... frage ich mich einfach was das Thema Vergewaltigung vom Thema Folterspiele vom Thema Fesselspiele usw. unterscheidet. Dort stelle ich das eher selten fest.
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- Warum gibt es (subjektiv gefühlt) mehr Leute mit ablehnender Haltung diesem Thema gegenüber als z.b. zu anderen Dominanzthemen
- Warum fällt es jemandem schwer der selbst real davon betroffen war, dass die jeweilige Person das für sich als Spielart gut findet
Zumindest in unseren Breitengraden dürfte Vergewaltigung wesentlich häufiger und beiläufiger stattfinden als Folter. Dem entsprechend bezweifle ich, daß Vergewaltigungsfantasien tatsächlich seltener vorkommen sollen - es wird vermutlich nur weniger zugegeben, gerade von Frauen, die das als "Kopfkino" beim Sex verwenden. Es ist eine so reale Bedrohung, daß es mir auch logisch erscheint, daß "nach außen" eine deutlich stärkere Distanzierung notwendig ist als gegen Fantasien von Gewalt, die eigentlich nicht greifbar, weil irgendwo ganz weit weg passieren, aber unsere Wirklichkeit nicht berühren.
- Warum fällt es jemandem schwer der selbst real davon betroffen war, dass die jeweilige Person das für sich als Spielart gut findet
Ich war von sehr vielen Dingen, wie sie im BDSM ausgelebt werden, als echtes Opfer betroffen. Seien es Demütigungen, den Verlust der körperlichen Autonomie, auch den Verlust von Privatsphäre (die Organisation, in der ich aufgewachsen bin, hat zu meiner Kinderzeit eine Art Öffentlichkeitsarbeit in Form von Medienberichten, Besuchen durch Spender, Spendengalas usw. veranstaltet, Besucher trabten regelmäßig durch's Haus, tätschelten uns Kindern wie Tierheimbewohnern den Kopf, sahen sich alles an bis in die Schlafstuben, holten uns zu Weihnachst- und sonstigen Feiern ab, um uns wieder abzugeben - Bezug zu solchen "Verleih- und Auslieferungsspielen", die im BDSM oft beschrieben werden, wenn ein Dom seine Sub benutzen läßt sind da schon sehr heftig) usw. Will's jetzt nicht zu ausführlich werden lassen - ich denke mal, die meisten wissen, daß sehr viele BDSM-Praktiken in der Realität zerstörerisch wirken und von kaum jemandem gesund überlebt werden.
Ich hab sie überlebt, aber natürlich nicht folgenlos. Warum fällt es schwer, solche Dinge noch unvoreingenommen zu betrachten: genauso gut kann ich fragen, warum jemand, der mal von 'nem Hund gebissen worden ist, je nach Bewältigung die Straßenseite wechselt oder anfängt, in Panik zu geraten, wenn sich ihm ein Hund wieder nähert.
Gewalt verletzt nicht nur den Körper - körperliche Verletzungen heilen i.d.R. sehr schnell wieder. Es verändert die gesamte Psyche. Du fängst an, dem Täter zu "glauben", solche Dinge ätzen sich ins Hirn auf eine Weise ein, die sich in Albträumen, in selbsschädigenden Verhaltensweisen, in Selbstverletzungen, in Panikattacken usw. fortsetzen, für viele bis ans Lebensende. Da ist ein unbefangener oder auch nur neutraler Umgang mit solchen Themen nicht mehr möglich. Es verändert auch die Art, wie du von anderen wahrgenommen wirst - ist so eine Art Wechselwirkung. Wenn dir Leute von ihrer Vergangenheit erzählen - das tut fast jeder - wie es war, in der Schule 'nen doofen Lehrer zu haben oder wie nervig Tante Elfriedes Besuche immer waren oder daß zu Weihnachten immer Plätzchen gebacken wurden - dann wird das als normal empfunden. Wenn du aber erzählst, daß es für dich normal war, bei trocken Wasser und Brot im Keller zu hocken oder mit Stockschlägen aus dem Schlaf gerissen zu werden, dann wirst du mit einer Mischung aus Ungläubigkeit, Mitleid und einer Art peinlicher Verlegenheit angesehen, als hättest du selbst auf's glänzende Parkett vom Kanzleramt gekotzt - über solche Dinge spricht "man" nicht. Das heißt: dir wird durch echte Gewalt auch in gewisser Weise deine Gegenwart und Zukunft genommen, du kannst solche Dinge also entweder für dich behalten und einen wesentlichen Teil deiner selbst auf Lebenszeit verstecken, oder du kannst offensiv damit umgehen und wirst dann halt damit leben müssen, daß andere dich nicht mehr unbefangen und normal behandeln und dich auf das, was du überlebt hast, reduzieren.
Du willst wissen, warum es dann schwer fällt, ganz tolerant und locker damit umzugehen, daß andere das, was dich selbst so massiv verletzt und vielleicht sogar zerstört hat, spielerisch umsetzen und gut finden (fällt mir jetzt schwer, die Frage wirklich als ernsthaft zu empfinden, aber ich versuch's): weil eines der Dinge, die frühere Opfer in oft jahrelangen, quälenden "Trainings" (Therapien) wieder neu lernen müssen, darin besteht, die eigenen Grenzen, die so massiv verletzt worden sind, zunächst wahrzunehmen, dann auch noch zu begreifen, daß sie ein
Recht haben, diese Grenzen zu ziehen und sogar einzufordern (das setzt die Einsicht voraus, daß man selbst vielleicht doch mehr Wert ist als nur ein Haufen Dreck - auch diese Erkenntnis kann beängstigend und höllisch schmerzhaft sein) UND darüber hinaus auch noch zu erkennen, daß das Waffenarsenal auf Nachbars Grundstück nicht über den eigenen Gartenzaun steigen wird, obwohl die früheren Erfahrungen einen doch das Gegenteil gelehrt haben.