Ähm. Marcel Proust hat Erotisches geschrieben. Und er ist beileibe nicht der Einzige. Ich erinnere mich, dass mich Szenen aus Grass Blechtrommel durchaus inspiriert haben. Auffällig ist, dass erotische Szenen in deutschen Romanen extrem selten sind, das gilt speziell fürs 20. Jahrhundert, erst in den letzten 40 Jahren weicht das Tabu etwas auf.
Ganz allgemein kann man sagen, dass sehr viele große Autoren erotisches veröffentlicht haben. Teils unter eigenem, teils unter fremdem Namen.
Ich denke überhaupt, was Wichsen und erotische Kunst nicht wirklich notwendigerweise eine Einheit bilden müssen.
Same here. Wobei ich nicht mehr viel Erotik schreibe.
---------------------
Das Erotische an erotischer Kunst ist ja, dass sie menschlich ist. Es gibt einiges, das AI nicht kann, und dazu gehört, Neues zu schaffen. Frag eine AI., ob sie Dir ein randvolles Glas Rotwein zeichnen kann. Du wirst staunen. Und sie kann immer nur so tun, als sei sie menschlich, sie ist es nicht. Sie kopiert uns nur.
Erotisches Schreiben ist wie ein Tanz auf einer Klinge. Man muss so viel Informationen geben, wie nötig ist, damit eine erotische Spannung und damit einhergehend Bilder im Leser entstehen können, aber keinesfalls mehr, um die Phantasie des Lesers nicht einzuschränken. Ich habe ein wirklich nettes Beispiel, in dem das meisterhaft umgesetzt ist. Die Szene ist folgende: Die Tochter hat einen Geliebten, aber sie steht sehr unter der Fuchtel ihrer Eltern, und sie möchte die Nacht mit ihm verbringen. Das ganze spielt in Florenz im Jahre 1492. Sie äußert folgenden Wunsch: »
Wenn Ihr und der Vater nichts dawider hättet,« antwortete die Tochter, »so möchte ich mir wohl neben seinem Zimmer, auf dem Balkon, der nach dem Garten liegt, ein Bett machen und die Nacht da schlafen. Ich würde die Nachtigall singen hören und im Kühlen viel besser schlafen als bei Euch in Eurem Zimmer.« Ich zitiere weiter:
Als Ricciardo merkte, daß alles im Hause still war, erstieg er mit Hilfe einer Leiter die Gartenmauer und kletterte dann an den Absätzen der Mauer des Hauses, nicht ohne große Gefahr abzustürzen, hinauf bis auf den Balkon, wo ihn sein Mädchen in aller Stille mit großer Freude empfing. Sie küßten sich und legten sich zusammen nieder und schenkten sich gegenseitig alle Freuden und Wonnen ihrer jungen Leiber und Seelen. Die Geschichte sagt nicht, wie oft sie die Nachtigall schlagen ließen; weil aber ihre Lust groß und die Nacht kurz war, so verging ihnen diese so schnell, daß sich ihnen unbemerkt der Tag bereits näherte, als sie kaum Zeit gehabt hatten, ein wenig einzuschlummern;
So weit so gut. Bei mir springt, um ehrlich zu sein, da schon relativ viel Kopfkino an. Aber es kommt noch besser, denn die beiden werden von der Vater ertappt. Er geht mit folgendem Satz zur Mutter:
"Steh geschwind auf, Frau; deine Tochter hat die Nachtigall so reizend gefunden und ihr so gut nachgestellt, daß sie sie gefangen hat und noch immer in der Hand hält."
Ist natürlich nicht Marcel Proust, es ist einer der wirklich Allergrößten, es ist von Giovanni Bocaccio. Bocaccio wird nie explizit, jede dieser Geschichten könnte man problemlos einem Dreijährigen vorlesen, und doch gilt er als Meister der erotischen Literatur.