Kindesmißbrauch

Hallo Fritzie,

mag sein, dass ich mit dem Folgenden zum Teil daneben liege, weil ich Dinge hinein projiziere. Hau mir einfach auf die virtuellen Pfoten, wenn was nicht passt oder ich Dir zu nah trete.

Was ich da rauslese, ist, dass Du im Grunde noch nicht einmal die sexuellen Übergriffe als das Schlimmste empfunden hast, sondern das Verlassenwerden. Gewalt und Missbrauch waren Alltag, das kannst Du loslassen und verarbeiten. Aber Dein Bruder hat in dem Moment zusätzlich noch was anderes gemacht, er hat Dich im Stich gelassen. Das tut verdammt weh, wenn eine Bindung vorhanden ist und er zudem noch der einzige Mensch ist, der Dir so nahe steht. Zu der Pflegemutter hattest Du eine größere Distanz, zum Bruder hat die gefehlt. Wenn ich einen Menschen so dicht an mich heranlasse, kann er mich viel stärker verletzen, als jemand, den ich auf Abstand halte. Die Sehnsucht nach einer Bindung ist aber imho im Menschen drin, wir sind keine Einzelwesen. Dass Dich das heute noch so stark beschäftigt, heißt auch, dass da immer noch eine Bindung ist, dass Du noch einen Klärungsbedarf hast. Das Verhalten, das er gezeigt hat, war definitiv Scheiße und Du hattest jeden Grund, Dich verraten zu fühlen. Von ihm kannst Du nicht wirklich etwas erwarten.

Die Frage ist nur, was Du für Dich tun kannst, um damit besser zurecht zu kommen. Möglichkeiten, wie z. B. ihm Dein Erleben der damaligen Situation in einem Brief zu schildern, kennst Du sicher. Manchmal hilft es schon, für sich selbst klar zu bekommen, was man empfunden hat, welche Wut da heute noch ist, und das in eine Ich-Botschaft zu bringen. Das fällt nicht immer ganz leicht, weil da erstmal das "Du Arschloch" steht. Das schützt vor dem Erkennen der eigenen Verletzung. Solange ich "Du Arsch" sagen kann, kann ich meine Verletzung draußen lassen. Wachsen kann ich dann, wenn ich hinsehe, wie es mir dabei geht. Früher fand ich diese Geschichten mit dem "inneren Kind" erstmal etwas befremdlich. Aber häufig hilft es. Ich glaube, dass es nicht darum geht, abzuwägen, wer schlimmer gehandelt hat. Was wichtig ist, ist wie es Dir damit gegangen ist und heute noch geht.

Deinen Gedanken, das, was Dir geschehen ist, anzunehmen, finde ich nicht verkehrt. Das "entschuldigt" niemanden. Alle Beteiligten haben sich in den konkreten Situationen Dir gegenüber wie Arschlöcher verhalten. Jeder hatte sicher seine eigene Geschichte vorher. Für Dich hat das keinen Unterschied gemacht, höchstens, dass Du in einer Form von Co-Erkrankung "Entschuldigungen" für die Täter gesucht hast, weil Du von ihnen abhängig warst. Aber der Schritt, anzunehmen und zu erkennen, dass Du daran auch gewachsen bist, ist wichtig. Du bist ja nicht mehr in der Opferrolle, Du hast Dich auch schon damals zum Teil mit Erfolg dagegen zur Wehr gesetzt. Ich kenne Dich nicht, aber aus dem, was Du schreibst, traue ich mich zu schließen, dass Du das bisher gemeistert hast und mittlerweile an einem Punkt angelangt bist, an dem Du Deine Verletzungen heilen kannst. Du bist keine zwölf mehr und Du hast in Dir einen Halt gefunden, den Dir damals Dein Bruder nicht gab. Und dieser Selbsthalt ist die Voraussetzung, dass Du Dich den alten Verletzungen stellen kannst.

LG
 
und über die Folgen seiner Handlungen kann er sich sicher nicht so im Klaren gewesen sein, wie das als Erwachsener möglich gewesen wäre.
Dass dich das sehr belastet, kann ich mir gut vorstellen. Ich glaub, du würdest sicher gern wissen, ob dein Bruder auch über seine Vergangenheit nachdenkt! Ob er das überhaupt will, oder ob er es verdrängt oder verdrängen will! Vergessen wird er es sicher nicht, aber ob er das auch selber für sich aufarbeiten will, ist auch nicht einfach.
Ich glaub, jeder Mensch denkt mal über sein Leben nach, was er falsch gemacht hat. Ob man dann den Mut hat darüber ehrlich zu sprechen, hängt vom Charakter des Betroffenen ab.
DU hast den Mut gefasst über dein Leben zu schreiben;..Das hat dir auch innerlich eine Erleichterung gebracht und du brauchst irgendwann dann nicht mehr darüber nachzudenken!
Ich würde dir sehr wünschen, dass dein Bruder auch über sein Leben gründlich nachdenkt!

Dann sehe ich für Euch die Möglichkeit, irgendwann darüber reden zu können!
Der Idealfall wäre dann, dass ihr euch verzeiht! :hmm:
 
Dann sehe ich für Euch die Möglichkeit, irgendwann darüber reden zu können!
Der Idealfall wäre dann, dass ihr euch verzeiht! :hmm:



Kannst du mir irgend einen logischen Grund dafür nennen, warum ich das wollen sollte? Ich hab weder das Bedürfnis, ihn jemals wieder zu sehen, noch das, mit ihm wieder regelmäßigen Kontakt zu pflegen.
 
Dass dich das sehr belastet, kann ich mir gut vorstellen. Ich glaub, du würdest sicher gern wissen, ob dein Bruder auch über seine Vergangenheit nachdenkt! Ob er das überhaupt will, oder ob er es verdrängt oder verdrängen will! Vergessen wird er es sicher nicht, aber ob er das auch selber für sich aufarbeiten will, ist auch nicht einfach.
Ich glaub, jeder Mensch denkt mal über sein Leben nach, was er falsch gemacht hat. Ob man dann den Mut hat darüber ehrlich zu sprechen, hängt vom Charakter des Betroffenen ab.
DU hast den Mut gefasst über dein Leben zu schreiben;..Das hat dir auch innerlich eine Erleichterung gebracht und du brauchst irgendwann dann nicht mehr darüber nachzudenken!
Ich würde dir sehr wünschen, dass dein Bruder auch über sein Leben gründlich nachdenkt!

Dann sehe ich für Euch die Möglichkeit, irgendwann darüber reden zu können!
Der Idealfall wäre dann, dass ihr euch verzeiht! :hmm:



Ich hab ja schon lange nicht mehr mitgelesen, aber ich denke sie will vieles aber sicher ihm nicht verzeihen. Eher das Gegenteil. Ausserdem so viel Mut gehört nicht dazu über solche Dinge zu schreiben. Schreiben fällt den meisten leichter, sogar das reden ist nicht so schwer. Nur flash backs sind scheiße. Also meiner Erfahrung nach. Oft tut es einfach nur gut, alles auf zu schreiben zu Wort zu bringen. Es jemand zu lesen zu geben, nur um es zu teilen. Die Last ein wenig leichter machen.
 
Kannst du mir irgend einen logischen Grund dafür nennen, warum ich das wollen sollte? Ich hab weder das Bedürfnis, ihn jemals wieder zu sehen, noch das, mit ihm wieder regelmäßigen Kontakt zu pflegen.
Der einzige Grund wäre, dass du dann weißt, wie er darüber denkt!
Voraussetzung dafür wäre, dass eben dein Bruder sein Leben (euer Leben) auch für sich aufgearbeitet hätte! Da wäre sicher einiges zu klären.
Hoffentlich verstehst du mich jetzt nicht falsch. Wir alle haben deine Sichtweise kennengelernt und wer kann, wird dir auch sicher helfen wollen! Du hast viel über dein Leben geschrieben, sodass man sich ein Bild davon machen kann, wie es dir geht! Was mir persönlich aber irgendwie fehlt, wäre die Meinung deines Bruders über seine Fehler!
Ob du selbst daran Interesse hast, seine Version über die Vergangenheit zu erfahren, kann ich nicht beurteilen! Ob du es überhaupt erfahren willst, kannst auch nur du entscheiden.
Ich will dir keinesfalls damit noch mehr Sorgen machen, sondern es war nur ein Gedanke von mir! :hmm:
 
Ich hab ja schon lange nicht mehr mitgelesen, aber ich denke sie will vieles aber sicher ihm nicht verzeihen. Eher das Gegenteil. Ausserdem so viel Mut gehört nicht dazu über solche Dinge zu schreiben. Schreiben fällt den meisten leichter, sogar das reden ist nicht so schwer. Nur flash backs sind scheiße. Also meiner Erfahrung nach. Oft tut es einfach nur gut, alles auf zu schreiben zu Wort zu bringen. Es jemand zu lesen zu geben, nur um es zu teilen. Die Last ein wenig leichter machen.

1. Zwischen wollen und können ist ein Unterschied
2.Brauchts für dich keinen Mut, dein Privatleben hier zu schreiben?
3. Ich tu mir beim Reden leichter, als beim Schreiben
4. wenn man einfach nur schreiben will, um zu schreiben, dann schreibt man am besten einen Roman
5. Akzeptierst du keine anderen Meinungen?
 
...
Aber ehrlich: er war damals schon mehr als der ältere fähig, sehr bewußt und kalkuliert zu handeln. Wenn ich jetzt an ihn denke, ist da ein kalter Kloß, ein unglaublich dumpfer Zorn, an dem ich noch gehörige Zeit zu kauen haben werde. Er hat vielleicht wegen seiner Vorgeschichte so eine Entwicklung genommen, gar keine Frage, und über die Folgen seiner Handlungen kann er sich sicher nicht so im Klaren gewesen sein, wie das als Erwachsener möglich gewesen wäre. Nur: sich um die kleine Schwester kümmern, mit ihr reden, spielen, den Beschützer spielen, um sie in dem Moment, wo die Verweigerung von Sex eintritt, sie wie eine heiße Kartoffel fallen zu lassen... so handelt ein Arschloch, ein Egoist, dem es scheißegal ist, daß andere Menschen Gefühle haben.

Damit komm ich nicht gut klar.

Du erkennst, dass er ein Täter, ein Leichenfledderer, ein Kriegsgewinnler, ein Arisierer, ein Arschkriecher, - ein gewissenloser und moralisch toter Nehmer gewesen sein muss.

Du hast ihn anders gesehen und erlebt.

Du bist betrogen und verlassen worden.

Von dir selbst.

Du hast dich absolut und zu hundert Prozent getäuscht.

Die Solidarität und das Gemeinsame war Ausnützen der Situation.

......


Oder?
 
Boah ihr macht mich hier echt fertig.
Seit Tagen sitz ich da schreibe und lösche und schreibe und lösche....
Alles was ich sagen möchte würde nicht in einen Post passen (bei weitem nicht)
und dennoch drückts und drückts und ....
Es regt an zum Nachdenken das und nur das möchte ich hier jetzt mal sagen!!
Und ich danke unserer fritzie hier ganz lieb für ihre Offenheit!!
Mehr so banal das auch sein mag kann ich immer noch nicht sagen.
 
Ja. Hast wohl das "Wespennest" getroffen.

Dann fehlt nur noch die Königin. :cool:

Ich empfehle übersiedeln statt ausräuchern. Ökologisch statt Feuerwehr.

:hmm: ..ist es die Erniedrigung heute? Die Erniedrigung die sich wie Erhöhung anfühlte damals? Ist es der Stolz, der wie einst Hagen der Tronjer zum Letzten aufrecht blieb?

Ich glaube, du musst das Mädchen, das junge verletzliche, suchen, das du vielleicht nie gelebt hast. Die verlorene Masche aufnehmen.
 
Ihr habt mir viele Denkanstöße gegeben, hat mich weitergebracht. Dafür möcht ich euch allen danken.

Will das Thema jetzt erstmal ruhen lassen, ich glaub den Rest muß ich wirklich für mich selbst auf die Reihe kriegen, noch mehr "Input" vertrag ich zur Zeit nicht mehr. Nochmal danke!
 
Ihr habt mir viele Denkanstöße gegeben, hat mich weitergebracht. Dafür möcht ich euch allen danken.
Will das Thema jetzt erstmal ruhen lassen, ich glaub den Rest muß ich wirklich für mich selbst auf die Reihe kriegen, noch mehr "Input" vertrag ich zur Zeit nicht mehr. Nochmal danke!

Ich möchte dir auch danken. Denn diese "Anstöße" sind ja, wie der Impulssatz schon sagt, nie nur einseitig. Zumindest bei mir. Ja, ist Zeit für ruhigere Fahrwasser. Die nächsten Schnellen kommen bestimmt - da gilt es schon wieder vorbereitet zu sein und aus den jüngsten Turbulenzen etwas mitgenommen zu haben.

;) :daumen:

ps - trotzdem, noch nicht alles gelesen. Aber - läuft ja hoffentlich nicht weg.
 
Ich habe gerade etwas über - nicht sexuellen - Missbrauch von Heimkindern gelesen, aber irgendwie passt er doch hier her, es rundet das Bild "eines Heimkindes" Ende der 60er Jahre ein wenig ab: Heimkinder mussten in den 60er Jahren - mehr oder weniger unbezahlt - für einen internationalen Konzern arbeiten. Nicht in Mosambique oder Rumänien, in Tirol. Einen Bericht gibt es heute im Kurier.

Wer übrigens auch nur annähernd von solchen zuständen betroffen ist sollte es vermeiden, die "Forumsbeiträge" dazu zu lesen: es könnte ihm bei manchen übel werden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Diese "Sichtweise" ist mir viel zu lasch.

Erstmal fällt es mir schwer zu glauben, dass ein Traumatisierter das als schreckliches Trauma sieht. Soll heißen: ich kann mir nicht vorstellen, dass Betroffene ihre Traumata als solche einordnen können, oder sich lieber dafür entscheiden können das alles als "blöd gelaufene Erlebnisse" zu canceln imstande sind. Dann könnten sie's ja gleich genausogut überhaupt ad acta legen.

Und wenn ich mir vorstelle, dass meine einzigen zwei Bezugspersonen in einer solchen Institution meine beiden älteren Brüder sind, und die mir als diese Bezugspersonen derartiges antun....
Umstände, Umgebung,... alles ablolut alles andere als optimal. Und zugegebener Maßen können sich da viele Prioritäten dahingehend "verschieben", dass es für Außenstehende (so auch ich einer bin) nur schwer vorzustellen sein mag, was in diesem Zuge alles plötzlich im Vordergrund steht. Stehen muss.
Und trotzdem kann ich dem Verhalten der Brüder absolut keine "mildernden Umstände" zugestehen! Geht gar nicht!

Wenn ich mich (so wie hier) als kleine Schwester vorwiegend an meinen Brüdern orientieren kann, mich auch in gewissem Maße auf deren Schutzfunktion verlassen kann/muss, dann sind sogar "einvernehmliche sexuelle Handlungen" seitens der Brüder nicht zu tolerieren. Zumindest für mich nicht.
Der hier stattfindende Sex ist in diesem Szenario nicht als Sex als solcher zu werten. Das ist eine Art Bezahlung für ein klein wenig "Verteidigung gegen die böse Umgebung", etwas, was die kleine Schwester als Gegenleistung einzubringen imstande war, und deshalb unter jeglicher, mir vorstellbarer milder Gesinnung minimal immer noch als Schutzgeld zu werten ist.
Und damit schieße ich schon über meine Toleranzgrenze des guten Willens mächtig hinaus.

Bis hier hab ich einmal alles gelesen..und es ist schrecklich für mich, und vollkommen unvorstellbar.
Aber genau da und dein Beitrag, deine Sicht der Dinge, sind entscheidend, man kann und sollte, nicht die Schuld bei den Kindern suchen.
Für fritzie sind sicher viele Details, immens wichtig...Vorkommnisse innerhalb der 3er Gruppe, die ich nicht im Detail kenne, doch sie verstellen den Blick auf die wirklichen Verursacher.

Im Prinzip gebe ich dir recht..."mildernde Umstände" für die Brüder und auch fritzie, da beginnt für mich der Widerspruch...den sie sind Kinder, die in einer Extremsituation leben müssen...da von "Prostitution" zu sprechen ist glaube ich weit daneben...es ist aus meiner Sicht ein Schrei nach Liebe und Zuneigung, von allen 3...wenn ich schon wen verurteilen möchte, dann sind es die Erwachsenen..von den Eltern konnte ich bisher nichts lesen oder den Umständen warum sie in eine solche Istitution geraten sind, wie sollten sie die Übergriffe der Pflegeeltern damals einordnen...so absurd es jetzt klingen mag...aber ich glaube sie sahen nichts falsches darin...denn das heutige Wissen fehlte ihnen...
 
Max, zwar unabsichtlich, aber selbst provoziert. Für mich ist das Thema derzeit höchstens insofern "aktuell", daß es mir seitdem sehr gut geht, dazu hat dieser Thread mir verholfen.

:winke:
 
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