aber das Risiko ist wohl nicht allzugroß.
Immer wieder merkt man, dass Leute von Risikoanalyse keine Ahnung haben.
Was du meinst ist: die Wahrscheinlichkeit ist nicht allzu groß. Damit hast du Recht. Das Risiko schließt aber den möglichen Schaden mit ein.
Ein Beispiel:
In Deutschland sind zur Zeit ca. 80000 HIV-Infektionen registriert. Mit der Dunkelziffer liegt die Zahl bei vorsichtig geschätzten 100000. Rein statistisch sind also 1,3 Promille der Bevölkerung HIV-infiziert.
Klingt nicht viel. Nun betrachten wir die Realität. Von den 80 Millionen Einwohnern sind nur ca. 60% im sexuell aktivem Alter (15-65). Damit steigt der HIV-Anteil schon mal auf 1:500.
Wenn man jetzt noch unterstellt, dass von diesen sexuell aktiven 60% der Bevölkerung nur jeder Zehnte wechselnden
und ungeschützten Verkehr hat, steigt die Risikogruppe schon auf ein 50tel genau deiner Sexualpartner. Das ist die Zahl, die du im Kopf haben musst: eine/r von 50, mit denen du so verkehrst, ist Träger des HIV-Virus. Tendenz steigend. Und bevor er/sie es weiß, vergeht eine lange Zeit.
Diese Wahrscheinlichkeit musst du für eine echte Ansteckung noch mit dem Risiko der Infektion selbst multiplizieren. Dieses liegt bei ca. 0.8% je nach Art des Verkehrs. Darauf kommst du auf eine Gesamtwahrscheinlichkeit von ca. 1:6000, dich beim ungeschützten Sex und wechselnden Partnern anzustecken.
Das klingt nicht hoch. Gilt aber nur für eine Nummer. Bei 10 Nummern ist die Wahrscheinlichkeit schon 1:600. Und je aktiver du auf diese Art bist, umso höher steigt die Wahrscheinlichkeit, dich anzustecken.
Jetzt nimm aber den Schaden, falls der Fall eintritt. Du steckst möglicherweise wieder andere an, bevor du es weißt. Dann wirst du für den Rest deines Lebens eine steigende Medikamentendosis einnehmen, um den Ausbruch zu verhindern. Der Spaß am Sex ist dahin, deine Psyche erst mal am Arsch. Würdest du für einen kleinen Lustgewinn jemand Unbekanntem 50000 Euro anvertrauen, wenn er dir sagt, dass das Geld mit einer Wahrscheinlichkeit von 1:600 futsch ist? Sicher nicht. Komischerweise tust du es mit deiner Gesundheit.
Die Zahlen auf Deutschland bezogen stammen vom Robert-Koch-Institut. Es wird in Österreich nicht viel anders sein. Die Zahlen steigen übrigens seit 10 Jahren wieder linear an, nachdem sie in den 90ern dank Vorsicht und Aufklärung deutlich stagnierten. Und das liegt genau an Leuten wie dir, die sich mit der Unwahrscheinlichkeit trösten.
Am Freitag habe ich meinen Onkel traurigerweise beerdigen müssen. Er wusste seit Mitte der Neunziger von seiner HIV-Infektion, und er war ein intelligenter und gebildeter Mensch. Dachte auch, die Wahrscheinlichkeit sei gering, und er wusste zu leben. Starb nach 10 Tagen Intensivstation an Nierenversagen. Spätestens wenn du hautnah erlebst, was die Diagnose mit sich bringt, denkst du nicht mehr allein an geringe Wahrscheinlichkeiten.
Comran