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Kasuistik: Gefährliche Spiele
Extremer Sadomasochismus führte zur Ösophagusruptur
Rechtsmediziner der Universität Gießen beschreiben einen Fall von extremem Sadomasochismus. Das Gewaltopfer schwebte viele Tage in Lebensgefahr. Einen vergleichbaren Fall aus der Literatur gibt es nicht.
Eine 32-jährige Patientin stellt sich im Krankenhaus vor und berichtet, dass sie in der Dusche ausgerutscht sei. Der untersuchende Arzt dokumentiert eine Fallhand und ein Hämatom am Orbitarand und schickt die Patientin wieder nach Hause. Fünf Tage später kommt die Frau wieder, diesmal allerdings in einem sehr schlechten Allgemeinzustand und mit starker Luftnot. Nach genauer Untersuchung stellen die Ärzte einen Pneumothorax sowie Rippenfrakturen fest und legen eine Thoraxdrainage. Daraus laufen große Mengen Sekret ab, das zunehmend die Farbe und Konsistenz der zugeführten Nahrung annimmt. In der weiteren Diagnostik wird eine Ösophagusruptur als Ursache des Pneumothorax festgestellt.
Auf diese schwere Verletzung angesprochen gibt die Patientin an, sie habe vor einer Woche einen etwa zehn Zentimeter langen, aufblasbaren Knebel geschluckt; ihr Lebensgefährte habe diesen dann aufgepumpt. Die übrigen Verletzungen würden aus dem Sturz in der Dusche stammen. Der 39-jährige Lebensgefährte sagt, er und vor allem seine Partnerin hätten extreme sexuelle Neigungen.
Eigentum von Herrn Charly*
Die Ösophagusruptur wird operativ versorgt und die Patientin in ein künstliches Koma versetzt. Sie schwebt über viele Tage in Lebensgefahr. Der gynäkologische Konsiliarius dokumentiert bei der Frau das Fehlen beider Brustwarzen, zahlreiche weitere Läsionen der Brüste und des Intimbereichs durch teilweise infizierte Piercings. Über ihrem Genitale trägt sie den unprofessionell eintätowierten Schriftzug Eigentum von Herrn Charly. Neben frischen Rissverletzungen finden sich im Vaginal- und Analbereich alte Narben und Ulzerationen, an den Oberschenkelinnenseiten großflächige Hämatome.
Sklavenvertrag
Wegen des Verdachts auf schwere Körperverletzung wird ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und der Lebensgefährte festgenommen. Im Rahmen der polizeilichen Vernehmungen beteuert er, die außergewöhnlichen Sexualpraktiken seien mit Einverständnis der Patientin erfolgt. Es lag ein Sklavenvertrag vor, in dem die Patientin als Besitz ihres Partners bezeichnet wird; sie habe dessen Befehle bedingungslos zu befolgen, seine Bestrafung sowie jede erdenkliche Qual (Folter) hinzunehmen und nur das Recht, um Gnade zu winseln. Der Lebensgefährte bleibt bei der Version, die Schmerzen seiner Partnerin an Rücken und Arm stammten von einem Sturz in der Dusche.
Bei der Wohnungsdurchsuchung finden die Ermittlungsbeamten zahlreiche Gegenstände aus dem sadomasochistischen Bereich sowie selbst gedrehte Pornovideos von der Patientin und ihrem Partner; auf einem Video ist auch zu sehen, wie er ihr die Brustwarzen mit Zigaretten herausbrennt.
Verstoß gegen die guten Sitten
Dr. Sarah Christina Kölzer, Institut für Rechtsmedizin, Universität Gießen, zufolge blieb trotz eingehender Ermittlungen die Einwilligung der Patientin in die beschriebenen Körperverletzungen nicht hinreichend geklärt. Aber selbst wenn diese mit Einwilligung geschehen wären, dürften sie eine rechtswidrige Handlung dargestellt haben, erklärt Kölzer und bezieht sich dabei auf § 228 StGB (deutsches Strafgesetzbuch): Wer eine Körperverletzung mit Einwilligung der verletzten Person vornimmt, handelt nur dann rechtswidrig, wenn die Tat trotz der Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt.
Der psychiatrische Gutachter konstatiert bei der Patientin eine dependente Persönlichkeitsstörung, bei ihrem Lebensgefährten keine psychiatrischen Auffälligkeiten. Der Mann wird wegen schwerer Körperverletzung zu sechs Jahren und vier Monaten Haft verurteilt. Im Gefängnis nimmt er sich das Leben.
Beispielloser Fall
In der bisherigen Literatur wurde kein Fall beschrieben, der diesem vergleichbar wäre, betont Kölzer, auch wenn es einige dokumentierte Todesfälle bei extremen sadistischen Handlungen gab. Die Prävalenz von Sadomasochismus als nicht kranke Subkultur sei schwer abzuschätzen. Die Schätzungen gingen von fünf Prozent bis 50 Prozent; nur ein geringer Anteil sei nach psychiatrischen Kriterien als krank einzuschätzen. Im Einzelfall könne die Grenzziehung schwierig sein. Sadomasochistische Neigungen würden von den betreffenden Männern häufiger ausgelebt als von Frauen. Der Frauenanteil unter den Straffälligen liege nur bei einem Prozent.
* Name von der Redaktion geändert
Quelle : Vortrag Ösophagusruptur durch extremen Sadomasochismus Eine Kasuistik am 20.9.13 im Rahmen der 92. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin, Saarbrücken, Deutschland
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für alle die der medizinischen (lateinischen) begriffe nicht mächtig sind:
ösophagus = speiseröhre
ösophagusruptur = riss der speiseröhre
orbitarand = knöcherne randbereich der augenhöhle
pneumothorax = meist lebensbedrohliche situation bei der die ausdehnung der/des lungenflügel/s behindert wird --> folge behinderung der atmung
Extremer Sadomasochismus führte zur Ösophagusruptur
Rechtsmediziner der Universität Gießen beschreiben einen Fall von extremem Sadomasochismus. Das Gewaltopfer schwebte viele Tage in Lebensgefahr. Einen vergleichbaren Fall aus der Literatur gibt es nicht.
Eine 32-jährige Patientin stellt sich im Krankenhaus vor und berichtet, dass sie in der Dusche ausgerutscht sei. Der untersuchende Arzt dokumentiert eine Fallhand und ein Hämatom am Orbitarand und schickt die Patientin wieder nach Hause. Fünf Tage später kommt die Frau wieder, diesmal allerdings in einem sehr schlechten Allgemeinzustand und mit starker Luftnot. Nach genauer Untersuchung stellen die Ärzte einen Pneumothorax sowie Rippenfrakturen fest und legen eine Thoraxdrainage. Daraus laufen große Mengen Sekret ab, das zunehmend die Farbe und Konsistenz der zugeführten Nahrung annimmt. In der weiteren Diagnostik wird eine Ösophagusruptur als Ursache des Pneumothorax festgestellt.
Auf diese schwere Verletzung angesprochen gibt die Patientin an, sie habe vor einer Woche einen etwa zehn Zentimeter langen, aufblasbaren Knebel geschluckt; ihr Lebensgefährte habe diesen dann aufgepumpt. Die übrigen Verletzungen würden aus dem Sturz in der Dusche stammen. Der 39-jährige Lebensgefährte sagt, er und vor allem seine Partnerin hätten extreme sexuelle Neigungen.
Eigentum von Herrn Charly*
Die Ösophagusruptur wird operativ versorgt und die Patientin in ein künstliches Koma versetzt. Sie schwebt über viele Tage in Lebensgefahr. Der gynäkologische Konsiliarius dokumentiert bei der Frau das Fehlen beider Brustwarzen, zahlreiche weitere Läsionen der Brüste und des Intimbereichs durch teilweise infizierte Piercings. Über ihrem Genitale trägt sie den unprofessionell eintätowierten Schriftzug Eigentum von Herrn Charly. Neben frischen Rissverletzungen finden sich im Vaginal- und Analbereich alte Narben und Ulzerationen, an den Oberschenkelinnenseiten großflächige Hämatome.
Sklavenvertrag
Wegen des Verdachts auf schwere Körperverletzung wird ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und der Lebensgefährte festgenommen. Im Rahmen der polizeilichen Vernehmungen beteuert er, die außergewöhnlichen Sexualpraktiken seien mit Einverständnis der Patientin erfolgt. Es lag ein Sklavenvertrag vor, in dem die Patientin als Besitz ihres Partners bezeichnet wird; sie habe dessen Befehle bedingungslos zu befolgen, seine Bestrafung sowie jede erdenkliche Qual (Folter) hinzunehmen und nur das Recht, um Gnade zu winseln. Der Lebensgefährte bleibt bei der Version, die Schmerzen seiner Partnerin an Rücken und Arm stammten von einem Sturz in der Dusche.
Bei der Wohnungsdurchsuchung finden die Ermittlungsbeamten zahlreiche Gegenstände aus dem sadomasochistischen Bereich sowie selbst gedrehte Pornovideos von der Patientin und ihrem Partner; auf einem Video ist auch zu sehen, wie er ihr die Brustwarzen mit Zigaretten herausbrennt.
Verstoß gegen die guten Sitten
Dr. Sarah Christina Kölzer, Institut für Rechtsmedizin, Universität Gießen, zufolge blieb trotz eingehender Ermittlungen die Einwilligung der Patientin in die beschriebenen Körperverletzungen nicht hinreichend geklärt. Aber selbst wenn diese mit Einwilligung geschehen wären, dürften sie eine rechtswidrige Handlung dargestellt haben, erklärt Kölzer und bezieht sich dabei auf § 228 StGB (deutsches Strafgesetzbuch): Wer eine Körperverletzung mit Einwilligung der verletzten Person vornimmt, handelt nur dann rechtswidrig, wenn die Tat trotz der Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt.
Der psychiatrische Gutachter konstatiert bei der Patientin eine dependente Persönlichkeitsstörung, bei ihrem Lebensgefährten keine psychiatrischen Auffälligkeiten. Der Mann wird wegen schwerer Körperverletzung zu sechs Jahren und vier Monaten Haft verurteilt. Im Gefängnis nimmt er sich das Leben.
Beispielloser Fall
In der bisherigen Literatur wurde kein Fall beschrieben, der diesem vergleichbar wäre, betont Kölzer, auch wenn es einige dokumentierte Todesfälle bei extremen sadistischen Handlungen gab. Die Prävalenz von Sadomasochismus als nicht kranke Subkultur sei schwer abzuschätzen. Die Schätzungen gingen von fünf Prozent bis 50 Prozent; nur ein geringer Anteil sei nach psychiatrischen Kriterien als krank einzuschätzen. Im Einzelfall könne die Grenzziehung schwierig sein. Sadomasochistische Neigungen würden von den betreffenden Männern häufiger ausgelebt als von Frauen. Der Frauenanteil unter den Straffälligen liege nur bei einem Prozent.
* Name von der Redaktion geändert
Quelle : Vortrag Ösophagusruptur durch extremen Sadomasochismus Eine Kasuistik am 20.9.13 im Rahmen der 92. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin, Saarbrücken, Deutschland
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für alle die der medizinischen (lateinischen) begriffe nicht mächtig sind:
ösophagus = speiseröhre
ösophagusruptur = riss der speiseröhre
orbitarand = knöcherne randbereich der augenhöhle
pneumothorax = meist lebensbedrohliche situation bei der die ausdehnung der/des lungenflügel/s behindert wird --> folge behinderung der atmung