Wie bei vielen anderen, so ist auch bei diesem Thema im Grunde bereits alles x-mal gesagt worden, aber es ändert sich halt nix, egal wieviel den Status-quo in Frage stellen, denn diese scheinen sich noch lange nicht in Richtung Mehrheit zu bewegen, egal wie lange der qualitative Showdown dieses Mediums nun schon andauert.
Der TV-Konsum hat viel mit Gewohnheit zu tun, einem Ritual, von der (zumindest einst) großen Samstag-Abend-Familien-Show, die tatsächlich alle Altersklassen vereint und ohne Debatte auf einen Sender vereinigt hat, und wo auch kaum ein Sender überhaupt auch nur noch angedacht hat, jener einen qualitativen Gegenpol an diesem Sendetermin auf's eigene Programm zu setzen, über die Schwemme von "Talkshow" in den 90ern, Reality-Shows und Scripted-Reality-Format, Möchtegern-Comedy-Varianten, die allesamt an ihren Vorbildern (RTL Samstag Nacht!!!) scheitern, bis hin zum Dauerbrenner Teleshopping-Fernsehen, das an werbetechnisch-inhaltlicher Plumpheit die schlimmsten Erwartungen unterbietet und offensichtlich an Tertiärprimaten mit gerade so ausreichend Persönlichkeitsrechten, die zu einer Telefon- und Bankverbindung legitimieren, gerichtet sind.
Qualitativ gegengezeichnet wird die bildgewordene Belanglosigkeit des klassischen Broadcasts auf den Bildschirmen nur mehr vom Gros der Gratis-YT-Inhalte, und für jene mit noch geringerer Aufmerksamkeitsspanne: Tik-Tok und Konsorten, während sich jene, die etwas Anspruch entwickelt haben, die Rosinen bei Bezahlkanälen oder eben ihrer penibel aufgebauten Scheibensammlung picken.
Waren Broadcast-Medien einst so teuer zu betreiben, daß sie staatlichen Background gebraucht haben, um ihre Finanzierung zu sichern, hat sich das Gefüge geändert und jeder Dummdödel kann zum TV-Star oder eben Streaming-Plattform-Phänomen werden, wobei man in JEDER Ausprägung vom Bewertungs- und Belohnungsmodell derjenigen Plattform abhängig ist, und im besten Warholschen Sinn jederzeit vom nächsten Femtosekunden-Celebrity-Aspiranten wieder von Flachschirm gewischt werden wird, schneller als eine heutige App-geeichte Nachwuchs-Filter-Schönheit auf Tinder ihre Date-des-Tages-Kandidaten durchzappt.
Einst (=in den 80ern) nahmen wir noch verwundert zur Kenntnis, daß es in den USA offenbar >100 Kanäle gab, auf denen sich die Bandbreite abspielte, während in Europa eine Hand zum Abzählen reichte, und die Frage, womit mann denn soviele parallele Stunden Programm füllen kann, wurde schnell beantwortet, als Kabel- und Satellitenkanäle in den 90ern auch hierzukontinents explodierten ... in einer wunderbaren Vielfalt des ... (unendlich-geschichtlichen) Fantasia-Nichts. Als dann De-Mol an der Schraube drehte und nach Herzblatt die nächsten Format-Ideen aus dem englischsprachigen Mediversum für D-A-CH anpaßte, mögen Naivlinge ja noch an eine Neuerfindung der Unterhaltung geglaubt haben, aber spätestens bei der 2. Staffel "Big Brother" war klar, daß der freie Fall des Niveaus noch 2 Feststoffbooster angeschnallt bekommen hat, und die Konkurrenzsender sich anschickten, die gesamte Bandbreite menschlicher Banalität auf alle unvorstellbaren Arten, von sicher 200h Rohmaterial, zu wöchentlich 1-stündigen Essenz der Kopfschüttel-Dekadenz einzudampfen und mit jeweils weiteren täglich 3h Wiederholungen aller Art und reißerischen Vorankündigungen die Unterhaltungsmücken zu Quotenelefanten aufzupusten.
Da lernte man sogar die legendär Prüller'schen Live-Brabbel-Orgien im Rahmen frühmorgendlicher Übersee-F1-Übertragungen rückblickend wieder schätzen, wenn jener offensichtlich wieder einmal nebenher an seinem üblichen Jahresbuch tippselte und die Hälfte des Rennstreckengeschehens trotz sicher 1 Dutzend Schirmen über ihm, aktiv übersah ("Ohhhh neinnnn .... was ist jetzt los? Gerhard Berger wird langsamer!!!" Regie verzweifelt aus dem Off zu hören: ""Des is a Zeitlupen du ******!!!!")
All diese einstigen individuellen Fixpunkte sind einem Reichweiten- und Marktanteilskrieg gewichen, wo fürchterlich viel Geld sekundär verbrannt wird (also nicht primär für die Technik und Infrastruktur, sondern Werbung, Zugpferde und Übertragungsrechte) und entsprechend werden die wenigen Perlen im eigenen Programm von Fettschwarten ohne jeden Nährwert umschwabbelt, die aus möglichst günstigen Sendungsminuten zusammengepappt werden, was dazu führt, daß die letzten darauf eingeschränkten Zuseher also netto irgendwo vielleicht 1h neuen Content pro Tag und Sender serviert bekommen, garniert von 23h Werbung, Vorschau, Wiederholung ("best of"), Zusammenfassungen, Meta-Analysen, Werbung, "Nachrichten"/"""NEWS""", Talk- und Diskussions-Abklatsch-Varianten, Wiederholungen, ... sodaß selbst der Wetterblick irgendwann mehr Informations- und Unterhaltungswert bekommen hat.
Vor 30 Jahren gab es ein Computerspiel (bzw. 2 Teile) "MAD-TV" (nein, nicht vom MAD-Magazin abgeleitet, sondern eine Art Adventure-Simulation, bei der man einen Sender managen und das Programm füllen sollte) - eine Adaptierung an die Gegenwart würde glaub ich Spaß machen und die Augen öffnen.
Aber um die OP-Frage zu beantworten: Wir wollen es nicht glauben, aber es WIRD noch eine Weile weiter bergab gehen, weil der Regelkreis aus Content-Creatorn, Geschäfts- und Finanzierungsmodell und zugehörigen Zielgruppen vorerst gar nichts anderes zuläßt.