Es ist nicht meine Aufgabe zu prüfen, ob Diktaturen anderswo humaner sind.
profil: Die NS-Diktatur war die inhumanste?
Haider: Diese Wertung haben Sie vorgenommen. Ich werte nicht.
Ab diesem Zeitpunkt wurden die Nazidiskussionen zu einem ständigen Thema im In- und Ausland. Bundeskanzler Vranitzky kündigte die Koalition mit der FPÖ auf, die große Koalition wurde vereinbart, und Haider zeigte einerseits talentiert und eloquent die Machtmißbräuche der Funktionäre beider Prteien auf.
Andererseits fachte er mit seinen Aussagen die Debatte immer wieder an.
1988 im ORF:
"Das wissen Sie ja so gut wie ich, dass die österreichische Nation eine Missgeburt gewesen ist, eine ideologische Missgeburt. Denn die Volkszugehörigkeit ist eine Sache, und die Staatszugehörigkeit ist die andere Sache."
1989:
Kleine Zeitung: Welche geschichtlichen Gestalten verabscheuen Sie am meisten?
Haider: Churchill, Stalin
1991 im Kärntner Landtag:
"Im Dritten Reich haben sie ordentliche Beschäftigungspolitik gemacht, was nicht einmal Ihre Regierung in Wien zusammenbringt."
Daraufhin sagt Bundeskanzler Vranitzky 1991 im Parlament:
"Es gibt eine Mitverantwortung für das Leid, das zwar nicht Österreich als Staat, wohl aber Bürger dieses Landes über andere Menschen und Völker gebracht haben.
Wir bekennen uns zu allen Taten unserer Geschichte und zu den Taten aller Teile unseres Volkes, zu den guten wie zu den bösen; und so wie wir die guten für uns in Anspruch nehmen, haben wir uns für die bösen zu entschuldigen - bei den Überlebenden und bei den Nachkommen der Toten.
Dafür wird er bis heute angefeindet
1993 in seinem Buch "Die Freiheit die ich meine":
"Jedenfalls ist Schluss mit der permanenten Kriminalisierung der eigenen Geschichte zu machen, gleichsam als wäre das Leben der Kriegsgeneration ein einziges Verbrecheralbum."
1995 Im "Profil":
Haider: Ich habe gesagt, dass die Wehrmachtssoldaten die Demokratie in Europa, wie wir sie heute vorfinden, ermöglicht haben. Hätten sie nicht Widerstand geleistet, wären sie nicht im Osten gewesen, hätten sie nicht die Auseinandersetzung geführt, dann hätten wir...
profil: Was heißt "Widerstand geleistet", das war ja ein Eroberungsfeldzug der Deutschen Wehrmacht.
Haider: Dann müssen wir heute beginnen zu fragen, wie das wirklich war.
1995 vor Veteranen der Waffen-SS:
Es gibt nämlich keines [gemeint ist ein Argument gegen Waffen-SS-Veteranentreffen, Anm.], außer dass man sich ärgert, dass es in dieser Welt einfach noch Menschen gibt, die einen Charakter haben und die auch bei größtem Gegenwind zu ihrer Überzeugung stehen und ihrer Überzeugung bis heute treu geblieben sind."
1998 in der "Neuen freien Zeitung":
"Spätestens mit 'Schindlers Liste' hat nicht nur Hollywood, sondern auch der aufgeklärte Lobbyismus den Holocaust als Geldquelle entdeckt. [...] Der Holocaust dient als 'cash cow', als Druckmittel mit Killerargument-Qualität zur Durchsetzung vordergründiger Interessenslagen."
2001 bei einer Wahlkampfveranstaltung in Wien:
"Der Häupl [Wiener Bürgermeister] hat einen Wahlkampfstrategen, der heißt Greenberg. Den hat er sich von der Ostküste einfliegen lassen. Liebe Freunde, ihr habt die Wahl, zwischen Spindoctor Greenberg von der Ostküste oder dem Wienerherz zu entscheiden."
Die politischen Weggefährten Haiders lasse ich einmal unzitiert - das post ist sowieso schon elendslang. Inhalt und Sinn sind ja nicht anders.
Ich möchte mit diesen Ausführungen eigentlich nur klarstellen, dass an der Faschismusdebatte in Österreich nicht die "Anderen" Schuld sind, sondern Haider und die FPÖ selbst.
@purice
......und trotzdem, wo Rauch, ist auch Feuer......
Hoffentlich habe ich mir jetzt beim Zitieren keine Rauchgasvergiftung geholt....
husthust...