Interessanterweise findet man die Selbstdarstellung und Anspruch auch unter Kindern. Ich arbeit mit Kindern von sechs bis 16 Jahre, hab also durchaus einen guten Einblick in bestimmte Verhaltensweisen.
Was aber sicher Kinder und junge Menschen habe, ist eine gewisse Leichtigkeit, eine Unbeschwertheit, die vernehmen wir "Alte" als anspruchslos. Bei näherer Betrachtung ist das aber überhaupt nicht so. Sobald Kinder sich ihrer eigenen Individualität bewusst sind, beginnen sie im Konkurrenzkampf zu sein. Sei es beim Lernen, materiellen Dingen, Hobbies oder Interessen, es fängt verdammt früh an. Aber was ihnen noch fehlt, ist das Scheitern, der Verlust und natürlich die Verantwortung - im Gegenzug haben sie kaum Freiheiten. Sie sind also noch primär fremdbestimmt. Und natürlich zeigen bereits Kinder ihre Marken-Klamotten oder Schulsachen von namhaften Unternehmen. Natürlich wollen sie sich abheben von der Masse und man konkurriert mit Anderen, wer hat den neuesten Guess-Pullover oder Desigual Rucksack etc. Die Selbstdarstellung ist ein wichtiger Punkt um seinen Platz in der Gemeinschaft zu finden. Noch wissen die Kleinen nicht, dass sich so ein Platz auch schnell verändern lässt, aber die Erfahrung wird sie das lehren.
Mit zunehmendem Alter wachsen all diese drei Komponenten (Verantwortung, Scheitern, Verlust ...). Durch die zunehmende Freiheit wachsen auch Eigenverantwortung und die Ansprüche verlagern sich. Sie sind im gleichen Maße noch vorhanden, wie im Kindertagen, nur bekommen sie neue Erfahrungen hinzu. Scheitern, Verlust, Ängste, Materielles, diverse Probleme, die durch äußere Umstände entstehen, verändern die eigene Perspektive. Im Grunde verstärken sich mit der zunehmenden Erfahrung auch das eigenen Anspruchsdenken. Man glaubt, dass jemand, der einem sozial nicht ebenbürtig ist, das eigene Leben bremst. Mag in mancherlei Punkte sogar stimmen, aber es ist eine Illusion und Wunschdenken, denn eines ist Gewiss: Es gibt immer jemand, der besser, fescher, gesünder, erfolgreicher, wohlhabender, intelligenter etc. ist. Und das ist bei Vielen auch der Crux. Erst mit zunehmenden Alter können wir den Fehler im System erkennen, wenn wir denn wollen. Wir müssen nicht so sein, wir können über den Tellerrand schauen und unser Anspruchsdenken verändern. Wir müssen nicht die Geilsten oder Besten sein, nein, es reicht schon, wenn wir auch nur 80% super sind. Wir können Partner haben mit Spleens und Eigenheiten und auch welche mit Schönheitsfehlern. Wir können auch weniger besitzen und uns nicht über materielle Dinge definieren.
Älterwerden hat weit mehr Vorteile, als jung zu sein. Im Leben geerdet zu sein, hat viele Vorteile. Wichtig dabei ist nur, dass wir nicht erstarren und denken, dass das, was wir vielleicht erreicht haben, das ultimative Ziel ist. Und auch, wenn wir glauben, ein bestimmtes Beuteschema zu haben, oft kommts eh anders als man denkt.
Spannender finde ich, neugierig wie Kinder zu bleiben, sich für andere zu freuen, wenn ihnen was Gutes passiert (auch wenn es einem selbst mal nicht so gut geht) und einfach das eigene Glück in so manch großen und kleinen Dingen finden. Dann sind Themen wie Anspruchsdenken oder Selbstdarstellung obsolet, weil - wer mit sich im Reinen ist, brauch keine Show zu veranstalten, um gesehen zu werden - er/sie ist sichtbar ...