Was mich an den Piraten am meisten stört, ist ihr Umgang mit geistigem Eigentum. Alles soll frei erhältlich sein ohne Rücksicht auf Verluste. Ich bin sehr dafür, dass geistiges Eigentum im Internet, aber nicht nur dort, geschützt wird.
Was soll "geistiges Eigentum" sein? Wie wird der Innovationsgrad gemessen und wie wird dieses Eigentum von den Ideen anderer abgegrenzt, die sich mit dem selben Thema und den selben Quellen auseinander setzen und damit zu vergleichbaren Ergebnissen kommen?
Die Problematik hast du bei Kunst (
http://www.youtube.com/watch?v=oOlDewpCfZQ) genauso wie bei der Wissenschaft. Eine Diss besteht heute oft zu einem großen Teil aus Zitaten und Literaturverweisen, die neu zusammengestellt sind und deren Konklusio eigentlich auf der Hand liegt.
Im Sinne der Memetik (vgl.
Richard Dawkins) und mit Rücksicht darauf, dass das Gehirn ein Assoziationsspeicher ist sowie unter dem Licht des Inkompatibilitismus kann es solches "geistiges Eigentum" nicht geben, da jede geistige Neuentwicklung in Wahrheit auf der geistigen Leistung der Vorbilder aufbaut.
Es ist für die intellektuelle Weiterentwicklung geradezu dramatisch nachteilig, wenn bestimmte Denkrichtungen und Memkomplexe quasi verboten werden und damit das Weiterdenken eingeschränkt wird.
Ich meine, das Patentwesen für Erfindungen, deren Entwicklung einen nennenswerten zeitlichen und/oder materiellen Aufwand bedeutet, genügt zur wirtschaftlichen Absicherung der Ideenentwickler. Das was mittlerweile unter dem Sammelbegriff "Schutz geistigen Eigentums" firmiert ist hingegen weit überzogen. Hätten die Aufklärer vergangener Jahrhunderte ihre Gedankenleistung ebenso proprietär gehalten, wären wir heute in einem sehr engen Korsett erlaubter Gedanken und entgeltpflichtiger Nutzung von Ideen eingesperrt. Freie Entwicklung egal welcher philosophischer oder technischer Ausprägung wäre nicht mehr möglich.
In Wahrheit steht hinter dem Wunsch, geistiges Eigentum abgelten zu lassen oft das wirtschaftliche Kalkül von Rechteverwertern, die mit dem geistigen Entwickler nicht ident sind. In einem Interview hat etwa
Janosch, Kinderbuchautor und Erfinder der Tigerente gemeint, dass der Profit seiner Bücher größtenteils vom Verlag aufgesogen wird und er selbst aufgrund der für ihn nachteiligen Verträge, die er am Beginn seiner Laufbahn als unbekannter Autor abgeschlossen hat nur geringen Nutzen davon hat.
In der aktuellen EU-Politik fällt das Thema geistiges Eigentum vor allem im Zusammnehang mit ACTA und Co auf, wobei bei näherem Hinsehen die Contentindustrie federführende Lobby bei der Neuregelung ist, ähnlich wie Banken die EU-Geldpolitik bestimmen.
Mit den Piraten habe ich mich noch zu wenig beschäftigt, ich weiß nicht, wie dieses Posting zu deren Einstellung relevant ist, aber die aktuelle Einstellung der Politik zu diesem Thema halte ich für einseitig und lobbylastig. Der wissenschaftliche Wissensaustausch und die künstlerische Befruchtung werden durch "geistiges Eigentum" massiv behindert.