Erst Tabak, jetzt Porno: Der Frauenausschuss des EU-Parlaments will uns vor unsittlichen Angeboten aus den Medien schützten. Mit Moral hat das nichts zu tun – das ist ein Angriff auf unsere Freiheit.
Lustobjekt oder ein Heimchen am Herd
Seitdem hat sich einiges getan. Das Internet liefert Porno unzensiert frei Haus, in jeder Kleinstadt finden Sex-Messen statt, aber der Gedanke des Volkswartbundes, die Menschen vor unsittlichen Darstellungen schützen zu müssen, lebt weiter. Er hat sich, ebenso wie die Unmoral, in den digitalen Raum verlagert.
Waren im Volkswartbund vorwiegend Männer tätig, die den Objekten ihrer Begierde im Gewand von Moralaposteln nachstellten, so sind es heute Frauen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, "geschlechterspezifische Klischees abzuschaffen". Der "Kölner Männerverein zur Bekämpfung öffentlicher Unsittlichkeit" heißt mittlerweile "Frauenausschuss des Europäischen Parlaments".
Wie eben bekannt wurde, hat dieser Ausschuss, der bis jetzt eher im Stillen wirkte, einen 21 Seiten langen Bericht erarbeitet, in dem es um sexistische Darstellungen von Frauen in den Medien geht – und darum, wie man sie verhindern könnte. Denn: "Grundsätzlich sind wir nicht damit einverstanden, dass Frauen in der Öffentlichkeit als Lustobjekt reduziert werden - oder alternativ als Heimchen am Herd."
Wenn dies das ganze Problem wäre, könnte man es elegant und effektiv lösen, indem man alle Berichte, in denen es um die Rolle der Frau in der Gesellschaft geht, mit einem Bild von Lady Ashton, der Hohen Außenbeauftragten der EU, illustrieren würde, die wirklich nicht im Verdacht steht, ein Lustobjekt oder ein Heimchen am Herd zu sein. Aber so einfach ist es nicht, denn in dem Bericht wird auch ein "Verbot von jeglicher Form der Pornografie in den Medien" gefordert.
Die Alarmglocken müssen geläutet werden
Man bzw. frau muss das Positionspapier des Frauenausschusses aus zwei Gründen lesen. Erstens, um zu begreifen, womit sich Politikerinnen und Politiker in Brüssel die Zeit vertreiben: Mit Phantasien, die George Orwell als Optimisten erscheinen lassen. Zweitens, um eine Vorstellung zu bekommen, wie weit der Regelungswahn inzwischen vorangekommen ist.
Es geht nicht mehr darum, welche Glühbirnen und Duschköpfe wir benutzen sollen, um weniger Strom und Wasser zu verbrauchen; auch nicht darum, unsere Gesundheit durch den Verzicht auf Alkohol, Tabak und Zucker zu retten. Diesmal geht es um unsere Seelen, die von unsittlichen Angeboten in den Medien gefährdet werden, vor allem durch die Darstellung von Frauen als "Lustobjekte" oder "Heimchen am Herd".
Es ist zu spät, um "wehret den Anfängen!" zu rufen. Jetzt müssen die Alarmglocken geläutet werden. Denn so wie die bürgerlichen Rechte und Freiheiten Schritt um Schritt erkämpft werden mussten, so werden sie heute Schritt um Schritt wieder einkassiert. Machen wir uns nichts vor: Es geht nicht um solche Banalitäten wie "die Frau als Lustobjekt" – wäre Unlustobjekt besser? – oder "Heimchen am Herd". Es geht darum, wie wir leben, was wir lesen und, am Ende, was wir denken sollen. Und wer darüber bestimmen darf.
Im Jahre 2004 kam aus dem Büro der damaligen Integrationsbeauftragten Marieluise Beck der ernst gemeinte Vorschlag, eine CD mit Texten aus den 20er-Jahren von Walter Benjamin aus dem Verkehr zu ziehen, weil darin von "Zigeunern" und nicht von "Sinti und Roma" die Rede war. Auch ein Schriftsteller wie Benjamin, der 1940 auf der Flucht vor den Nazis Selbstmord begangen hatte, sei "nicht über den Verdacht erhaben ... Vorurteile zu haben".
Früher Lachnummer, heute tägliche Praxis
Was vor neun Jahren eine Lachnummer war, ist heute tägliche Praxis. Märchen werden umgeschrieben, um sie dem politisch korrekten Zeitgeist anzupassen, der gute alte "Sarotti-Mohr" heißt jetzt "Sarotti-Magier", und wo früher Einwanderer fröhlich zusammen saßen und Karten spielten, hocken jetzt "Bürger mit Migrationshintergrund" um einen Sozialarbeiter, der ihnen erklärt, wie sehr sie diskriminiert werden.
Und weil das alles nicht genug ist, um eine "gerechte" Gesellschaft herzustellen, deren Leitmotiv die Gleichheit ist, müssen wir auch zur Kenntnis nehmen, dass die sexuelle Ausprägung als Frau oder Mann keine biologische Tatsache sondern ein "gesellschaftliches Konstrukt" ist, das überwunden werden müsse. Wo solcher Unsinn mit Preisen belohnt wird, da muss auch das Bild einer Frau im "Victoria's Secret"-Outfit als sexistische Provokation verstanden werden.
Pornografie – beziehungsweise das, was darunter verstanden wurde – war immer ein Gradmesser für die Liberalität einer Gesellschaft. Und für deren Doppelmoral. Während die gebildeten Stände die "Venus im Pelz" von Leopold von Sacher-Masoch lasen, gaben sie sich große Mühe, dem einfachen Volk die Lektüre von Groschenromanen als "Pornografie" zu verbieten.
Auch in den Privatgemächern von Erich Honecker wurden Pornos gefunden, die kein DDR-Bürger in einem Konsum-Laden kaufen konnte. In repressiven Gesellschaften, sagt Salman Rushdie, kann Pornografie "zum Bannerträger für die Freiheit, ja sogar für die Zivilisation" werden. Im sittenstrengen Pakistan würden "mehr als 60 Prozent aller Internet-Nutzer pornografische Websites" benutzen.
Nun leben wir nicht in Pakistan, und wer nur einmal kurz RTL einschaltet, kann die grausamen Kollateralschäden der "sexuellen Revolution" besichtigen. Wenn zum Beispiel 20 lobotomierte Barbies um die Gunst eines Ken-Klons buhlen. Das ist peinlich mitzuerleben und immer wieder ein Grund fürs Fremdschämen. Aber der gesellschaftliche Schaden, den solche Darbietungen anrichten, bewegt sich im Promille-Bereich. Dagegen ist das, was in Brüssel ausgeheckt wird, eine reale Bedrohung der Freiheit.
Die Forderung nach einem "Verbot von jeglicher Form der Pornografie in den Medien" muss ja irgendwie in die Tat umgesetzt werden. Das heißt, irgendjemand muss erst einmal definieren, was Pornografie ist, und diese Definition muss in Finnland ebenso implementiert werden wie in Italien, in Polen ebenso wie in Portugal.
Es muss also Durchführungsverordnungen und Sanktionen gegen Verweigerer geben, Bußen und Strafen. Bei der Energiesparlampe und dem Duschkopf mag das angehen, bei Fragen von Anstand und Moral ist es ein totalitäres Unterfangen, das sich über Kulturen, Mentalitäten und Traditionen hinwegsetzt, ein weiterer Schritt in Richtung auf eine homogenisierte Gesellschaft, in der Unterschiede par ordre du mufti weg geputzt werden.