Apropos....
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Schatten im Rotlicht
Das älteste Gewerbe der Welt ist in Österreich immer noch halboffiziell.
Ein dunkelroter Opel Astra mit Korneuburger Kennzeichen biegt von der Lassalestraße in die Venediger Au er taucht in das Wiener Stuwerviertel ein. Er verlangsamt seine Fahrt. In der Ybbsstraße parkt er seinen Wagen schräg zwischen zwei Bäumen ein. Ein Mädchen, etwa 17, geht zur Beifahrerseite. Sie sieht nicht aus wie eine Prostituierte. Das Seitenfenster surrt nach unten, das Mädchen lehnt sich ins Fahrzeug, dann steigt sie ein. Der Motor läuft. Kurze Zeit später steigt sie aus, der Opel Astra schiebt zurück und zieht weiter seine Kreise durch das Stuwerviertel.
Die sind nicht handelseins geworden, sagt Albert Lager, Kriminalbeamter der Gruppe Heider (Menschenhandel und Prostitution) in der Kriminaldirektion 1 (KD 1). Es ist einer der ersten warmen Nachmittage des Jahres. Um diese Zeit kreisen hier fünfzehn bis zwanzig Prostituierte, sagt Lager, und jede Menge Freier. Keine der Frauen besitzt eine Kontrollkarte.
Einige der Bewohner kämpfen seit Jahren gegen den Strich im Stuwerviertel. In Bürgerversammlungen gehen die Wogen hoch: Frauen, die vom Einkaufen kommen, werden von Männern von Autos aus angegafft und angesprochen. Mädchen, die von der Schule kommen, werden mit Prostituierten verwechselt. Abends, wenn der Verkehrslärm aufhört, rufen sich Prostituierte Schimpfwörter über die Straße zu. Man kann hier im Sommer die Fenster nicht aufmachen, sagt ein Bewohner des Stuwerviertels.
Die Bezirksverwaltung hat ein Einbahnsystem ausgeklügelt, das es kaum mehr zulässt, auf direktem Weg von einem Punkt im Stuwerviertel zum anderen zu gelangen. Straßen werden durch Betonklötze unterbrochen. Die Polizei startet ab und zu Vertreibungsaktionen, indem sie die Prostituierten ununterbrochen kontrolliert. Doch mit Anzeigen nach dem Prostitutionsgesetz richten die Beamten nichts aus. Was hängen bleibt, sind Anzeigen nach dem Fremdengesetz.
Schwanger am Strich
Fickst du deine Mami!, schreit die Slowakin Miriam C., 23, über die Straßenseite einem Passanten zu, der auf der gegenüberliegenden Seite stehen geblieben ist und neugierig zusieht, wie sie von den Kriminalbeamten Albert Lager und Michael Srtschin kontrolliert wird. Habe schwanger, sagt sie zu den Polizisten. Sie öffnet ihre Jacke, hebt den Pullover und zeigt auf ihren Bauch. Sie ist etwa im siebenten Monat schwanger.
Die Frau, die aussieht wie 40, wohnt in Levice, in der Ostslowakei. Sehr viele, die hier im Stuwerviertel auf den Strich gehen, kommen aus diesem Ort, sagt Lager, während er die Daten aus dem Pass abschreibt. Es sei eine Armengegend in der Slowakei. Die Ortschaften dort bestünden aus Baracken, in denen Roma und Sinti wohnten. Die Frauen verschulden sich, borgen sich Geld in der Disco aus und landen am Strich in Österreich, erklärt Lager. Eine habe erzählt, sie habe sich geweigert sich zu prostituieren. Ihr Schuldner habe sie in einen Steinbruch gebracht, vor einen Abgrund gestellt und gedroht, sie hinunterzustoßen, wenn sie nicht pariere.
Hübsche, junge Frauen landen in Clubs, Bars oder Studios, weniger hübsche am Straßenrand in einer der Strichgegenden Wiens.
Eine Rothaarige entfernt sich von einem Pkw mit ungarischem Kennzeichen und geht auf einen Mann mit einem Aktenkoffer zu. Der Mann weicht aus.
Lager und sein Kollege kontrollieren die beiden Männer im ungarischen Pkw. Gegen sie liegt nichts vor. Lager holt einen Bezirkswagen, denn die beiden Ungarn haben keinen Zulassungsschein für das Fahrzeug.
Das Stuwerviertel ist keine Nobelgegend, es ist ein durchschnittliches Wiener Wohngebiet. Was die Prostitution betrifft, ist es letzte Absteige. Wenn hier im Sommer die ersten Regentropfen fallen, fallen hier die Preise auf zehn Euro, schildert Lager. Das reicht nicht einmal, um in einer Doppelkabine in einem Sexshop unterzukommen. Die meisten Freier nehmen die Frauen im Wagen mit, parken rund um den Prater oder in der Parkgarage im Donauzentrum.
Ein paar junge Türken bieten sich den Frauen am Strich an, sie zu beschützen. Der Lohn ist einmal gratis.
Geschlechtskrankheiten. Wer hier mit einer Prostituierten ohne Kondom verkehrt, spielt nicht russisches Roulette, er ist ein sicherer Kandidat für Krankheiten aller Art, sagt Lager. Im Vorjahr kontrollierten die Kriminalisten in einem Lokal 20 Prostituierte 19 von ihnen hatten teils schwere Geschlechtskrankheiten.
Trotzdem bestehen die meisten Männer auf Naturfranzösisch (Oralverkehr ohne Kondom) um 15, 20, maximal 30 Euro. Viele Frauen, die sich hier anbieten, sind drogensüchtig.
Vor allem suchtmittelabhängige Prostituierte laufen Gefahr, dass sie einen Falschen erwischen. Sie werden vergewaltigt und ohne Bezahlung aus dem Auto geworfen.
Auch den umgekehrten Fall gibt es: Männer, die mit KO-Tropfen betäubt und ausgeraubt werden. Die Dunkelziffer ist in diesem Deliktsumfeld besonders hoch.
Ein paar hundert Meter Luftlinie entfernt beginnt der bekannteste Straßenstrich Wiens der Prater. Das Vergnügungsviertel hat sein Aussehen geändert: In der Südportalstraße warten keine Österreicherinnen mehr neben den Ami-Schlitten ihrer Zuhälter auf Freier. Der Straßenzug wurde von Schwarzafrikanerinnen übernommen. Insgesamt sind in Wien 220 Schwarzafrikanerinnen als Prostituierte registriert.
Auch den Gürtel und seine Seitenstraßen, wie die Mariahilfer Straße, die Hütteldorfer- oder die Felberstraße säumen immer mehr dunkelhäutige Frauen. Problematischer ist der Straßenstrich entlang der Mariahilfer Straße im 15. Bezirk. Hier müssen die Frauen 15 Meter abseits der Hauptverkehrsstraße auf Kunden warten. Zuhälter garantieren ihnen Gebietsschutz was nicht immer einwandfrei funktioniert. Im Umfeld von Lokalen werden die Prostituierten angehalten, Standgeld zu bezahlen.
Wie im Stuwerviertel bekämpfen Politiker und Bewohner der Umgebung den Straßenstrich mit allen Mitteln, vorzugsweise mit Polizeidruck, und wenn es nur Anzeigen nach der Straßenverkehrsordnung oder dem Kraftfahrgesetz sind etwa das unnötigerweise mehrmalige Befahren eines Straßenzugs. Das ist eine Bestimmung, die gegen das Auf- und Abfahren von Mopeds in den achtziger Jahren ins Verkehrsrecht aufgenommen worden ist. Von SPÖ bis FPÖ taucht der Kampf gegen die Prostitution in den Partei- und Wahlprogrammen immer wieder auf.
Langfristig ändern diese Maßnahmen nichts daran, dass es einen Straßenstrich gibt. Die Frauen halten sich einige Zeit an die Verbotszonen, die Freier lassen sich kurzfristig vertreiben. Nach einiger Zeit kehren beide zurück an die Stätte ihres Wirkens.
Natürlich ist das Nachtgeschäft immer noch mit Gewalt verbunden, erklärt Albert Lager. Wenn ein kleiner Zuhälter sein bestes Pferd im Stall verlöre, wäre das schmerzlich für ihn. Da übt er mitunter Druck aus mehr oder weniger starken. Aber in den Bars und Bordellen braucht keiner mehr eine Prostituierte mit Gewalt zu halten, sagt Lager. Er findet umgehend Ersatz.
Sprunghaft gestiegen
Insgesamt sind in Wien derzeit 1.078 weibliche und 14 männliche Prostituierte gemeldet. Anfang der neunziger Jahre waren es rund 400, sagt der leitende Kriminalbeamte Herbert Selbach. Sprunghaft gestiegen sei die Zahl der Prostituierten während der zweiten Ostöffnung Ende der neunziger Jahre, Anfang 2000. Die Dunkelziffer zu schätzen, halten Selbach und Lager für unseriös.
Die Frauen arbeiten in etwa 200 Bordellen, 100 Barbetrieben, 80 Massagesalons und 16 Peep-Shows. Vor etwa einem Jahr wurde das Sauna-Konzept wieder entdeckt. Der Saunaliebe erfreuten sich Männer bereits im 16. Jahrhundert auf der Suche nach der kurzen Zweisamkeit.
Ein Wiener witterte Anfang 2005 das große Geschäft. Er errechnete für seinen Businessplan 190.000 Euro Umsatz pro Monat. Geworden sind es laut Aufzeichnungen nie mehr als 140.000 Euro. Die Rentabilitätsschwelle wurde für 300 Gäste pro Abend kalkuliert.
An Spitzentagen trafen in dem Sauna-Erlebnispark 36 Prostituierte auf zahlende Saunierer. Diese konnten sich pro Besuch um 100 Euro (Einführungspreis: 60 Euro) verwöhnen lassen von der Massage bis zum Heimkino und Fitnessgerät all-inclusive auf 2.500 Quadratmetern.
Als Extraservice gab es junge Frauen zur Versüßung eines hitzigen Abends.
Es war ein logistisches Gesellenstück für die Saunabetreiber, es zuwege zu bringen, dass stets die richtigen jungen Frauen mit dem richtigen Angebot (blond, rothaarig, großbusig, langbeinig oder Ähnliches) auf die jeweilige Nachfrage trafen.
Es gab einen Dienstplan für die jungen Frauen und einen Chef vom Dienst, der genau protokollierte, wann welche Frauen in der Sauna auf Liebeshungrige stoßen sollten. Diese Logistik ließ die Betreiber mutmaßlicherweise den Tatbestand der Zuhälterei erfüllen, zumindest nach Rechtsansicht der Polizei. Das Verfahren ist im Gange.
Letztlich ging das Unternehmen den Bach hinunter. Jeder nicht geöffnete Tag kostete die Betreiber 3.000 Euro.
Prostituierte als Verlierer
Die größten Verlierer des Unternehmens Sauna waren die Prostituierten. Trotz Hochbetriebs, bis zu zwölf Kunden pro Tag zwischen zehn und vier Uhr früh und bis zu 6.000 Euro Einnahmen pro Monat, blieben den Frauen nie mehr als 300 bis 600 Euro. Der Großteil von ihnen waren Ausländerinnen. Den Aufenthalt mussten sie sich hart erarbeiten.
Manche Frauen, die in den Westen geschleppt werden, haben bis zu 40.000 Euro Schulden bei den Schleppern.
Wenn die jungen Frauen zu spät zum Dienst in die Sauna kamen, mussten sie 200 Euro Strafe zahlen. Ebenso, wenn die Küchenrolle nach getaner Arbeit liegen blieb; wenn sie während des Dienstes Kaugummi kauten oder sonst einen Fehler begingen.
Ursprünglich hatte das Lokal zwei Besitzer. Einer sprang ab und jetzt nach dem Zusammenbruch seiner ersten Sauna eröffnete er neuerlich ein solches Unternehmen in einem anderen Bezirk von Wien.
Die Rechtslage in Wien lässt keine Bordellbetriebe zu. Wer ein Bordell betreiben will, darf keine Getränke ausschenken. Wer eine Bar betreiben will, darf keine Prostitution ausüben oder fördern.
Zimmervermietung
Im Studio der Lust hängt an der Wand eine Konzessionsurkunde zur Zimmervermietung. Laura, Niki und Nadine teilen sich die Schichten. Laura ist den vierten Abend hier. Sie öffnet im String-Bikini. Die ehemalige Hausmeisterwohnung im 20. Wiener Bezirk besteht aus drei Zimmern, einer Küche und einem Vorzimmer, in dem die Blechspinde der Prostituierten aufgestellt sind. In den Zimmern steht kaum etwas anderes als ein Bett.
Niki kommt von der Post zurück. Keine Fotos von mir, sagt sie. Ihr Freund in der Steiermark darf nicht erfahren, welchen Nebenjob sie in Wien ausübt.
Ein paar Monate lang habe ich in einer Bar gearbeitet, erzählt Laura. Danach habe die Polin die Nase voll gehabt vom Alkohol. Im Studio falle das weg. Hier dürfen die Gäste nichts zu sich nehmen außer Liebesdienste. Als Animierdame musst du mit den Gästen mittrinken, schildert Laura. Das hältst du nicht lange durch.
Bis zu vier Promille
Früher sind wir nicht unter dreieinhalb, vier Promille hier hinausgegangen, sagt Martha, Chefin im Grande Folie, einer Bar im 12. Wiener Bezirk. Heute wird meistens weniger getrunken, aber es kommen immer noch genug Piccolos pro Abend zusammen.
Offiziell dürfen sich Prostituierte in einer Bar nicht anbieten. Wenn trotzdem jemand mit einer in einem Separee verschwindet, dann deshalb, weil ihm die Musik im Lokal zu laut war, sagt Martha mit einem Augenzwinkern. Der Preis für Champagner plus zärtliche Zweisamkeit: 154 Euro. Was die Damen sonst noch mit den Gästen in den Separees treiben, will die Barbesitzerin gar nicht wissen zumindest nicht offiziell.
Dann spielen wir die Krankenschwestern der Nacht, sagt Martha. Oft wollen die Männer nur ihren Frust loswerden. Sie erzählen, wie sehr sie zu Hause gequält und vernachlässigt werden, was sie im Büro nicht alles leisten die Nachtschwestern sind immer auf ihrer Seite, hören geduldig zu. Allerdings nur solange, als der Gast liquid ist. Wenn ihm das Geld ausgeht, gehen uns die Worte aus, lacht Martha.
Die Bar-Chefin will über die Wirtschaftskammer die Legalisierung des Gewerbes erreichen. Sie genehmigen einem fünf Hinterzimmer, aber kein Separee, sagt Martha. So wirst du gezwungen, link zu arbeiten.
Auf diese Weise kommen laut Martha Auswüchse wie der Saunabetrieb zustande. Die Mädels inserieren mit dem Massage-Schmäh, körperlicher Ertüchtigung durch Bachblüten und so weiter. Anders kommst du zu nichts. Weil du hast nichts davon, wenn einmal auf deinem Sockel steht: Hier ruht Martha, gestorben an übertriebener Ehrlichkeit.
In vielen Fällen werden Swinger-Clubs als versteckte Bordelle geführt. In Swinger-Clubs sollten Paare ungehinderten Partnertausch vollziehen können. Oft mischen sich Prostituierte mit Wissen der Betreiber unter die Gäste. Letztere zahlen überhöhte Eintritts- oder Getränkepreise und sind der Ansicht, eine ganz normale Frau zu erobern. In Wirklichkeit bezahlen sie die Prostituierte indirekt.
Ehrlichere Gesetze
Auch die Kriminalbeamten wären für einen ehrlicheren Umgang des Gesetzes mit der Prostitution, wie etwa in Salzburg. Damit hätten wir eine Handhabe, wenn etwas nicht in Ordnung wäre, erläutert Albert Lager. Der Wiener Kriminalbeamte wünschte sich klare Regeln, klare Einschreitmöglichkeiten für die Polizei.
In Vorarlberg existiert die Prostitution offiziell nicht. Dort wünschen sich die Kriminalisten allerdings nicht die Legalisierung.
Martha muss kurz weg. An der Bar wartet eine Brünette zum Vorstellungsgespräch. Es dauert nicht lange. Du spürst es gleich, ob eine für den Job geschaffen ist oder nicht, berichtet Martha. Das Mädchen vorhin war es nicht. Wenn die der Erste angreift, flippt sie mir aus. Auch wenn sie im Vorstellungsgespräch das Gegenteil behauptete.
Die Motive der Frauen, sich dem Gewerbe zuzuwenden sind unterschiedlich. Die Vorstellung vom armen Mädchen, das zur Prostitution gezwungen wird, ist laut Martha nur teilweise Wirklichkeit. Viele sehen die Prostitution als Möglichkeit, rasch zu einfach verdientem Geld zu kommen.
Das deckt sich mit den Erfahrungen der Kriminalbeamten der KD 1. Es gibt Studentinnen beispielsweise aus Bratislava, die reisen abends mit dem Zug nach Wien, verdienen sich in einer Sauna ein Zubrot und fahren in der Früh wieder nach Hause, sagt Herbert Selbach.
Nicht immer, aber in manchen Fällen steckt natürlich ein Mann dahinter, ergänzt Albert Lager. Für ihn gehe die Frau anfangs freiwillig, später nur unter mehr oder weniger sanftem Druck anschaffen.
Im Vorjahr erkannte eine Ärztin auf einem Zeitungsfoto ihre künftige Schwiegertochter wieder. Die junge Slowakin war bei einer Razzia in einer Sauna fotografiert worden. Der Bräutigam glaubte seiner Mutter erst, als ihn diese überzeugt hatte, dass es sich bei der chronischen Augenentzündung seiner Verlobten um eine Geschlechtskrankheit handelte. Er ließ sich untersuchen und stellte fest, auch er hatte bereits die Erreger der Krankheit im Blut.
Als Kind sexuell missbraucht
Neunzig Prozent sind in der Kindheit sexuell missbraucht worden und wollen sich jetzt rächen an den Männern, schildert die Barfrau. Nach dem Motto: Jetzt habe ich die Macht über dich. Das merke ich dann immer wieder am Verhalten der Mädchen, wenn sie etwas getrunken haben.
Andere erwarten sich, hier den Mann fürs Leben zu finden, der sie auf Händen aus der Bar trägt so nach dem Motto Pretty Woman, sagt Martha. Die Pretty Woman hat aber nicht in Meidling gearbeitet.
In seltenen Fällen bringen es die jungen Frauen laut Frau Martha zustande, sich mit dem Verdienst eine Existenz aufzubauen. Eine zum Beispiel hat sich ein kleines Hotel, ein Zinshaus und zwei Boutiquen am Strich erarbeitet, berichtet Martha. Aber das ist die große Ausnahme. Den meisten zerrinnen die Euros zwischen den Fingern, so wie sie sie verdienen.
Wovon Martha als Mädchen geträumt hat? Ich hätte mir sicher nicht träumen lassen, dass ich einmal ein eigenes Geschäft haben werde.
Spaghetti-Sauce und heiße Liebe
Auch Frau Jolanda, 56, hätte es sich nicht träumen lassen, dass sie eines Tages eine kleine Bar besitzen würde.
Als Frau Jolanda die Eingangstür zu ihrem Studio öffnet, ist sie oben ohne, hält sich mit einer Hand einen weißen Pulli an die Brust. Polizei, stellt sich einer der Beamten vor. Der Mann an der Theke wird bleich. Außer ihm und Frau Jolanda ist niemand in dem zwanzig bis dreißig Quadratmeter großen Etablissement.
Ich mach da kein Geschäft, Herr Inspektor sicher nicht. Ich hab mir nur den Pulli ausgezogen, weil ich gerade Spaghetti ess und mich nicht mit der Sauce anpatzen möchte, rechtfertigt sie sich. Der Beamte verlangt trotzdem die Kontrollkarte der Frau.
Ja, sie besitze eine, sie sei registriert. Sie gehe auch regelmäßig zur Untersuchung ins Gesundheitsamt. Schauen Sie, ich bin 56. Bin seit über 30 Jahren im Geschäft. Ich mache seit drei Jahren kein Zimmer mehr. Für den Blödsinn bin ich zu alt. Der Mann da ist kein Kunde, er ist mein Lieferant. Der Polizist wird auf die Anzeige verzichten, wenn ihm Frau Jolanda die Kontrollkarte nachbringt.
Einige Häuser weiter das nächste Etablissement. Eine junge Türkin sperrt das Geschäft gerade zu. Ich gehe grad in Pause, sagt sie. Von zwanzig bis zweiundzwanzig Uhr ist zu bei uns. Kommt später wieder, dann könnt ihr bis sechs bleiben. Sie möchte nicht fotografiert werden. Was glauben Sie, was passiert, wenn meine Familie erfährt, was ich arbeite, sagt sie. Als Türkin kannst du dich da vergessen.
Das Erotik-Studio gegenüber hat geöffnet. Eine Asiatin hat sich gerade etwas Thailändisches gekocht. Dementsprechend riecht es im gesamten Bordell. Offenbar ist Essenszeit im Gewerbe um diese Zeit.
Die letzte Eintragung in der Kontrollkarte der jungen Frau ist alt. Sehr alt. Sie müssen zur Untersuchung, sagt der Kriminalbeamte. Yes, antwortet sie und lacht freundlich. Gleich am Montag, ergänzt der Polizist. On Monday, setzt er nach.
Yes, on Monday, sagt sie und lacht.