Hobbyhuren und unliebsame Polizeikontakte

Ja, weil sich Ermittler (angeblich oder tatsächlich) als Kunden an sie herangemacht haben.

Würde mich jetzn echt wundern...

Der Agent Provocateur is ja grundsätzlich im österr. StGB verboten.. Allerdings gibts Möglichkeiten mit Gerichtsbeschluss einen zB Scheinkauf von Suchtgift zu machen.. aber eben "unter Aufsicht" des Gerichts...

Bei einer HobbySW liegt IMHO ja kein Gerichtsdelikt vor.. im Verwaltungsrecht könnt ich mir das echt nicht vorstellen... Wann soll das denn gewesen sein und wo?
 
Würde mich jetzn echt wundern...

Bei dem in diesem Thread geschilderten Fall handelt es sich keineswegs um einen Einzelfall. Ungewöhnlich ist nur, dass ich bis jetzt die einzige bin, die folgende für solche Ermittlungen typischen Beschwerdepunkte unter dem Gesichtspunkt der EMRK vor EGMR thematisiert hat (wobei Entscheidungen erst in einigen Jahren vorliegen werden, es laufen dazu auch in Österreich noch einige Verfahren seit mehreren Jahren), nämlich:

1.) Einleitung und Durchführung einer verdeckten Ermittlung (§54 Sicherheitspolizeigesetz) ohne kommissarischen Rechtsschutz = Verletzung von Art 8 EMRK (Privatleben)

2.) Unverhältnismäßigkeit der Einleitung und Durchführung dieser verdeckten Ermittlung aufgrund des fehlenden konkreten Verdachts auf eine gerichtlich verfolgte Straftat, die mehrwöchige Dauer der Ermittlung, die Vernachlässigung gelinderer Mittel zum Erreichen des gleichen Ziels (Auslotung von Wohnungsprostitution) und die Sammlung von für die Gefahrenabwehr irrelevanten Informationen über das Sexualleben = mehrfache Verletzung von Art 8 EMRK (Privatleben und Datenschutz)

3.) Eindringen des verdeckten Ermittler unter einem falschen Vorwand in die private Wohnung (es gab auch keine richterliche Anordnung oder eine akute Gefahrensituation) = Verletzung von Art 8 EMRK (private Wohnung)

4.) Nacktheit vor dem verdeckten Ermittler, die von diesem durch Täuschung herbeigeführt worden ist = Verletzung von Art 3 EMRK (erniedrigende Behandlung)

5.) Sexuelle Handlungen, die der Ermittler durch Täuschung herbeigeführt hat = Verletzung von Art 3 EMRK (Vergewaltigung im Sinn des Völkerrechts und daher Folter, jedenfalls aber erniedrigende Behandlung)

6.) Eigenmächtiges Eindringen weiterer Beamter in die private Wohnung und Suche nach versteckten Prostituierten = Verletzung von Art 8 EMRK (private Wohnung)

7.) Erzwungene Nacktheit vor diesen Beamten = Verletzung von Art 3 EMRK (erniedrigende Behandlung)

8.) Verhör über das Sexualleben trotz der obigen Umstände, nämlich Tatprovokation und Folter bzw. erniedrigende Behandlung = Verletzung von Art 6 EMRK (unfaires Verfahren)

9.) Mehrstündige Freiheitsberaubung durch dieses Verhör = Verletzung von Art 8 EMRK (Privatleben)

10.) Weiterverbreitung der gewonnenen sensiblen persönlichen Daten, Verwertung durch das Finanzamt zur Einkommensschätzung (die schließlich von VwGH verworfen wurde), sowie unterlassene Löschung dieser Daten = Verletzung von Art 8 EMRK (Datenschutz)

11.) Unterlassung prompter amtlicher Untersuchungen des Polizeihandelns, die mit dem Ziel geführt werden, die strafrechtliche Verurteilung und Entlassung der Beamten herbeizuführen = Verletzung von Art 3 EMRK (staatliche Untersuchungspflicht von Foltervorwürfen)

12.) Zahlung einer nur unzureichenden Entschädigung = Verletzung von Art 3, 6 und 8 EMRK (Pflicht zur Wiedergutmachung)

Seit 2004 sind in den Medien und im Rechtsinformationssystem (RIS) mehr als 700 insofern vergleichbarer verdeckter Ermittlungen dokumentiert worden, als die Mehrzahl der obigen Punkte aus den Berichten auch für diese Fälle ableitbar sind.
 
Zuletzt bearbeitet:
9.) Mehrstündige Freiheitsberaubung durch dieses Verhör = Verletzung von Art 8 EMRK (Privatleben)

Jedes Verhör benötigt auch Zeit, diesen Punkt wird dir im Rechtsstaat daher niemand zusprechen, wenn das Verhör nicht offensichtlich überflüssig war.

Die übrigen Punkte: d'accord.
 
Jedes Verhör benötigt auch Zeit, diesen Punkt wird dir im Rechtsstaat daher niemand zusprechen, wenn das Verhör nicht offensichtlich überflüssig war.


Bei diesem Punkt geht es auch nicht um ein gewöhnliches Verhör (mit vorheriger schriftlicher Ladung, Möglichkeit zur Terminvereinbarung), sondern um ein erzwungenes Verhör, ohne Rechtsgrundlage für den Zwang und die damit verbundene plötzliche Freiheitsberaubung (keine richterliche Anordnung, keine Gefahr im Verzug, und auch keine Verwaltungsübertretung die nur so zu verhindern gewesen wäre). Die Basis für die Beurteilung einer solchen Freiheitsberaubung als Verletzung des Privatlebens ist EGMR, Gillan & Quinton gg Großbritannien vom 12.01.2010.
 
Da dieser Thread sich thematisch vor allem den Menschenrechten von SW widmet, hier eine aktuelle Mitteilung: Der Ausschuss gegen Frauendiskriminierung der Vereinten Nationen hat kürzlich die Situation in Österreich geprüft und im Abschlussbericht vom 1. März 2013 die verpflichtende Kontrolluntersuchung zweifach kritisiert (Quelle: CEDAW 2013):

Erstens ist der Ausschuss über die menschenverachtende Durchführung dieser Untersuchungen besorgt, wie schon im Jahr 2010 der Ausschuss gegen Folter.

Zweitens kritisiert der Ausschuss aber auch, dass es überhaupt eine Untersuchungspflicht gibt. Die Regierung wird auf die Richtlinien von UNAIDS über HIV und Menschenrechte aus 2006 hingewiesen und aufgefordert, unter diesem Gesichtspunkt die Untersuchungspflicht zu überprüfen.

Nachdem Österreich nun schon international zum zweiten Mal und unabhängig voneinander durch zwei hochrangige Gremien wegen dieser Untersuchungen kritisiert wurde, ist es an der Zeit, dass auch die zuständigen Ministerien über Gesetzesänderungen nachdenken. Wie dieser Thread gezeigt hat, ist die Untersuchungspflicht letztlich Ursache für weitere Menschenrechtsverletzungen.
 
@Lycisca: Danke für die Nachricht - vielleicht kann man wirklich bald mit dem Unfug aufhören und sich auf menschenrechtskonforme und wirksamere Methoden einigen.
 
Welche Auswirkungen hat das auf die Praxis?

Bisher ist das Finanzamt davon ausgegangen, dass jegliche Information steuerlich verwertbar ist. Das VfGH-Erkenntnis besagt, dass das Finanzamt nunmehr auf den Einwand eines Eingriffs in das Privatleben begründen muss, auf welcher gesetzlichen Basis solch ein Eingriff beruht, inwieweit das Gesetz auch Verfahrensgarantien zum Schutz der Grundrechte vorsieht, welche legitimen Ziele mit dem Eingriff verfolgt werden, warum diese Ziele nicht mit gelinderen Mitteln erreicht werden können und inwieweit diese legitimen Ziele höheres Gewicht haben, als die privaten Interessen. Aufgrund solche einer Abwägung ist der deutsche Bundesfinanzhof zum Schluss gelangt, dass im Abgabenverfahren jegliche Verwertung von Beweismitteln verboten ist, die durch Verbrechen oder durch eine Verletzung des Privatlebens in den Besitz des Finanzamts gekommen sind.
 
ass im Abgabenverfahren jegliche Verwertung von Beweismitteln verboten ist, die durch Verbrechen oder durch eine Verletzung des Privatlebens in den Besitz des Finanzamts gekommen sind.

klingt sehr abenteuerlich und ist auch nichts neues - jedoch wenn die mal da sind solche Beweise, dann kann man die vermutlich nur schwer aus dem Gehirn löschen - schätze ich mal .
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
klingt sehr abenteuerlich und ist auch nichts neues - jedoch wenn die mal da sind solche Beweise, dann kann man die vermutlich nur schwer aus dem Gehirn löschen - schätze ich mal .


Vor allem in kleineren Orten. Einmal eine amtsbekannte Hur - immer eine amtsbekannte Hur. Sogar, wenn Akten gelöscht sind, jeder Polizist im Grätzl merkt sich die.
 
Aufgrund solche einer Abwägung ist der deutsche Bundesfinanzhof zum Schluss gelangt, dass im Abgabenverfahren jegliche Verwertung von Beweismitteln verboten ist, die durch Verbrechen oder durch eine Verletzung des Privatlebens in den Besitz des Finanzamts gekommen sind.

Ist das jetzt im Zusammenhang mit den gestohlenen Steuerdaten (CDs) geschehen? Und, hat diese Erkenntnis des deutschen Bundesfinanzhofes Auswirkungen auf österreichisches Vorgehen?
 
Ist das jetzt im Zusammenhang mit den gestohlenen Steuerdaten (CDs) geschehen?

Nein, sondern bereits seit 1997.

Und, hat diese Erkenntnis des deutschen Bundesfinanzhofes Auswirkungen auf österreichisches Vorgehen?

Für sich genommen nicht (der Bundesfinanzhof ist der oberste deutsche Gerichtshof für Zoll- und Steuerangelegenheiten), nun aber, zusammen mit dem Erkenntnis des österreichischen VfGH sehr wohl: Ein Finanzbeamter kann nicht mehr mit der Unbeschränktheit der Beweismittel argumentieren, sondern muss die Verhältnismäßigkeit einer Verwertung nachweisen. Dabei wird es ein Finanzbeamter sehr schwer haben, gegen die sehr ausführliche Analyse der steuerrechtlichen Literatur (auch solche von österreichischen Autoren, darunter ein amtierender Verfassungsrichter) durch ein höchstqualifiziertes Gericht zu argumentieren.

jedoch wenn die mal da sind solche Beweise, dann kann man die vermutlich nur schwer aus dem Gehirn löschen - schätze ich mal .

Da die Beweismittelverwertung nicht durch Laien, sondern durch juristisch ausgebildete Beamte erfolgt, ist es denen zumutbar, eine Entscheidung zu treffen, die unzulässige Beweise ausblendet.
 
Da die Beweismittelverwertung nicht durch Laien, sondern durch juristisch ausgebildete Beamte erfolgt, ist es denen zumutbar, eine Entscheidung zu treffen, die unzulässige Beweise ausblendet.

ausserdem liegen die Beweise dann nicht vor wenn ich richtig verstanden habe.

aber wenn man von einer optimalen Welt ausgeht, dann gibt es weder Verwaltungsübertretungen noch Verbrechen.

:)
 
Eine Prostituierte will nicht als Prostituierte bezeichnet werden und das ganze Theater langet vor Höchstgerichten, haleluja.
 
Eine Prostituierte will nicht als Prostituierte bezeichnet werden und das ganze Theater langet vor Höchstgerichten, haleluja.

Vielleicht findet sie die Bezeichnung "Hetäre" oder "Liebeskünstlerin" sympathischer. ;) Für mich ist es durchaus nachvollziehbar, daß sie in einem Kuhdorf mit Mini-Bezirksgericht oder Finanzamt keinen entsprechenden Eintrag in Akten wünscht, der sie unter Umständen bei anderen Gerichts - oder Finanzentscheidungen benachteiligt.
 
ausserdem liegen die Beweise dann nicht vor wenn ich richtig verstanden habe.

Im konkreten Fall stimmt das aufgrund eines Urteils des Verwaltungsgerichtshofs:

Meine Rechtsansicht, dass Hobbyhuren steuerfrei sind, ist inzwischen vom Höchstgericht bestätigt worden.

Es geht allerdings mehr darum, dass Beweismittel, die unter Menschenrechtsverletzungen gewonnen wurden, bereits vom Finanzamt nicht verwendet werden dürfen. Eine Behörde, die sie dennoch verwendet, verfolgt eine klar unvertretbare Rechtsansicht und die dadurch verursachten Kosten (in meinem Fall mehrere tausend Euro Steuerberatungskosten für sämtliche Instanzen) können im Wege der Amtshaftung eingeklagt werden, während man sonst bloß bis zu 50% der Kosten im Jahresausgleich zurückerhält. Bei einer Verwendung solcher Informationen aufgrund „vertretbaren Rechtsansicht“ (also in der Zeit vor dem aktuellen Urteil des Verfassungsgerichtshofs) hätte eine Amtshaftungsklage kaum Aussicht auf Erfolg gehabt.

Eine Prostituierte will nicht als Prostituierte bezeichnet werden und das ganze Theater langet vor Höchstgerichten, haleluja.

Die Verfassungsrichter sind frei, welche Argumente aus der Beschwerde sie im Urteil wiedergeben, und welche nicht. Vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wurde festgestellt, dass es unzulässig ist, eine Frau in einem Polizeiakt als Prostituierte zu bezeichnen, obwohl sie nie wegen illegaler Prostitution verurteilt wurde; der Frau wurden 15,000 Euro Schadenersatz zugesprochen. Die Parallelen zum österreichischen Beschwerdefall (wo es aber um mehr geht, nämlich die Vernichtung sämtlicher Akten) sind frappant, weswegen verständlich ist, warum gerade dieses Urteil unter rund fünfzig zitieren Rechtsquellen ausgewählt wurde.

Für mich ist es durchaus nachvollziehbar, daß sie in einem Kuhdorf mit Mini-Bezirksgericht oder Finanzamt keinen entsprechenden Eintrag in Akten wünscht, der sie unter Umständen bei anderen Gerichts - oder Finanzentscheidungen benachteiligt.

Hinzu kommt, dass es grundsätzlich jeder Person selbst überlassen ist, wem sie welche Informationen über sich preisgibt. Im konkreten Fall wurden diese Informationen jedoch von der Polizei grob rechtswidrig ermittelt und damit die informationelle Selbstbestimmung verletzt. Es geht also um die Wiederherstellung des Status vor diesen Rechtsverletzungen.
 
Zuletzt bearbeitet:
nur mal so aus aus reiner Neugierde welche Menschenrechte wurden verletzt

Bürgerliche und politische Rechte

Persönlichkeitsrechte (grundlegende Rechte)
→ Hauptartikel: Persönlichkeitsrechte
Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit
Schutz vor Folter, Menschenversuchen ohne Einwilligung des Patienten, vor Zwangssterilisation und Zwangskastration, Schutz vor Körperstrafen und Prügelstrafen sowie Schutz vor entwürdigender oder erniedrigender Behandlung (wie beispielsweise Ehrenstrafen), Abschaffung der Züchtigung in Erziehung und Schule

Freiheitsrechte

→ Hauptartikel: Freiheitsrechte
Recht auf Freiheit, Eigentum und Sicherheit der Person
Allgemeine, nur durch Gesetz beschränkbare Handlungsfreiheit
Freiheit von willkürlichen Eingriffen in die Privatsphäre (Unverletzlichkeit der Wohnung, Briefgeheimnis etc.)
Meinungsfreiheit
Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit
Reisefreiheit
Versammlungsfreiheit
Informationsfreiheit
Berufsfreiheit

Justizielle Menschenrechte
Wirksamer gerichtlicher Rechtsschutz bei Rechtsverletzungen
Recht auf ein faires Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht mit gesetzlichen Richtern
Anspruch auf rechtliches Gehör (audiatur et altera pars)
Keine Strafe ohne vorheriges Gesetz (nulla poena sine lege)
Unschuldsvermutung (in dubio pro reo)

Soziale Menschenrechte

Zu den im Internationalen Pakt über Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Rechte festgelegten Rechtsnormen gehören u. a.:
Recht auf Selbstbestimmung (Art. 1)
Gleichberechtigung von Mann und Frau (Art. 3)
Recht auf Arbeit und angemessene Entlohnung (Art. 6/7)
Recht auf Gründung von Gewerkschaften (Art. 8)
Schutz von Familien, Schwangeren, Müttern und Kindern (Art. 10)
Recht auf einen angemessenen Lebensstandard, einschließlich angemessener Nahrung (Art. 11)
Recht auf den besten erreichbaren Gesundheitszustand (Art. 12)
Recht auf Bildung (Art. 13)
Recht auf Teilhabe am kulturellen Leben (Art. 15)
 
Zuletzt bearbeitet:
Zurück
Oben