@gogolores: Wie ich deinem Beitrag über Koh Mak entnehme, bist du Thailandfan und im Land mit einheimischer weiblicher Begleitung unterwegs.
Ich beantworte daher deine Frage mit dem Beispiel Thailand.
Situation: In Thailand gibt es ein Problem mit sexuell übertragbaren Krankheiten. Das Land ist für Sextourismus bekannt. Besorgniserregend ist laut Bericht des Ausschusses der UN gegen Frauendiskriminierung (CEDAW/C/THA/CO/5 vom 3. Februar 2006, §§ 39-41) die hohe Rate von HIV Infektionen unter Frauen, insbesondere unter Prostituierten, und die geringe Bereitschaft zur Verwendung von Kondomen, was auch zu einer Vielzahl von illegalen Abtreibungen unter medizinisch fragwürdigen Umständen geführt hat. Besonders besorgniserregend ist dabei laut Bericht des Ausschusses der UN zum Schutz der Kinderrechte (CRC/C/THA/CO/2 vom 27. Jänner 2006, §§ 11, 33, 72-75) der Handel mit Kindern zum Zwecke ihrer sexuellen Ausbeutung, insbesondere im Sextourismus. Auch der UN Menschenrechts-Ausschuss teilt diese Sorge (CCPR/CO/84/THA vom 28. Juli 2005):
Thailand is a major country of origin, transit and destination for trafficking in persons for purposes of sexual exploitation and forced labour.
Maßnahmen: Selbstverständlich sind diese Probleme im Land bekannt und sie werden aktiv bekämpft, wobei auch Erfolge anzuerkennen sind. Nach einem Bericht der Weltbank (Thailand's response to AIDS: Building on success, confronting the future, 2000) haben Regierungsprogramme gegen Sextourismus und zur HIV-Prävention zur Halbierung des Umsatzes der Bordelle geführt, den Gebrauch von Kondomen erhöht und damit die Zahl der Neuinfektionen mit HIV reduziert. Laut UNDP (Thailand's Response to HIV/AIDS, 2004) sank die Zahl der jährlichen Neuinfektionen von 143.000 im Jahr 1991 auf 19.000 im Jahr 2003. Bei 64 Millionen Einwohnern ist das noch immer sehr hoch; zum Vergleich Deutschland: 3.000 Neuinfektionen/Jahr bei 82 Millionen Einwohnern.
Diskussion: Dieser Erfolg, aber auch seine Grenzen, zeigen, dass gesetzliche Vorschriften und Pflichten keinerlei Beitrag zur Förderung der Gesundheit leisten, sondern sogar kontraproduktiv sind: In Thailand ist Prostitution verboten. Wegen dieses Verbots hat die Regierung erst 1991 erkannt, dass Handlungsbedarf besteht, weil es trotz Verbots Prostitution gibt und 30 bis 40 % der Sexworker HIV positiv waren. Die Regierung hat daraufhin einen pragmatischen Zugang gewählt und mit den eigentlich illegalen Bordellen kooperiert, um das 100%-Kondom-Programm durchzuführen. Die Maßnahmen gegen Sextourismus und Menschenhandel in den Bordellen haben aber gleichzeitig zu einer Verlagerung von Sexwork in den Untergrund, von den Bordellen weg zu Escorts, Bars und Hotels geführt (UNDP, loc cit). Wegen des Illegalität dieser Sexworker (ja nach Region schätzungsweise 40 bis 80% aller SW) fehlen der Regierung die Netzwerke, um sie mit Kondom-Programmen zu erreichen. Dies wird auch von der Weltbank (loc cit, Box 3 auf S 20) kritisiert:
These undocumented sex workers, mainly from Myanmar, Cambodia, China, and Laos as well as hill tribes in Thailand have clear risks for HIV infection, including illiteracy, vulnerability to trafficking, low levels of HIV and STD awareness, limited access to health care, very limited ability to negotiate with clients, and a reluctance to seek services even when they are available because of fear of arrest and deportation. Since these women are breaking two sets of laws (prostitution laws and illegal entry and work in Thailand) they are highly vulnerable to arrest, detention, and abuse from male guards. […] The presence of a large number of sex workers not reached by current efforts may hinder Thailand’s sustained success in promoting 100% condom use.
Als hauptsächliche Hindernisse der Kondom Politik führt die Weltbank die Illegalität der Sexworker an, deren (wegen ihrer Illegalität) schwache Verhandlungsposition gegenüber Freiern, dazu mangelnde Bildung, fehlendes Gesundheitsbewusstsein und schlechten Zugang zu Gesundheitseinrichtungen.
Um nun die Frage zu beantworten: Statt Gesundheitsvorsorge mit polizeistaatlichen Methoden samt Zwangsuntersuchungen von Sexworkern vorzutäuschen, wäre es vor allem notwendig, die Verhandlungsposition der SW gegenüber ihren Freiern durch mehr Rechte zu stärken und das Gesundheitsbewusstsein in der Bevölkerung generell zu erhöhen, insbesondere an die Eigenverantwortung eines jeden für die eigene Gesundheit zu appellieren. In Deutschland wurde diese gegenüber Sexwork liberale Politik seit 2001 erfolgreich begonnen und hat inzwischen zu einer geringeren Durchseuchung mit Syphilis und anderen Krankheiten geführt, als in Österreich.