Anna aus der Ukraine
Am besten sagt man, was der Fall ist.
Am Anfang war Enttäuschung.
Steht der Termin? Ja, er steht.
Bin ich unterwegs? Ja, ich bin.
Kurz darauf fragt sie, ob ich noch zehn Minuten zuwarten kann.
Ich kann.
Ich umrunde einmal den Häuserblock, und dann:
I’m sorry I can’t meet with you.
Das Gefühl ist unangenehm in der Bauchhöhle.
Weitere Nachrichten folgen:
So sorry!
Weinende Emojis.
I did not want this!
Etwas in mir sagt mir, nicht aufzugeben. Sie spricht mich nicht mit
Baby an, vielleicht gibt das ja den Ausschlag.
- Ok Anna, dann komme ich noch einmal in einer Stunde. Passt das?
-
Oh yes. Please come!
In einer Art Weinschenke für Betuchte auf der anderen Seite der Wien gönne ich mir einen Pinot Grigio und ein (bitte knoblauchfreies!) Carpaccio und töte so die Zeit.
Eine Stunde später läute ich bei Anna an, und schon bin ich mit ihr im kleinen dunklen Vorraum des Studios in der Kaunitzgasse 16 C.
Wärme, Ruhe, Frau.
Anna ist eine sehr schöne dreißigjährige Prostituierte, milde und gleichzeitig ein wenig abgekämpft. Sie hat bis jetzt gearbeitet, das versucht sie nicht zu überspielen. Die Fotos auf dem bekannten Anzeigenportal zeigen sie richtungstreu. Ich erkenne sie wieder, aber im echten Leben entfalten sich andere Dimensionen: Erwachsene Sanftmut hat das stupsnäsige Allmachtsgefühl verdrängt. Ja, es tut sich etwas zwischen den Zwanzigern und Dreißigern.
Annas schön geschwungener Körper lädt ein. Ich bezahle 130 Euro für eine halbe Stunde. Was ich dafür bekomme ist Hingabe. Ein großes Wort mit großer Bedeutung. Anna fragt, ob ich sie gerne küssen würde. Statt zu antworten umrahme ich sanft ihren schönen Kopf mit dem Goldhaar und betue sie mit einem vorsichtigen Kuss, aus dem rasch ein hilflos klammerndes Verschlingen wird.
Ich gebe noch 50 Euro für Französisch ohne Gummi, und sie kuratiert zärtlich mein Verlangen mit dem Mund. Ich halte ihr das Goldhaar aus der Stirn, ein friedvoller und tief emotionaler Moment.
Wärme, Ruhe, Frau.
Dann präsentiert sie sich mir auf dem Rücken und ich liebkose ihre Vagina. Es gelingt mir, sie zum Höhepunkt zu bringen, ich habe mein Genießen auf sie übertragen können.
Mit ihr in meinem Gesicht küsse ich sie danach wieder. Wir küssen uns, und wir küssen uns zurecht, bis wir in der einen Position sind. Der verpönten. Der langweiligen. Aber dafür so reinen. Ich will ficken, denn zum Liebe machen sind wir beide zu realistisch. Eigentlich.
Aber es passiert etwas mit mir.
Es ist zart und es ist intim.
Ich kann nicht kommen.
Anna muss mich oral befriedigen. Halb im Scherz habe ich sie gefragt, ob ich in ihrem Mund ejakulieren darf, und nicht ohne Staunen höre ich jetzt ihr lapidares
Mh hm.
Nach wenigen versierten Hand- und Mundgriffen ihrerseits ergieße ich mich. Anna gibt mir alle Freiheit es kommen und mich gehen zu lassen.
Wärme, Ruhe, Frau.
Danach geht sie dezent zum Waschbecken. Sie ekelt sich nicht. Kurz sehe ich sie im Profil, der Anblick ihrer gefüllten Wangen wird sich einprägen. Sie spült mich gelassen aus und wendet sich mir dann wieder zu mit verbindlichem Lächeln.
Das war eine schöne Erfahrung, sage ich zu ihr im Ehrlichkeitsrausch.
Und bedanke mich.