Wir sollten nicht in allgemeine Debatten über die Ungerechtigkeit der Welt abgleiten und darüber, dass es sich die Großkopferten immer richten können. Das können sie (sofern sie es können) mit oder ohne Verjährung.
Verjährung von Straftaten ist keine Errungenschaft unseres liberalen Strafrechts, sondern hat eine Tradition, die weit zurückreicht. Verjährung hat es immer schon gegeben. Und auch die Frage ist nicht neu:
Warum eigentlich?
Angenommen es gäbe den
§ 57 StGB nicht. Würden wir Bedarf sehen ihn einzuführen? Mit welchen Gründen?
Dagegen spricht zuerst einmal, dass es die präventive Wirkung der Strafandrohung untergräbt, wenn man dem potenziellen Täter in Aussicht stellt straffrei zu bleiben, wenn er sich lange genug nicht erwischen lässt. Allerdings sind die Verjährungsfristen doch so hoch, dass man davon ausgehen kann, dass die allermeisten, die innerhalb der Verjährungsfrist nicht erwischt werden, sowieso nicht mehr erwischt würden.
Das könnte auch ein pragmatischer Grund für die Verjährung sein: Man kann einen Schlussstrich ziehen unter Fälle, die nicht innerhalb einer gewissen Zeit geklärt werden konnten. Man wird dadurch einfach Altlasten los, bei denen die Aussicht auf Aufklärung ohnehin schon gering ist, und kann sich auf aktuelle Straftaten konzentrieren.
Ein Aspekt wird sein, dass eine Strafe als gerecht und sinnvoll empfunden wird, wenn zwischen Tat und Strafe ein gewisser zeitlicher Zusammenhang besteht. Es wird einfach als komisch empfunden, wenn die Strafe nicht unmittelbar auf die Tat sondern erst irgendwann in ferner Zukunft folgt, wenn die Tat emotional historisiert ist, also die Erinnerung an die Tat und die emotionale Betroffenheit längst verblasst sind.
Ein praktischer Grund ist, dass mit größerer zeitlicher Distanz die Rekonstruktion des Tathergangs und damit die Beweisbarkeit der Tat schwieriger wird. Zeugen erinnern sich schlechter, Beweisstücke sind nicht mehr auffindbar, Behauptungen der Anklage oder Verteidigung darüber, wie Sachverhalte damals waren, sind nicht mehr überprüfbar etc. Das ist auch ein Argument gegen den Aufschub der Verjährung bei sexuellem Missbrauch von Minderjährigen: In den meisten Fällen wird dann Aussage gegen Aussage stehen und der tatsächliche Sachverhalt nicht mehr aufzuklären sein und davon hat auch niemand etwas.
Ein weiteres ist das Resozialisierungsargument. Wenn jemand einmal etwas anstellt und dann nicht mehr, wer hat dann etwas davon, wenn das irgendwann noch einmal ausgegraben und damit eine bürgerliche Existenz gefährdet wird? Wer hat etwas davon, wenn ein Familienvater in den Knast muss, weil er irgendwann in seiner Jugend einmal etwas angestellt hat?