@Wembley: Wir beurteilen die Frage, ob ein Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung vorliegt, aus unterschiedlichen Perspektiven:
Internationale Perspektive: Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof hat im Fall M.C. gg Bulgarien vom 04.12.2003 auf die internationale Judikatur verwiesen: Eine Frau hat einer Vergewaltigung keinen Widerstand entgegengesetzt, womit dann nach bulgarischem Recht keine Vergewaltigung vorlag. Damit hat Bulgarien die Pflicht verletzt, die Frau vor unmenschlicher Behandlung und Eingriffen in ihr Privatleben zu schützen. Der Gerichtshof begründet das wie folgt:
163. In international criminal law, it has recently been recognised that force is not an element of rape and that taking advantage of coercive circumstances to proceed with sexual acts is also punishable. The International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia has found that, in international criminal law, any sexual penetration without the victim's consent constitutes rape and that consent must be given voluntarily, as a result of the person's free will, assessed in the context of the surrounding circumstances (see paragraphs 102-07 above). While the above definition was formulated in the particular context of rapes committed against the population in the conditions of an armed conflict, it also reflects a universal trend towards regarding lack of consent as the essential element of rape and sexual abuse.
Italienisches Strafrecht: Der Oberste Kassationsgerichtshof in Italien hat kürzlich die internationale Perspektive übernommen. Wer eine Sexarbeiterin nicht bezahlt, hat zwar zunächst mit ihrem Einverständnis Sex, doch durch die Täuschung hat er ihren freien Willen verletzt - somit sexuelle Gewalt ausgeübt.
Deutsches Strafrecht: Hier steht in der Strafverfolgung (noch) der Leistungsbetrug im Vordergrund (vergleichbar zu Zechprellerei).
Österreichisches Strafrecht: Hier ist davon auszugehen, dass nicht einmal ein Betrugsdelikt verfolgt wird; wegen der Sittenwidrigkeit hat die Frau auch keinen zivilrechtlich einklagbarer Anspruch. Die sexuellen Selbstbestimmung der Frauen wird dabei generell sehr "täterfreundlich" ausgelegt, fast vergleichbar zu Bulgarien (vgl. Urteile zu Sex mit Frauen, die vorher unter Drogeneinfluss gesetzt wurden, um "freiwillig" mitzutun).
Schlussfolgerung: In Österreich werden Frauen nicht ausreichend gegen sexuelle Übergriffe geschützt, weil die Rechtsprechung zu sehr auf physische Gewalt fixiert ist, statt auf die Achtung des freien Willens.
Back to Topic: Dieser mangelnde Schutz von Frauen im Allgemeinen ist im Fall der SexarbeiterInnen praktisch nicht mehr existent, wenn die Polizei SexarbeiterInnen nur als Objekte behandelt, die in irgendwelche dunklen Winkel abgeschoben weden sollen.