M
Gast
(Gelöschter Account)
Was'n los?
Alle vom Moped g'falln?
Keine Heldenberichte oder sonstiges Motorradl-Lateinisches?
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Zum Aufwärmen:
Burkhard Straßmanns Motorradkunde
Heute besuchen wir ein Harley-Davidson-Treffen auf einer Wiese in der Nähe von Quakenbrück. Wir haben ein bißchen Angst. Harley-Davidson-Fahrer sind ja ganz harte Jungs. Ganzkörpertattoo, schnelle Fäuste. Schlimme Machos. Ein bißchen Vorbereitung kann nicht schaden.
Die erste Übung kann man mit der Gattin zu Hause machen. Man muß nur den Mut aufbringen, ihr zu sagen: "Hey, Torte, laß mal 'n Krefelder rüberwachsen!" Weil Torte nicht weiß, was ein Krefelder ist, wird man nicht sehr erfolgreich sein. Weiterüben!
Die zweite Übung: gehen, als hätte man sich in drei Tagen auf einem Pferderücken durch South Dakota eine offene Wunde zwischen den Oberschenkeln geritten. Dieser Gang ist auf einem HarleyDavidson-Treffen zwingend vorgeschrieben.
Dann kauft man sich schwarzen Tabak zum Drehen und ein schwarzes T-Shirt. Das darf ruhig über dem Bauch spannen. Ein feister Bauch gilt als männlich. Der Rest der Garderobe muß aus schwarzem Leder sein.
(Warnung: Wer - einer launigen Eingebung folgend - über die Lederjacke ein luftiges Westchen streift, auf dessen Rückseite zum Beispiel "Death Angels" oder "Black Rats" geschrieben steht, für den ist der Tag schneller vorbei als gedacht. Ein solches Westchen wird als Provokation betrachtet. Nur Brüder - "Bros" - dürfen Westchen tragen.)
Auf dem Weg nach Quakenbrück lassen wir Torte ans Steuer des Kleinwagens. Zur mentalen Vorbereitung studieren wir die aktuelle Ausgabe von Easyriders - Unterhaltung für die Männer unter den Bikern ("Alles über außergewöhnliche Untersätze und halbnackte Frauen"). Wir merken uns die einzig mögliche Antwort auf die Frage "Keine Bremse am Vorderrad?": "What for?!" Wir beachten den Literaturhinweis auf einen Leitfaden zum Arschverhau'n (Abwehrtechniken, Auswahl von Feuerwaffen und Training, Einschätzung von Bedrohungen, internationale Sicherheitsoperationen et cetera). Nach gründlicher Einschätzung der Bedrohung setzen wir Torte am Eiscafé "Venezia" ab.
Es dämmert schon. 500 Meter vor der fraglichen Wiese steht ein kleines Wäldchen. Hier verstecken wir unseren Kleinwagen neben anderen Kleinwagen. Ehemalige Motorradfahrer haben unter Laub ihre Cabrios versteckt. Ganz tief ins Unterholz drücken sich mehrere japanische Motorräder. Japanische Motorräder werden von Harley-Davidson-Fahrern zur Abendstunde gern mal kurz und klein geschlagen. Als hätten wir eine offene Wunde zwischen den Oberschenkeln, nähern wir uns der Wiese. Das Lied, welches wir jetzt summen sollten, heißt "Sympathy for the Devil". Was um Gottes willen ist eigentlich "Krefelder"? Mit klopfendem Herzen betreten wir die fragliche Wiese.
Jedes Harley-Treffen besteht aus Torten, einer langen Reihe von Harleys, einem Krefelderzelt, einer Musikanlage ("Sympathy for the Devil") und den gefürchteten Harley-Davidson-Fahrern. Wer ganz sichergehen will, daß ihm nicht Böses geschieht, stellt sich in einem Abstand von einem Meter vor eine Harley-Davidson und staunt. Wir wollen ganz sichergehen. Wir staunen über eine Harley-Davidson. Der Tank ist etwa daumennagelgroß. Der Kilometerzähler ist ein Meilenzähler. Es gibt kleine Platten am Vorderrad, so daß man die Füße hochlegen kann, was bei Krampfadern hilft. Da kommt der Besitzer. Schwarzes Leder, dicker Bauch, angetrunken (Krefelder). Wir stellen die einstudierte Frage: "Keine Bremse am Vorderrad?" Er, knurrend: "What for?!" Wir fühlen uns aufgenommen.
Er heißt Konrad, ist Polizeiobermeister aus Bramsche und weiß einen Mantawitz: "Warum steckt der Mantafahrer immer wieder seinen Kopf in die Friteuse? - Wer so fährt wie Niki Lauda, soll auch so aussehen!" Wir lachen herzlich und wie befreit. Wir lernen an diesem Abend noch vier Polizisten, zwei Rechtsanwälte, einen Architekten und zwei Maschinenbaustudenten kennen. Sehr kultiviert! Sie stecken uns Adressen mit ausgewählten TÜVs zu. Es gibt nämlich TÜV-Prüfer, die kennen die einzig wahre Antwort auf die Frage: "Keine Bremse am Vorderrad?"
Die Torte von Konrad heißt Gisela. Sie erzählt, wie Konrad darunter leidet, beruflich eine BMW fahren zu müssen. Eine BMW! Konrad photographiert seine Torte vor seiner Harley-Davidson. Entgegen allen einschlägigen Medienberichten entblößt Gisela ihren Oberkörper nicht.
Die Maschinenbaustudenten haben ein Lagerfeuer angezündet. Einer heißt Uli. Er hat eine Gitarre. Siebzig Harley-Davidson-Fahrer singen "Hohe Tannen weisen die Sterne". Sehr schön! Ergriffen singen wir mit. Gegen Mitternacht wagen wir's. Wir gehen zum Krefelderzelt und sagen: "Hey, Torte, laß mal 'n Krefelder rüberwachsen!" Zum Glück so leise, daß die Torte nichts hört. Also lauter, errötend, aber es ist dunkel: "Hören Sie, was ist das eigentlich: Krefelder?" - "Bier mit Cola, mein Schatz!" Hach, sind das erstklassige Torten hier! Prost, Bros!
© beim Autor/DIE ZEIT 1996 Nr. 31
All rights reserved.
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Burkhard Straßmanns Motorradkunde
Heute besuchen wir ein Harley-Davidson-Treffen auf einer Wiese in der Nähe von Quakenbrück. Wir haben ein bißchen Angst. Harley-Davidson-Fahrer sind ja ganz harte Jungs. Ganzkörpertattoo, schnelle Fäuste. Schlimme Machos. Ein bißchen Vorbereitung kann nicht schaden.
Die erste Übung kann man mit der Gattin zu Hause machen. Man muß nur den Mut aufbringen, ihr zu sagen: "Hey, Torte, laß mal 'n Krefelder rüberwachsen!" Weil Torte nicht weiß, was ein Krefelder ist, wird man nicht sehr erfolgreich sein. Weiterüben!
Die zweite Übung: gehen, als hätte man sich in drei Tagen auf einem Pferderücken durch South Dakota eine offene Wunde zwischen den Oberschenkeln geritten. Dieser Gang ist auf einem HarleyDavidson-Treffen zwingend vorgeschrieben.
Dann kauft man sich schwarzen Tabak zum Drehen und ein schwarzes T-Shirt. Das darf ruhig über dem Bauch spannen. Ein feister Bauch gilt als männlich. Der Rest der Garderobe muß aus schwarzem Leder sein.
(Warnung: Wer - einer launigen Eingebung folgend - über die Lederjacke ein luftiges Westchen streift, auf dessen Rückseite zum Beispiel "Death Angels" oder "Black Rats" geschrieben steht, für den ist der Tag schneller vorbei als gedacht. Ein solches Westchen wird als Provokation betrachtet. Nur Brüder - "Bros" - dürfen Westchen tragen.)
Auf dem Weg nach Quakenbrück lassen wir Torte ans Steuer des Kleinwagens. Zur mentalen Vorbereitung studieren wir die aktuelle Ausgabe von Easyriders - Unterhaltung für die Männer unter den Bikern ("Alles über außergewöhnliche Untersätze und halbnackte Frauen"). Wir merken uns die einzig mögliche Antwort auf die Frage "Keine Bremse am Vorderrad?": "What for?!" Wir beachten den Literaturhinweis auf einen Leitfaden zum Arschverhau'n (Abwehrtechniken, Auswahl von Feuerwaffen und Training, Einschätzung von Bedrohungen, internationale Sicherheitsoperationen et cetera). Nach gründlicher Einschätzung der Bedrohung setzen wir Torte am Eiscafé "Venezia" ab.
Es dämmert schon. 500 Meter vor der fraglichen Wiese steht ein kleines Wäldchen. Hier verstecken wir unseren Kleinwagen neben anderen Kleinwagen. Ehemalige Motorradfahrer haben unter Laub ihre Cabrios versteckt. Ganz tief ins Unterholz drücken sich mehrere japanische Motorräder. Japanische Motorräder werden von Harley-Davidson-Fahrern zur Abendstunde gern mal kurz und klein geschlagen. Als hätten wir eine offene Wunde zwischen den Oberschenkeln, nähern wir uns der Wiese. Das Lied, welches wir jetzt summen sollten, heißt "Sympathy for the Devil". Was um Gottes willen ist eigentlich "Krefelder"? Mit klopfendem Herzen betreten wir die fragliche Wiese.
Jedes Harley-Treffen besteht aus Torten, einer langen Reihe von Harleys, einem Krefelderzelt, einer Musikanlage ("Sympathy for the Devil") und den gefürchteten Harley-Davidson-Fahrern. Wer ganz sichergehen will, daß ihm nicht Böses geschieht, stellt sich in einem Abstand von einem Meter vor eine Harley-Davidson und staunt. Wir wollen ganz sichergehen. Wir staunen über eine Harley-Davidson. Der Tank ist etwa daumennagelgroß. Der Kilometerzähler ist ein Meilenzähler. Es gibt kleine Platten am Vorderrad, so daß man die Füße hochlegen kann, was bei Krampfadern hilft. Da kommt der Besitzer. Schwarzes Leder, dicker Bauch, angetrunken (Krefelder). Wir stellen die einstudierte Frage: "Keine Bremse am Vorderrad?" Er, knurrend: "What for?!" Wir fühlen uns aufgenommen.
Er heißt Konrad, ist Polizeiobermeister aus Bramsche und weiß einen Mantawitz: "Warum steckt der Mantafahrer immer wieder seinen Kopf in die Friteuse? - Wer so fährt wie Niki Lauda, soll auch so aussehen!" Wir lachen herzlich und wie befreit. Wir lernen an diesem Abend noch vier Polizisten, zwei Rechtsanwälte, einen Architekten und zwei Maschinenbaustudenten kennen. Sehr kultiviert! Sie stecken uns Adressen mit ausgewählten TÜVs zu. Es gibt nämlich TÜV-Prüfer, die kennen die einzig wahre Antwort auf die Frage: "Keine Bremse am Vorderrad?"
Die Torte von Konrad heißt Gisela. Sie erzählt, wie Konrad darunter leidet, beruflich eine BMW fahren zu müssen. Eine BMW! Konrad photographiert seine Torte vor seiner Harley-Davidson. Entgegen allen einschlägigen Medienberichten entblößt Gisela ihren Oberkörper nicht.
Die Maschinenbaustudenten haben ein Lagerfeuer angezündet. Einer heißt Uli. Er hat eine Gitarre. Siebzig Harley-Davidson-Fahrer singen "Hohe Tannen weisen die Sterne". Sehr schön! Ergriffen singen wir mit. Gegen Mitternacht wagen wir's. Wir gehen zum Krefelderzelt und sagen: "Hey, Torte, laß mal 'n Krefelder rüberwachsen!" Zum Glück so leise, daß die Torte nichts hört. Also lauter, errötend, aber es ist dunkel: "Hören Sie, was ist das eigentlich: Krefelder?" - "Bier mit Cola, mein Schatz!" Hach, sind das erstklassige Torten hier! Prost, Bros!
© beim Autor/DIE ZEIT 1996 Nr. 31
All rights reserved.