Guten Morgen,
wenn ich Dich lese, lieber
@Mitglied #697807, bin ich mehr als heilfroh, daß mein Burnout 2011 im Ergebnis noch so glimpflich abgelaufen ist und ich nichts mit PV etc zu tun hatte.
Ich war auch so ein Riesenarbeitstier, extrem pflichtbewußt und hoch erledigungskompetent, konnte nicht nein sagen, mich nicht abgrenzen .... mein Chef hat das weidlich genutzt, war aber eine Seele von Mensch, er wußte, ich mache, hat sich in vielerlei Art und Weise revanchiert, aber die Arbeit blieb überbordernd viel, es wurde nie weiger. Burnout hielt ich für ein Märchen (war damals noch relativ neu das Thema) und mir kann sowas ja nicht passieren...ich bin stark und unerschütterlich (so dachte ich).
Das Burnout kam aber doch mit aller Macht, so wie Du
@Mitglied #697807 es beschrieben hast. Im Nachhinein gesehen habe ich natürlich Anzeichen der Überlastung gehabt... aber nicht ernst genommen. Ich war ähnlich fertig wie Du, hatte Panikattacken, extreme Angstzustände (hatte vor allem rational gesehen unbegründete Angst), konnte nicht schlafen (eine Endlosspirale), heulte ständig, habe alles nur schwarz gesehen...hätte mich am liebsten umgebracht, hatte aber auch Angst, daß ich überlebe und das wollte ich nicht. Wie ich die ersten Wochen überstanden habe, weiß ich nicht. Irgendwie. Ich lebte, hatte Puls...
Bin dann zum Psychologen und Psychiater (wegen Medikamenten), ich wollte nie sowas nehmen, habe mich absolut dagegen verwehrt, aber ich hatte zum Glück einen Arzt, der mich da sehr gut angeleitet hat, mich auffing mit diesen Ängsten und ich probierte es, ja mußte es ....ich muß sagen, das Zeug hat mir mit das Leben gerettet, neben Psychotherapie. Gott sei Dank mußte ich nicht so viel mit Tabletten herumprobieren wie viele und ich hatte insgesamt gute Ärzte. Leider ist das nicht der Normalfall. Viele mit diesem Problem durchlaufen Odysseen...haben die Schnauze mehr als gestrichen voll von irgendwelchen Befunden und Diagnosen von teilweise unfähigen Ärzten.
Ich konnte nach ein paar Monaten Krankenstand so langsam wieder arbeiten gehen (mein einzig längerer in meinem Berufsleben) und mein Leben wieder aufnehmen... mit Strategien, nicht wieder in dieses Extrem zurückzukippen.
Ich bin noch immer sehr sehr pflichtbewußt, das ändert sich wohl auch nie, aber ich kann auch nein sagen, arbeite fast wie ich möchte, kann mir die Zeit frei einteilen, arbeite an freien Tagen, dann wieder nicht.... versuche, mir Inseln zu schaffen.
Wie man das von Dir/ Euch beschriebene System so unterstützen kann, verstehe ich auch nicht. Vielleicht weil man nur die Formulare zu dem Menschen auf dem Tisch hat, nicht aber ihn selbst und seine Geschichte? Da wird in Kategorien nach bestimmten Kriterien eingeteilt etc. Und natürlich stumpft das tägliche umgehen damit auch ab bzw. gibt es Menschen, die das rational und emotionslos sehen können. Muß man vielleicht auch in so einem Job? Ebenso wie Du Dir als Kranken- oder Altenpfleger nicht jedes Schicksal bis ins Mark zu Herzen nehmen darfst, weil Du psychisch sonst kaputtgehst?
Es freut mich jedenfalls, daß Du den Weg raus gefunden hast mit diesem doch sehr unkonventionellen Schritt. Gratulation.
Wichtig ist jedenfalls die Message, daß man auch aus den tiefsten Tälern herauskommen kann, auch wenn man es lange Zeit für absolut unmöglich hält. Es klingt nach Phrase, ist aber keine. Hätte heute auch noch weitere Dinge probiert, aber damals ging es nur um das nackte Überleben. Es gibt viel Betroffene, viele schweigen immernoch aus Scham, aber ich muntere dann auch auf, daß man sich nicht verstecken muß.
Die Psychopharmaka habe ich dann übrigens nach 3 Jahren ausgeschlichen, sie haben mich gefühlsmäßig ziemlich abgestumpft, ich konnte nicht mehr weinen und das fand ich unmöglich, auch Libido ging vollkommen flöten...klar, in der akuten Zeit war Sex überhaupt kein Thema, aber irgendwann dann schon.
SHG oder ähnliches habe ich auch nie in Anspruch genommen, bin nicht so der Gruppentyp
Wichtig finde ich, daß man jemanden hat, der einem beisteht, der da ist, mit rausgeht, dem man sich zumuten kann auch in den schwersten Zeiten. Das war für mich existentiell wichtig.
Weil Du sagst, wenn man merkt, es stimmt was nicht oä soll man sofort was tun, das Problem ist, daß der Betroffene selbst das meist nicht sehen will. Wollte ich ja auch nicht. Hielt mich ja auch für unverwüstlich.