Masken

G

Gast

(Gelöschter Account)
Den heutigen Vormittag habe ich in der Onkologie verbracht und ein interessantes Gespräch geführt. Eigentlich nur kurz, aber so nachhaltig, dass ich eine Diskussion dazu ganz schön fände.

Meine Tochter hat gesungen, ein alter Mann im Wartebereich hat gelacht und ihr zugezwinkert. Einige Minuten später sagte er „Kinder können so sein wie sie wirklich sein wollen“ ...ich hab nur gelächelt und wusste nicht wirklich wie ich darauf reagieren soll, weil es für mich unter anderen Umständen durchaus eine Aufforderung zu meiner „es ist nie zu spät etwas zu verändern und das zu machen was man will“-Motivation gewesen wäre -> in der Umgebung und mit dem Risiko, als unsensibler Hatschn dazustehen, empfand ich lächeln als die bessere Wahl. Es verging wieder ein bissi Zeit und er erzählte davon, dass er immer wieder etwas gemacht hat, das er eigentlich gar nicht wollte, vom Beruf angefangen, bis zum Umzug und der Kinderlosigkeit,...und er jetzt im Alter, seit der Diagnose, das Gefühl hat, dass niemand ihn wirklich kennt und er sich wahnsinnig alleine fühlt. Es ging danach um seine Krebserkrankung, Behandlung, Nebenwirkungen usw. und ich hab ihm einfach nur zugehört.

Nun sitz ich daheim und denk nochmal über seine Worte nach und mir fällt auf, dass uns sehr oft Masken begegnen, auch ab und zu mal beim Blick in den Spiegel, wenn jeder ehrlich zu sich selbst ist. Wir auch durch diverse Erwartungshaltungen diesen Masken Raum geben, weil wir uns manchmal lieber die „schöne Lüge“ wünschen, als der Wahrheit ins Gesicht zu sehen. Auch zwischenmenschlich - wie oft duckt man sich weg, weil die Folgen offener Kommunikation mit Ängsten und Unsicherheit einhergehen?

Wie sehr ihr das?
Wo seht ihr euch? Sind Kinder da wirklich frei(er)? Warum ist das so? Was kann man ändern?
Fehlt es an Mut?

Und weil mich Masken an Rilkes Gedicht erinnern und es durchaus passt:

Ich bin nur einer deiner Ganzgeringen,
der in das Leben aus der Zelle sieht
und der, den Menschen ferner als den Dingen,
nicht wagt zu wägen, was geschieht.
Doch willst du mich vor deinem Angesicht,
aus dem sich dunkel deine Augen heben,
dann halte es für meine Hoffahrt nicht,
wenn ich dir sage: Keiner lebt sein Leben.
Zufälle sind die Menschen, Stimmen, Stücke,
Alltage, Ängste, viele kleine Glücke,

verkleidet schon als Kinder, eingemummt,
als Masken mündig, als Gesicht - verstummt.


Ich denke oft: Schatzhäuser müssen sein,
wo alle diese vielen Leben liegen
wie Panzer oder Sänften oder Wiegen,
in welche nie ein Wirklicher gestiegen,
und wie Gewänder, welche ganz allein
nicht stehen können und sich sinkend schmiegen
an starke Wände aus gewölbtem Stein.

Und wenn ich abends immer weiterginge
aus meinem Garten, drin ich müde bin, -
ich weiß: dann führen alle Wege hin

zum Arsenal der ungelebten Dinge.
Dort ist kein Baum, als legte sich das Land,
und wie um ein Gefängnis hängt die Wand
ganz fensterlos in siebenfachem Ringe.
Und ihre Tore mit den Eisenspangen,
die denen wehren, welche hinverlangen,
und ihre Gitter sind von Menschenhand.


On Topic wünsch ich mir. Danke. :)
 
Es hängt sicherlich vom Umfeld und den Umständen ab. Für mich ist es nicht wichtig, wie ich mich draußen gebe, sondern dass es Menschen gibt, einige wenige, bei denen ich ganz "ich" sein und mich fallen lassen kann. Mehr brauche ich nicht, ich bin ganz gerne in Sicherheitsdistanz zur Welt.

Masken kann man zudem unterschiedlich auffassen, natürlich verbergen sie etwas, aber das kann einem auch eine gewisse Freiheit schenken oder wieder etwas mehr Spielraum geben und wird dann durchaus "wahr", ist keine Lüge. Manchmal möchte man z.B. gerade bei Krankheit auch für den anderen stark sein, das ist vielleicht ebenso eine Maske, wie die größte Form von Zuneigung, dass man sich gegenseitig noch mitten im Schmerz trösten will, zugleich ist es natürlich ebenso ein Signal - der Schmerz mag da sein, mit ihm die Angst und der Umsturz dessen was einst Normalität war, aber das Leben geht weiter. Und ein bißchen will man den Alltag aufrecht erhalten und das macht ja auch das singende Kind. Es ist inmitten des Trubels eingesponnen in die Gedanken an ein Lied und ganz davon beseelt. Die Freiheit haben wir alle, ob mit oder ohne Maske. :)
 
Im Allgemeinen hab ich mal gerätselt, ob die vielschichtige Themenerstellung in einem Forum, in dem sich die User Avatare aufsetzen und Nicknames umhängen, viele ihre Stimme verstellen, manche in der Anonymität des Internets ihre privatesten Geheimnisse preisgeben, manche auch schlicht jeglichen Anstand ablegen, nicht sehr gewagt ist.
Andererseits ist hier auch ein großes Potential an freigeistigen, klar denkenden, selbstreflektierenden Menschen versammelt...

Ich habe das Eingangsposting unmittelbar mit dem Fragenkreis "Wer bin ich wirklich? assoziiert, obwohl ich schon einen Tag nachgedacht habe, bin ich noch nicht zu einem Statement, sondern bislang nur zu einzelnen Gedanken fähig, vielleicht ist ja für jemanden was dabei:

In unserer abgehobenen Gesellschaft gibt es viele Anforderungen, die wir erfüllen "müssen",
zB sollen unsere Eltern stolz auf unseren Lebensweg sein, die Nachbarn neidig auf den Fernseher, und die Sportskollegen auf den großen Schwanz/die straffen Oberschenkel,
man braucht Freunde, versteht sich mit seinen Arbeitskollegen gut, ist sozial und pflichtbewusst usw.usf.
Einerseits integrieren wir vieles von diesen Umweltbedingungen in unser Selbstbild, andererseits gehen so viele Dinge über unsere Grundbedürfnisse hinaus, und sind daher in gewisser Weise auch schon Masken.

Verhaltensweisen, die wir uns bewusst aneignen, lernen wir oft, indem wir uns in Situationen oder Denkweisen hineinversetzen, lesen, nachspielen - sie als Masken aufsetzen.
Diese Masken formen bildlich unser Gesicht, bis diese Verhaltensweisen eben zu uns gehören.
Der Ansatz findet sich so in etwa in der klassischen Psychotherapie.

Kinder lernen das Lügen in den ersten zwei Lebensjahren.
Es geht um noch ein Stück Schokolade, Aufmerksamkeit oder dass die Mama nicht schimpft - Vorteile.
Wir betrachten das meist mit einem Augenzwinkern als völlig normal.
Mit zunehmenden kognitiven Fähigkeiten geht es ums Schummeln bei Spielen, das Belügen von Großeltern/getrennten Elternteilen zum eigenen Vorteil oder aus Frust/Mitgefühl, Spickzettel und andere Tricks in der Schule, heimlich Schwänzen, Jugendkriminalität, Gangs, Gewalt, Drogen...
Ich denke, dass es Kinder absolut nicht leichter haben, sie selbst zu sein, wenn nicht jemand dafür sorgt, dass sie das dürfen und können, und sie hin und wieder dazu ermutigt.
 
mit klischees und daraus den einzelnen aufgezwungenen masken (verhaltensweisen etc.) kommt man als teil der gesellschaft/öffentlichkeit mit einem sehr geringen set an eigenen werkzeugen durch. für vieles reicht der hammer - oder die dunkelschwarze brille zum ganz fest wegschauen. drum sind menschen ohne maske/mit unkonventionellem verhalten verpönt und kommen meist relativ schlecht bei anderen weg. weil sie herausfordernder sind und einem mehr an eigener beweglichkeit abverlangen. aber wer will sich selber schon bewegen - oder gar selber in frage stellen? wir leben in zeiten des fast food - auch seelisch und emotional betrachtet. deswegen wird die abgenommene maske zum feindbild. weil wir sonst zugeben müssten, selber eine zu tragen - und das gesicht dahinter offenbaren müssten. das macht verletzlich - weil es das wahre ich preisgibt. wer geht dieses risiko schon, hat die innere stärke und den mut dazu?

Keine Berechtigung Bilder zu betrachten - Bild entfernt.
 
das leben, die gesellschaften verlangt masken und daher werden sie auch getragen!
 
Zuletzt bearbeitet:
Wir brauchen Masken um zu überleben. Wenn ich so wäre wie ich wirklich bin, dann wäre ich schon lange mit 100 Messerstichen im Rücken in einer dunklen Ecke gefunden worden.
 
In meinem Privatleben lehne ich es ab irgendwelche Masken zu tragen. Meine Freunde wissen wer ich bin und akzeptieren mich auch so. Im Arbeitsleben versuche ich ohne Masken auszukommen, aber auch ich setze mir manchmal aus Selbstschutz eine auf.
Zu guter Letzt gibt es ganz viele Menschen die weder sich selbst noch anderen Gegenüber wirklich ehrlich und aufrichtig sind. Ich denke auch hier ist oft so etwas wie Selbstschutz ausschlaggebend, auch wenn es manchmal zum eigenen Nachteil führt.
 
In manchen Sachen ja, in manchen Sachen ist es aber der Preis, den man zahlen müsste, wenn man ehrlich ist.
Ich kann manche Kollegen leider auch nicht als Idioten betiteln, obwohl ich Recht hätte. Oder die Autofahreridioten gleich von der Straße drängen, weil sie es verdienen. Man denkt natürlich in dem Moment auch an die Konsequenzen. Der Preis dafür ist allerdings der hohe Blutdruck.
 
Es gibt wohl einige Menschen, die es wirklich schaffen, ohne Masken durch's Leben zu gehen. Möglcherweise haben sie es dabei nicht wirklich leicht, denn stets "nackt", d.h. ohne Schutz zu sein, fordert auch der Umgebung einiges ab. Dann gibt es Menschen, die sagen, dass sie "Maskenlos" sind, sich sehr wohl aber hin und wieder verstecken oder sich zumindest nicht ganz offen zeigen, die sich das aber vielleicht nicht eingestehen wollen oder können.

Ist es denn nicht üblich, dass es einen Unterschied zwischen dem echten und unverfälschen Selbst und dem, was wir nach nach außen tragen, gibt? Was der Mann gesagt hat, den Du da getroffen hast, hat meiner Meinung nach nicht nur ein Körnchen sondern ein großes Korn Wahrheit in sich. Die "Masken" ergeben sich möglicherweise erst durch die Gewohnheit und vielleicht auch durch die Anforderungen, die von der Gesellschaft an uns gestellt werden. Kinder sind in einem frühen Alter unbekümmert, d.. sie kümmern sich nicht darum, wie sie wahrgenommen werden, können sich eben genau so geben, wie sie sind.

Ist es nicht eine Maske, wenn uns nach singen zumute ist, wir das aber nicht tun, weil wir vielleicht gerade in der U-Bahn fahren? Ist es nicht genauso eine Maske, wenn wir einem unbekannten Menschen ein Kompliment machen wollen, uns aber irgendwie nicht durchringen, ihn oder sie anzusprechen?

In meiner Jugend habe ich diverse Bücher von Marion Zimmer Bradley gelesen, und da gab es eine Reihe, die von Menschen auf einem fremden Planeten handelte, die die Fähigkeit entwickelt hatten, Gedanken zu lesen. Ich fand das schon damals eine ganz faszinierende Idee - das wäre ja eine Welt ohne Masken, eine Welt, in der man sich nicht verstecken kann, weil die Gedanken frei nach außen getragen werden.

Ich kann mich an zwei Erfahrungen erinnern, die mir gezeigt haben, dass ich völlig unbewusst wohl über längere Zeit eine solche Maske getragen habe - das eine mal, als ich nach fast sieben Jahren in der Schweiz nach Tirol zurück kam und plötzlich festgestellt habe, dass - obwohl es mir in der Schweiz wirklich gut gefallen hat und ich etliche liebe Menschen dort kennenlernen durfte - dass der gesellschaftliche Umgang in der Schweiz, der sehr stark von Höflichkeit und respektvollem Umgang geprät ist, dass mir bei diesem Umgang miteinander manchmal das unbekümmerte und direkte "auf den anderen zugehen" gefehlt hat, wie es die Bayern und Tiroler vielleicht eher leben, manchmal vielleicht ein bisschen derb, meist aber nett und mit einem charmanten Witz. Diese so unbekümmerten Begegnungen mit wildfremden Menschen hat mir gezeigt, dass ich tatsächlich völlig unbewusst über diese Jahre eine Maske getragen habe. Und das "Fallenlassen" war ein ganz unglaublich befreiendes Erlebnis.

Ähnlich ist es, wenn man völlig vorbehaltslos neue Menschen kennenlernt, Menschen, mit denen man keine gemeinsame Vergangenheit teilt, mit denen sich keine Gewohnheiten eingespielt haben - und wenn man sich dann mit diesen in einer Form austauschen kann, die eben in keiner Weise von einer Vorgeschichte geprägt ist - auch das ist eine Art "maskenloser" Zustand ... das habe ich hier im EF erlebt, und zwar nicht in der Anonymität, sondern in etlichen persönlichen Gesprächen und Treffen mit ganz lieben Menschen hier.

Ich würde nicht soweit gehen, das Tragen von Masken wie @Mitglied #440959 als unehrlich oder unaufrichtig zu bezeichnen - vielleicht eher als Gewohnheit und sich daraus entwickeltem Selbstschutz.

Ich hätte die Aussage des Mannes, den Du getroffen hast, aber weniger auf das Tragen von Masken bezogen, sondern eher auf das Zurückstecken eigener Bedürfnisse, auf das stete Eingehen dessen, was andere von einem wollen. Ich kenne einige Menschen, die dies sehr stark leben, fast schon sich selbst aufgeben. Bis sie merken, dass sie eben selbst gar nicht "gekannt" werden.

Es ist eigentlich traurig, so etwas zu hören, und da, liebe @Mitglied #429027, bin ich voll bei Dir - ist nicht immer Zeit, daran etwas zu ändern? Selbst oder vielleicht gerade wenn man aufgrund einer so tragischen Krankheit nicht mehr lange zu leben hat, gilt doch das "es ist nicht zu spät" umso mehr.

Danke für das schöne Thema, das sehr zum Nachdenken anregt!
 
Ich hab immer wieder versucht hier noch ein paar Gedanken in Worte zu fassen und schaff es einfach nicht...vll irgendwann.

Ein kleiner Punkt - der auch andere betreffen könnte: die Maske nicht nur als Lebenshilfe, sondern sogar als Überlebenshilfe.
Sich neu erfinden...etwas tief vergraben, sich dann anmalen und daran glauben, dass das was war irgendwann weg ist bzw. die Maske Zeit verschafft um Kraft zu tanken.
Man sich vor den Spiegel stellt und „abschminkt“, vll sogar nicht mal alleine...Schicht für Schicht und dann steht man da und sieht sich selbst, mit all den Narben - ehrlich zu sich selbst sein, sich akzeptieren/lieben lernen, eine gewisse Stärke entwickeln und dann eine Entscheidung treffen, ob man sich ab und zu mal ein bissl Farbe/Veränderung/Maske „gönnt“ - sie aber nicht braucht oder man einen Termin fürs „permanent make-up“ ausmacht, weil ein anderer Weg (noch) zu weit entfernt ist...
 
Jeder Mensch trägt eine Maske. Zum Selbstschutz.

Ich bin nur daheim ohne Maske :)

Viele mögen mich nicht, komme hart rüber, und das ist gut so wie es ist. Die paar Leute die mich ohne Maske kennen lieben mich.
 
also was hier alles als maske verkauft wird is schon gewaltig..........da würden alle leute nur mit masken durchs leben laufen....

für mich ist eine maske.....wenn ich mich gänzlich anders gebe als ich in wirklichkeit bin.........und weil ich das eigentlich nicht mache, nicht mal da im forum, brauch ich keine maske um durchs leben zu kommen.
 
also was hier alles als maske verkauft wird is schon gewaltig..........da würden alle leute nur mit masken durchs leben laufen....

für mich ist eine maske.....wenn ich mich gänzlich anders gebe als ich in wirklichkeit bin.........und weil ich das eigentlich nicht mache, nicht mal da im forum, brauch ich keine maske um durchs leben zu kommen.
Warum hast du eigentlich immer Schwierigkeiten Menschen einen anderen Blickwinkel zuzugestehen? Ist es notwendig etwas das man nicht versteht oder verstehen will herabzuwürdigen oder ins Lächerliche zu ziehen?
 
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