Das süße Nichtstun

Es geht unter Umständen nicht um stundenlanges Nichtstun, sondern sich einfach nur mal aus dem was man gerade macht für kurze Zeit heraus nehmen. Die Dauer ist für jeden individuell. Die Frage ist: Erkennt ihr, wann ihr eine Auszeit braucht? Und gönnt ihr sie euch auch?

Das kann unterschiedlich geartet sein. Wenn bei uns zweimal im Monat die Sammelrechnungen geschrieben werden müssen, dann schwirren bei mir im Kopf nach kurzer Zeit die verschiedenen Zahlen (Auftragsnummern, Referenznummern, Rechnungsnummern, Gutschriftnummern, Tonnen, Kilometer, Kennzeichen, Postleitzahlen, Tarifzonen, etc.). Ich merke dann, so jetzt muss ich mal den „Arbeitsspeicher löschen“ und dann gehe ich vor die Tür und je nach Witterung lasse ich mich vom Wind durchpusten oder mir die Sonne auf die geschlossenen Augen scheinen. Dazu rauche ich genüsslich eine Zigarette und kann danach wieder mit klarem Kopf an die Arbeit gehen.

Wenn ich das nicht mache, dann bin ich spätestens zu Mittag nicht mehr aufnahmefähig. „Arbeitsspeicher“ voll. Und es dauert entsprechend länger, um mich wieder auf Kurs zu bringen. Dabei arbeite ich gerne in der Mittagspause durch, um früher gehen zu können. Das ist ein System das sich für mich bewährt hat. Im Alltag gibt es wiederum andere.
 
Die Frage ist: Erkennt ihr, wann ihr eine Auszeit braucht? Und gönnt ihr sie euch auch?
Ich erkenne es für mich daran, wenn mir das Leben in Summe zu laut wird. Dann kann mir eine Nachricht oder ein Anruf schon zu viel werden. Dies kommt äußerst selten vor, aber wenn, dann „bunkere“ ich übers Wochenende. Für mich bedeutet es, dass ich mir zwei Tage nehme an denen ich (vorab kommuniziert) nicht erreichbar bin und mich von der Welt abschotte. Das kommt allerdings nur vor, wenn in Summe betrachtet, beruflich und privat so viel zusammenkommt, dass ich den Lärm von außen und den in meinem Inneren nicht mehr „ertrage“ und ich eine Grenze für mich erreiche.

Ansonsten muss ich mich wieder mehr darauf besinnen meine Aufmerksamkeit wieder einer Sache zuzuwenden und nicht gleichzeitig mehrere Dinge zu tun, etwas ruhiger zu werden und nicht mehr so rastlos zu sein. Das fordert gerade einen bewussten Umgang damit, aber desto öfter es mir gelingt, desto besser geht es mir.

Musik zum „durchpusten“ des Hirns klappt auch immer (privat und beruflich).
 
Ich erkenne es für mich daran, wenn mir das Leben in Summe zu laut wird. Dann kann mir eine Nachricht oder ein Anruf schon zu viel werden.

Ich merk schon, ich bin offenbar egoistischer als andere und ziehe schon viel früher die Reißleine. Für mich wäre es in dem von dir geschilderten Fall schon zu spät. Je länger ich warte, desto länger brauche ich zur Regeneration.

Ich habe über die Jahre Überlebensstrategien entwickeln müssen um funktionsfähig bleiben zu können. Natürlich aus Folge daraus, dass ich früher eben überhaupt nicht auf Warnzeichen geachtet habe und immer mit Vollgas unterwegs war. Ich hatte vor Jahren mal sowas wie einen Nervenzusammenbruch, natürlich auch ignoriert und nicht therapiert. Da hat man mich nur schief ansehen müssen und schon bin ich heulend zusammen gebrochen. Es hat eine Weile gedauert bis ich mich Stück für Stück wieder zusammen gesammelt habe. Seit dem lasse ich mich nicht mehr über sehr eng gesteckte Grenzen hinaus belasten. Ich habe gemerkt, dass dadurch die Welt nicht untergeht. Und die gesparte Energie kann ich konstruktiver nutzen.
 
Könnt ihr eigentlich nichtstun?
Ja, und ich zelebriere das immer wieder, im kleinen wie im großen.
Das fängt damit an dass ich in der u Bahn sicher nicht ins Handy gaffe, weder zum nachrichten lesen noch zum bunte Kugeln herum schieben, sondern mich ausschließlich mit dem Nichtstun beschäftige.
Am Wochenende gelegentlich auf der Hollywoodschaukel sitzen und Löcher in die Luft starren, das mach ich durchaus über längere Zeiträume.
 
Als Kinder waren wir Meister darin, einfach mal nichtstun, die Füße von einem Baum oder eine kleine Brücke baumeln lassen, mit einem Grashalm im Mund unter einem Baum liegen und Blätter zählen, eine kleine Echse beim Sonnenbaden beobachten, etc.

Könnt ihr eigentlich nichtstun?
Klar kann ich. Also nach den Vorgaben, die Du bei den Kindern gabst, die ja auch ned gar nichts taten (Blätter zählen kann recht anstrengend sein - vor allem dann, wenn man in der Volksschule das 1. Ziel "Zähle bis 10" gerade erst hinter sich hat)
1. Möglichkeit:
ich sitze auf meiner Terrasse, gucke über den Schwimmteich, trinke Kaffee oder Cola light, rauche ´ne Zigarette und denke über´s Leben nach.
2. Möglichkeit:
ich liege am Rücken im Schwimmteich und lass mich mit geschlossenen Augen einfach treiben. Wo komme ich wohl an? Bewege ich mich überhaupt vom Fleck, wo ich mich hinlegte?

Nichtstun ist immer noch relativ einfach. Nichtsdenken und den Kopf frei machen ist wesentlich schwieriger. Aber auch das kann man hinbekommen. Benötigt allerdings bissl Training.
 
Als Kinder waren wir Meister darin, einfach mal nichtstun, die Füße von einem Baum oder eine kleine Brücke baumeln lassen, mit einem Grashalm im Mund unter einem Baum liegen und Blätter zählen, eine kleine Echse beim Sonnenbaden beobachten, etc.

Wenn wir heute nichts tun, dann machen wir trotzdem irgendwas, schauen aufs Handy oder auf den Fernsehbildschirm, lassen Musik oder das Radio im Hintergrund laufen, blättern in Zeitschriften, beantworten Mails. Wir beschäftigen unser Gehirn, weil wir vielleicht gar nicht mehr wissen, wie es geht einfach mal seinen Gedanken und Träumen nachzuhängen, Schönheit zu bewundern oder einen Duft zu genießen.

Oder fühlen wir uns schuldig? Nichtstun ist doch Faulheit. Das kann sich kein verantwortungsvoller Erwachsener erlauben. Spätestens mit Beginn der Schule werden wir auf Produktivität getrimmt. Mach doch was Sinnvolles mit deiner Zeit, leb nicht in den Tag hinein!

Dabei finde ich solche kleine Einheiten des Müßiggangs durchaus sehr nützlich. Sie können entspannend sein oder auch kreativ, sie können plötzlich ungewöhnliche Perspektiven eröffnen, Verschnaufpause sein oder ein erfreuliches Ritual.

Könnt ihr eigentlich nichtstun?

Sollte ich irgendjemanden widerholen, ich gebe ausnahmsweise meinen Senf dazu ohne den Thread gelesen zu haben.

Ein Kind das Blätter zählt und die Natur beobachtet beschäftigt sein Gehirn womöglich mehr als ein Erwachsener der irgendetwas tut.
Man darf die Denkarbeit die Kinder leisten und brauchen und die wir Erwachsenen als "Nichtstun" sehen nicht unterschätzen.

Ich kann auch als Erwachsener noch ganz gut eine Stunde herumhocken und den Bäumen beim Wackeln und den Vögeln beim Fliegen zuschauen.
Und auch als Kind war es mir spätestens nach einer Stunde zu fad und ich habe vorübergehend irgendwas anderes getan.
Wenn ich ein paar tausend qm mit der Sense mähe, ist die Ruhe im Schâdel eine wahre Wohltat.

Alles was sich geändert hat ist doch in Wahrheit, dass wir einer "Unbeschwertheit" hinterhertrauern der wir damals nicht schnell genug entfliehen konnten.
Und selbst diese Unbeschwertheit ist doch relativ und bedeutete damals etwas ganz anderes, als wir es mit unser verklärten Sicht auf das lange Zurückliegende sehen kònnen.
Man sollte sich davor hüten zu verkopfen, das reicht;).
 
Ich bin am Ende eines langen Tages im Freibad gerne mal unter dem Baum auf einer Decke gelegen und habe in die Baumkrone geschaut, weil das Rascheln eine hypnotische Wirkung hat.
Das war kein Nichtstun, Du hast in die Baumkrone geschaut und Dein Gehirn hat viele Reize verarbeitet und Dir ein Bild daraus gebastelt. Das kann man, gerade bei Kindern als aktives Arbeiten sehen.
Was hindert Dich daran, das heute genauso zu tun?
 
Das war kein Nichtstun, Du hast in die Baumkrone geschaut und Dein Gehirn hat viele Reize verarbeitet und Dir ein Bild daraus gebastelt. Das kann man, gerade bei Kindern als aktives Arbeiten sehen.
Was hindert Dich daran, das heute genauso zu tun?
Genau nichts, ich mache das heute auch noch gerne. Und weil das hier schon öfter aufkam: ich habe nie was von Stunden lang gesagt. Spätestens nach 10 Minuten kam mein Bruder angerannt und hat mich mit kaltem Wasser übergossen oder ähnliches, und die Gaudi ging von Vorne los. Es geht mir in dieser Diskussion darum, ob Erwachsene noch erkennen können, ob sie eine Auszeit brauchen und sie sich auch gönnen. Das kann unterschiedlich geartet sein und jeder definiert es anders für sich. Kinder scheinen dafür einen siebten Sinn zu haben.
 
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Als Kinder waren wir Meister darin, einfach mal nichtstun, die Füße von einem Baum oder eine kleine Brücke baumeln lassen, mit einem Grashalm im Mund unter einem Baum liegen und Blätter zählen, eine kleine Echse beim Sonnenbaden beobachten, etc.

Wenn wir heute nichts tun, dann machen wir trotzdem irgendwas, schauen aufs Handy oder auf den Fernsehbildschirm, lassen Musik oder das Radio im Hintergrund laufen, blättern in Zeitschriften, beantworten Mails. Wir beschäftigen unser Gehirn, weil wir vielleicht gar nicht mehr wissen, wie es geht einfach mal seinen Gedanken und Träumen nachzuhängen, Schönheit zu bewundern oder einen Duft zu genießen.

Oder fühlen wir uns schuldig? Nichtstun ist doch Faulheit. Das kann sich kein verantwortungsvoller Erwachsener erlauben. Spätestens mit Beginn der Schule werden wir auf Produktivität getrimmt. Mach doch was Sinnvolles mit deiner Zeit, leb nicht in den Tag hinein!

Dabei finde ich solche kleine Einheiten des Müßiggangs durchaus sehr nützlich. Sie können entspannend sein oder auch kreativ, sie können plötzlich ungewöhnliche Perspektiven eröffnen, Verschnaufpause sein oder ein erfreuliches Ritual.

Könnt ihr eigentlich nichtstun?

Toller und interessanter Thread. Ich finde "Nichtstun" etwas ganz Wichtiges. Z.b. könnte/kann ich stundenlang nur dem Gezirpe lauschen, das Meer/die NAtur, ... betrachten. DAs gibt mir enorme Kraft und Energie. Einfach am Balkon stehen und das Farbenschauspiel des Himmels zu betrachten ist für mich extrem erholsam: einfach nur gießen, musizieren oder kochen. Für mich kann das alles einem Nichtstun gleichkommen; aber nur dann, wenn ich dariin versinken kann. Zeit (ob ein paar Minuten oder mehrer Stunden) spielt da keine Rolle. In etwas zu versinken ist herrlich und super erholsam, ja das kann ich :)
 
Genau nichts, ich mache das heute auch noch gerne. Und weil das hier schon öfter aufkam: ich habe nie was von Stunden lang gesagt. Spätestens nach 10 Minuten kam mein Bruder angerannt und hat mich mit kaltem Wasser übergossen oder ähnliches, und die Gaudi ging von Vorne los. Es geht mir in dieser Diskussion darum, ob Erwachsene noch erkennen können, ob sie eine Auszeit brauchen und sie sich auch gönnen.

Sorry, das war aus dem Eingangspost so nicht ersichtlich, in meiner ersten Antwort hatte ich darauf hingewiesen, dass ich (noch) nicht mehr als diesen gelesen habe.

Das kann unterschiedlich geartet sein und jeder definiert es anders für sich. Kinder scheinen dafür einen siebten Sinn zu haben
Ich denke auch Kinder haben diesen nicht immer und überall. Wennst darauf wartest, dass Kindern ihr siebter Sinn sagt, dass sie vom Fernschauen, Computerspielen oder mit Freunden spielen aufgrund ihrer Überdrehtheit dringend eine Auszeit brauchen, wirst in den meisten Fällen lange warten:D.
Ich denke, dass Menschen die in ihrer Arbeit aufgehen, Auszeiten oft seltener brauchen.
Jeder gesunde Mensch der sich selbst nicht zu wichtig nimmt, wird auch spüren, wann es genug ist.
Ich z.B. hatte in den letztem Monaten selten weniger als 50 Stunden, bisher kein Urlaub in diesem Jahr. Trotzdem stellt es kein Problem dar, diese Leistung bis zum Urlaub durchzuhalten, weil es für mich befriedigend und nachher entspannend ist, wenn ich mein Pensum durchziehe...das funktioniert aber hauptsächlich weil mir der Job einfach Spaß macht.
Wer glaubt ohne ihn ginge nichts und nur er macht alles richtig, hat ganz andere Probleme als nur nicht zu wissen wann eine Pause angesagt ist.

Jedenfalls ein schönes Thema;)
 
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