Adventskalender - gemeinsam durch den Advent :-)

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Ich wünsche euch einen besinnlichen heiligen Abend im Kreise eurer Liebsten und lege euch dazu eine Weihnachtsgeschichte unter den Christbaum, die ich vor fünf Jahren geschrieben habe.

Weihnacht unter fremden Sternen

Sophie saß auf einem alten Holzstuhl und hatte ihren Kopf auf die verschränkten Arme gelegt, die wiederum auf die Fensterbank gestützt waren. Mit gedankenverlorenem Blick schaute sie hinaus in die dunkle Winternacht. Draußen lag eine geschlossene Schneedecke. Es war bitterkalt, der Himmel sternenklar und auf dem Glas der Fensterscheiben hatten sich Eisblumen gebildet. Das Mädchen war so sehr in sich versunken das es nicht einmal das Knistern der Holzscheite registrierte, die in dem Kanonenofen in der Ecke des Raumes brannten und das spärlich eingerichtete Dachzimmer zumindest in eine wohlige Wärme tauchten.
Es war der 24. Dezember 1945, aber das elfjährige Mädchen empfand keine Freude oder gar irgendeine Form von festlicher Stimmung. Eher das Gegenteil war der Fall. Zwar war sie in Sicherheit und hatte ein Dach über dem Kopf, aber das war auch schon alles. Sie hatte Schlimmes erlebt und die Erinnerung daran ließ sie nicht los. Rund zehn Monate lagen diese Ereignisse nun schon zurück, aber ein ganzes Menschenleben würde nicht ausreichen um das Mädchen vergessen zu lassen, was es jener Tage gehört und gesehen hatte. Vor wenigen Wochen war ihr Geburtstag gewesen und zu diesem Anlass hatte sie nur einen Wunsch gehabt, der jedoch nicht in Erfüllung gegangen war. Nun war Heilig Abend und wieder hegte die kleine Sophie nur einen großen Traum. Es war kein Spielzeug, keine Kleidung und auch keine Süßigkeiten, auf das sich ihr Begehren richtete. Sie wollte einzig und allein ihren Vater zurück, der für sie der liebste, gutherzigste und einfühlsamste Mensch der Welt gewesen war.
Hans Schubert war Schreiner und aufgrund einer Magenerkrankung nicht für den Kriegsdienst herangezogen worden. Mit seiner Familie hatte er in einem kleinen Dorf in Ostpreußen gelebt und dort eine Werkstatt besessen, in der er Möbel gebaut und landwirtschaftliche Werkzeuge repariert hatte. Aber nicht nur das. Zugleich war er für die Menschen auch ein Ansprechpartner gewesen und viele hatten sich regelmäßig mit ihren Sorgen und Nöten an ihn gewandt. So war er mit der Zeit innerhalb der Dorfgemeinschaft zu einer Art Seelsorger und moralischen Instanz geworden. Für jeden hatte er stets ein offenes Ohr und einen guten Rat gehabt. Streitigkeiten hatte er immer mit einer solchen Diplomatie geschlichtet, dass sich am Ende keiner der Beteiligten übervorteilt fühlen konnte. Und nun war er schon seit mehr als einem Dreivierteljahr verschwunden. Kein Tag war seither vergangen, ohne das Sophie nicht an jenen verhängnisvollen Abend hatte denken müssen, an dem ihre Odyssee begonnen hatte. Auch jetzt wieder drängten sich die düsteren Bilder mit aller Macht in ihr Bewusstsein.

Der alte Akkurat rannte so schnell die betagten Beine ihn trugen. Immer und immer wieder stieß er während dessen ein und den selben Satz aus: „Die Front ist zusammengebrochen, der Russe ist durch!“
Der Schnee knirschte unter den Sohlen seiner schweren Stiefel, als er unter dem Torbogen hindurch auf den Innenhof des Gehöfts hastete. Trotz der eisigen Kälte glitzerten Schweißperlen auf der geröteten und von tiefen Falten durchzogenen Haut seiner Stirn. Nach Atem ringend erreichte er schließlich die Gruppe der wartenden Dorfbewohner, unter denen sich auch Sophie, ihre Mutter und ihr kleiner Bruder befanden. Dort wiederholte er noch einmal: „Alles aus, die Russen kommen!“
Jeder der Umherstehenden hatte geahnt das es früher oder später soweit kommen würde, trotzdem lag nun stummes Entsetzen in der Luft. Wohin der alte Akkurat seinen Blick auch wandte, er sah nur vor Schrecken aufgerissene Münder. Es dauerte eine ganze Weile bis endlich wieder gesprochen wurde. Zunächst war es nur unverständliches und halblautes Gemurmel, dann aber wurde eine konkrete Frage gestellt.
„Bist du sicher das es so schlimm steht?“ Es war die Bäuerin Lina, die zögernd in Worte fasste was alle Anwesenden bewegte.
„Die Straßen und Wege sind voller Soldaten. Alles was fahren und laufen kann ist unterwegs in Richtung Westen. Ein geschundener und zusammengeschossener Haufen, jede Menge Verwundete, völliges Durcheinander. Das ist kein Rückzug mehr, das ist kopflose Flucht. Wenn nur die Hälfte von dem stimmt, was ich aufgeschnappt habe, dann Gnade uns Gott.“ Mit bebender Stimme fasste der alte Mann zusammen was er in Erfahrung gebracht hatte.
„Wenn Paul recht hat, haben wir keine Wahl. Wir müssen sofort das Nötigste zusammenpacken und sehen das wir von hier wegkommen. Ich für meinen Teil werde nicht darauf warten bis russische Panzer durch das Dorf rollen und kein Stein mehr auf dem anderen bleibt.“ Aus der Mitte der Gruppe heraus ertönte eine laute Männerstimme.
„Und was ist mit Hans? Er ist noch immer nicht zurück und wir können ihn doch jetzt nicht im Stich lassen.“ Es war Anna Schubert, die nun mit ihren beiden Kindern an der Hand aus der Menge hervortrat. Ihr Mann war vor zwei Tagen ebenfalls mit der Absicht aufgebrochen, Informationen über die Lage an der Front zu beschaffen. Bislang war er jedoch nicht zurückgekehrt.
„Wir müssen den Tatsachen ins Auge sehen. Hans war ein feiner Kerl, aber er wird wohl nicht mehr auftauchen. Egal wie lange wir hier auf ihn warten oder wo wir ihn suchen. Er ist jetzt schon seit zwei Tagen weg, keine Nachricht und kein Zeichen von ihm. Entweder ist er den Russen in die Arme gelaufen oder die Feldgendarmerie hat ihn erwischt und für einen Deserteur gehalten. So oder so, was das bedeutet könnt ihr euch alle vorstellen.“ Wieder ergriff der Mann mit der lauten Stimme das Wort.
„Wie kannst du so was sagen?! Hans ist nicht tot, das fühle ich. Er hätte keinen von euch zurückgelassen...“ Mit tränenerstickter Stimme schrie Anna Schubert den Sprecher an.
„Unter diesen Umständen hier zu bleiben wäre reiner Selbstmord. Denken sie doch an ihre Kinder.“ Mit eindringlichen Worten versuchte Bäuerin Lina die verzweifelte Frau von der Notwendigkeit zur Flucht zu überzeugen.
Sie tat dies mit Erfolg, denn schon zwei Stunden später formierte sich ein großer Teil der Dorfgemeinschaft zu einem Treck in Richtung Westen. Es wurde kaum gesprochen, aber umso mehr geweint. Den Menschen war bewusst das es wohl ein Abschied für immer sein würde, aber im Augenblick galt es nicht weniger als das nackte Leben zu retten. Und so reihte sich auch Anna Schubert mit ihren Kindern Sophie und Karl in den Strom der Flüchtenden ein.
Der Moment des Aufbruchs war Sophie noch immer so präsent als wären seither erst wenige Stunden vergangen. Während des Durcheinanders hatte sie etwas verloren, das ihr neben Eltern und Bruder das wichtigste im Leben gewesen war. Es handelte sich um ein kleines Holzpferd, etwa handtellergroß, das ihr Vater für sie geschnitzt und bemalt hatte. Sophie hatte es Rübe getauft, hatte sie im Sommer doch stets die Pferde auf der Weide hinter ihrem Elternhaus mit Mohrrüben gefüttert, welche sie zuvor heimlich aus den Beeten der Mutter stibitzt hatte. Der Schmerz über diesen Verlust hatte bis heute nicht nachgelassen. Dabei ging es ihr nicht einmal um das Stück Holz, aus dem das Pferd gefertigt war. Vielmehr war es das Symbol einer glücklichen Kindheit, ein kleines Stück Heimat und die letzte Erinnerung an ihren geliebten Vater, die nun für immer verloren war.
Die folgenden Tage und Wochen waren bestimmt von Angst, Kälte, Entbehrung und Ungewissheit. Niemand wusste wohin die Reise eigentlich führen würde und welches der beste und sicherste Weg war. Mehrfach entging die Gruppe nur um haaresbreite den Speerspitzen der vorstoßenden russischen Armee und immer wieder begegneten ihnen die Gräuel des Krieges. Sie zogen durch völlig zerstörte und entvölkerte Ortschaften und stießen auf die traurigen Reste von überrollten und zerbombten Flüchtlingstrecks am Straßenrand. Bald schon waren auch die knappen Vorräte aufgezehrt und der Hunger setzte ein. Zudem mussten sie die Nächte trotz eisiger Minusgrade oft im Freien verbringen und so manches mal trauten sie sich aus Angst vor Entdeckung nicht einmal ein wärmendes Feuer anzuzünden. Selbst als die größte Gefahr überstanden war und die kleine Gruppe die heranrückende Front weit genug hinter sich gelassen hatte, wurde die Situation nicht besser. Wohin sie auch kamen, sie waren unerwünscht. In vielen Dörfern wurden sie offen angefeindet, beschimpft, bespuckt und einmal sogar mit Mistgabeln attackiert. Überall hieß es: „Zieht weiter, wir haben keinen Platz und wir wollen euch hier nicht.“
So begann Sophie sich zu fühlen wie eine Fremde im eigenen Land. Heimatlos und entwurzelt. Die Menschen, denen sie begegnete, sprachen zwar die selbe Sprache, aber dennoch schienen sie einander nicht zu verstehen. Immer häufiger musste das Mädchen über die Frage nachdenken ob es nicht besser gewesen wäre mit Mutter und Bruder daheim geblieben zu sein. Hätte alles, was dann geschehen wäre, wirklich schlimmer sein können als das, was jetzt war?
Am Ende ihrer Kräfte angelangt erreichte die Gruppe schließlich ein kleines Dorf in Norddeutschland. Der Krieg schien dieses Fleckchen Erde ausgespart zu haben, denn alle Straßen und Häuser waren unversehrt und nirgends gab es Schäden durch Bombardierungen oder Artilleriebeschuss. Und noch etwas schien hier anders zu sein als an allen Orten, an denen sie zuvor versucht hatten Zuflucht zu finden. Die Bevölkerung trat ihnen nicht ablehnend gegenüber und sie wurden auch nicht verjagt wie streunende Hunde. Ein Mann mittleren Alters – es mochte der Bürgermeister sein – empfing die Gruppe am Dorfrand und führte sie zum kleinen Bahnhof. Als Sophie die Halle betrat blickte sie in die müden Gesichter vieler Menschen, die bereits vor ihr dort angekommen waren und nun darauf warteten wie es weitergehen würde. In ihren Augen konnte das Mädchen lesen das die meisten von ihnen ähnliches erlebt hatten wie sie selbst. Viele hatten Angehörige verloren und auch von den 34 Menschen, die ihre Gruppe noch am Tag des Aufbruchs umfasst hatte, waren am Ende nur 12 übrig geblieben. Einige waren gestorben, andere unterwegs verloren gegangen und manche hatten resigniert und waren einfach am Wegesrand zurückgeblieben.
„Wie bescheiden ein Mensch doch werden kann“, dachte Sophie. Eine einfache, karge Bahnhofshalle, nur mäßig beheizt und ohne jegliche Annehmlichkeit und doch waren die Menschen froh hier sein zu dürfen und zumindest für einen Augenblick ausruhen zu können.
„Alle mal herhören!“ Die Stimme des Bürgermeisters riss das Mädchen aus ihren Gedanken. Er war auf eine Holzbank gestiegen und überragte damit alle anderen um eine Kopflänge. „Vorerst können sie hier bleiben. Ich werde versuchen Quartiere für sie zu finden, kann aber niemandem etwas versprechen. Es werden noch mehr Menschen kommen und wir können nicht unbegrenzt viele unterbringen und versorgen. Daher müssen diejenigen, für die sich heute keine Unterkunft findet, spätestens morgen weiterziehen.“
In den folgenden Stunden begann sich die Bahnhofshalle tatsächlich zu leeren. Der Bürgermeister hatte auf den umliegenden Bauernhöfen dafür geworben Flüchtlinge aufzunehmen und nun trafen nach und nach Landwirte ein, die diesen oder jenen mitnahmen. Zuerst wurden die kräftigen jungen Burschen, dann die noch arbeitsfähigen älteren Männer und Frauen ausgewählt. Es ging beinahe zu wie auf einem Sklavenmarkt und am Abend waren die meisten Menschen untergebracht.
„Wer nimmt schon eine Frau mit zwei kleinen Kindern auf, die nichts weiter besitzt als das, was sie am Leibe trägt?“ Sophie hörte ihre Mutter mit leiser Stimme weinen. Gerne hätte das Mädchen etwas Tröstendes gesagt, aber sie wusste ja das ihre Mutter recht hatte. Sie waren bislang nirgends willkommen gewesen, warum also sollte es hier anders sein?
In diesem Moment wurde die Tür aufgestoßen und ein Mann betrat den Wartesaal. Er war groß, besaß eine stattliche Figur und seine Hände waren so riesig wie Schaufelblätter. An den Füßen trug er lehmverschmierte Stiefel und seine grobe Kleidung wies ihn als Landwirt aus. Behäbig stapfte er in den Raum, sah sich nach allen Seiten um und näherte sich dann langsam der Bank, auf der Sophie neben ihrer Mutter und ihrem Bruder saß.
„Na, ihr seid wohl übrig geblieben?“ Er sprach mit tiefer Stimme.
„Mein Name ist Anna Schubert. Das sind meine Kinder, Sophie und Karl.“ Nachdem sie angesprochen worden war, war Sophies Mutter aufgestanden und hatte Haltung angenommen, beinahe wie ein Soldat, der Meldung bei seinem Vorgesetzen macht. Vielleicht war dieser Mann ihre letzte Chance doch noch bleiben zu können. „Ich bitte sie, nehmen sie zumindest meine Kinder auf. Wir kommen aus Ostpreußen und wissen nicht wohin wir gehen sollen. Ich will nichts geschenkt und werde für alles arbeiten. Im Haus oder auf dem Feld. Ein Platz in der Scheune würde uns schon reichen. Wir brauchen nicht viel, nur ein Dach über dem Kopf.“ Sie legte all ihre Verzweiflung in diese Worte und erneut rannen Tränen über ihre Wangen.
Ein Lächeln zog über das Gesicht des Mannes und mit einer einfachen Kopfbewegung deutete er sein Einverständnis an.
„Ich danke ihnen von ganzem Herzen.“ In Anna Schuberts Worten lagen Erleichterung und Erschöpfung zugleich. Ihre Tränen aber wandelten sich in diesem Augenblick von Tränen der Verzweiflung in Tränen der Hoffnung.
„Mein Name ist übrigens Kurt Wehrmann. Mein Hof liegt auf der anderen Seite des Dorfes und bis dorthin ist es ein gutes Stück zu laufen.“
Das macht nichts. Wir sind schon bis ans Ende der Welt und wieder zurück gelaufen, da werden wir die paar Schritte auch noch schaffen.“ Die gute Nachricht hatte Anna Schubert neue Kraft gegeben.
Als sie den Hof erreicht hatten erwartete die Schuberts eine Überraschung. Sie wurden nicht etwa wie Flüchtlinge, sondern wie Gäste empfangen. In der Wohnstube servierte die Frau des Bauern den Neuankömmlingen heißen Gemüseeintopf und frischgebackenes Brot. Während der Flucht hatten sie bestenfalls halb verfaulte Kartoffeln gehabt und oft genug waren ihre Mägen auch gänzlich leer geblieben. Auch die Unterkunft übertraf alle Erwartungen. Es handelte sich nicht etwa um einen Platz in der Scheune, sondern um ein Dachzimmer, in dem ein Bett, ein Tisch, zwei Stühle, ein Kleiderschrank und sogar ein Ofen stand.
„Ich weiß nicht wie ich das jemals wieder gut machen soll.“ In Anbetracht dieser Großzügigkeit kamen Anna Schubert erneut die Tränen.
„Ich kann mir vorstellen das sie und ihre Kinder Schlimmes durchgemacht haben und das, was noch vor uns allen liegen mag, ist dieser Tage auch mehr als ungewiss. Aber das letzte Fünkchen Menschlichkeit, das noch in uns steckt, sollten wir uns bewahren. Ganz sicher bin ich kein barmherziger Samariter, aber ich glaube dennoch das man jeden Menschen mit Respekt behandeln sollte, so wie man es sich auch für sich selbst wünschen würde.“ Mit diesen Worten hieß Kurt Wehrmann die kleine Familie endgültig in seinem Haus willkommen.

Das alles lag nun schon Monate zurück, der Krieg war mittlerweile vorbei und die Flüchtlinge hatten sich eingelebt. Anna Schubert arbeitete im Haushalt und auf dem Hof und hatte inzwischen sogar gelernt Kühe zu melken. Der kleine Karl war mit seinen vier Jahren noch sehr jung und hatte schon bald die zurückliegenden Strapazen vergessen. Nur Sophie konnte das Trauma der Flucht und den Verlust von Heimat und Vater einfach nicht verwinden. Oft saß sie stundenlang in einer Ecke und starrte ins Leere. Nur manchmal kam sie ein wenig aus sich heraus und dann blitzte für einen kurzen Moment die Unbeschwertheit auf, die einem Kind in ihrem Alter zu eigen sein sollte. Besonders dem Bauern war Sophie mit der Zeit sehr ans Herz gewachsen.
Das Mädchen tat ihm unendlich leid und er versuchte alles um sie aufzuheitern. So auch jetzt, als er behutsam an die Tür des Dachzimmers klopfte und sie damit einmal mehr aus ihren traurigen Gedanken riss.
„Möchtest du nicht zu uns nach unten in die Stube kommen? Gleich ist Bescherung und es gibt für alle ein Stück Stollen.“ Kurt Wehrmann sprach mit sanfter Stimme, in der ein besorgter Unterton lag.
„Nein, ich habe keinen Hunger. Und ein Geschenk will ich auch nicht, denn was ich mir wünsche kann mir niemand geben.“
„Das hatte ich mir schon gedacht und darum habe ich dir etwas mitgebracht.“ Der Bauer war neben Sophie getreten und hatte eine Hand auf ihre Schulter gelegt. „Hier, mein Kind.“ Er stellte das Geschenk auf die Fensterbank, so das ihr Blick nicht daran vorbeigehen konnte.
Ein lautes Schluchzen ertönte, als das Mädchen das kleine handgeschnitzte Holzpferd sah. Es ähnelte dem das sie verloren hatte. Sie hatte so oft davon erzählt, dass der Bauer es aus dem Gedächtnis heraus hatte nachfertigen können.
„Ich habe noch ein viel größeres Geschenk für dich, aber dafür musst du mit mir nach unten kommen.“
Das Mädchen sah den Bauern mit großen Augen an, als er nach ihrer Hand griff und sie mit sich zog. Sie stiegen die Treppe hinab und bogen dann nach rechts ab, um in die Wohnstube zu gelangen. Dort angekommen glaubte Sophie ihren Augen nicht zu trauen. Neben dem geschmückten Weihnachtsbaum stand ein Sessel und in diesem saß Hans Schubert. Hemmungslos weinend fielen sich Vater und Tochter in die Arme. In den vergangenen Monaten hatte Bauer Wehrmann Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um etwas über den Verbleib des Mannes zu erfahren, von dem er schon so viel gehört hatte. Tatsächlich war ihm nicht nur das gelungen, sondern er hatte es auch geschafft ihn selbst zu finden. Hans Schubert hatte seinerzeit den Aufbruch des Flüchtlingstrecks nur um wenige Stunden verpasst und war danach wochenlang der Spur seiner Familie gefolgt, bis er sie dann schließlich doch verloren hatte. Daraufhin hatte es ihn in ein Auffanglager für Flüchtlinge aus den Ostgebieten verschlagen und über eine Suchanfrage beim Roten Kreuz hatte Kurt Wehrmann ihn dort ausfindig gemacht...
 
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Jedem Tierchen sein Pläsierchen: Bei mir kommen hinter den Türchen heimische Vögel zum Vorschein. Ich bin gespannt, ob am 24. ein Engel erscheinen wird. Das sind ja auch Vögel.
 
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