Masochismus ist eine wenig exakt definierte Haltung - freilich, so allgemein gesagt geht's um Lusterfahrung durch Schmerzen. Da könnten wir nun anfangen und allerlei Abgrenzungen konstruieren ... oder Fragen stellen, die nicht zu beantworten sind. Für mich bedeutsam ist nicht, was ich "bin" und schon gar nicht, ob ich ein "echter" bin, sondern ausschließlich das, was ich tue und gern tue. Lustschmerz? Mich erregt die Empfindung, intensiv benutzt zu werden. Da mischt sich die körperliche mit der psychischen Erfahrung, da kommen die masochistischen und die devoten Anteile in mir gemeinsam zum Genuss. Wie ja auch beim "Sadisten" sich die Fokussierung auf schmerzhafte Behandlung paart mit der Lust, Macht auszuüben. Wie schön, wenn das im Rituellen gelebt werden kann, wo es (auch) um die Einhaltung von Spielregeln geht.
Ich gebe ballmaso teilweise recht, was die sozialen Komponenten anlangt - und ergänze das durch freudianische bzw. bindungstheoretische Aspekte. Es entscheidet sich sehr früh, welche grundlegenden Dispositionen angelegt werden. Allerdings, so wie die Genetik durch Epigenetik flexibler wird, so sind auch früh geprägte Anlagen, wenn vielleicht auch nicht zu "löschen" und auszutauschen, zumindest formbar, und das bleiben sie auch. Das beantwortet auch schon die Frage nach der Erziehung. Wenn ich grundsätzlich in Richtung Masochismus ausgerichtet bin, lässt sich das natürlich leichter verstärken ... obwohl auch da etliche Fragen auftauchen, z.B. ob nicht Sadismus und Masochismus nicht eher als zwei Seiten der gleichen Medaille zu betrachten wären.
Zurück vom theoretischen Exkurs ins Praktische: Bei der Steigerung von lustvollen Schmerzreizen kommst du irgendwann an den Punkt, an dem die Unlust stärker ist als die Lust. Erst an diesem Punkt würde ja wirklich das Leiden beginnen. Jetzt könntest du die Zähne zusammenbeißen und erfahren, wie es ein Stück jenseits dieser Grenze aussieht - und was die Erfahrung mit Dir macht. Und es würde helfen, dabei eine/n Partner/in zu haben, der zum einen die Selbstbeherrschung aufbringt, das Spiel so zu dosieren, dass dein Wunsch nach grenzüberschreitender Selbsterfahrung überschaubar bleibt, dass er andererseits aber schon auch bereit ist, dich jeweils dieses Neuland jenseits der Grenze wirklich herzhaft erfahren zu lassen. Leicht ist es nicht, so jemand zu finden. Öfter kannst du erleben, dass der dich, wenn du beizeiten aus dem Spiel aussteigst, als "nicht echten Masochisten" abtut ... soll sein; es hat niemand außer Dir das Recht, über Deinen Masochismus zu befinden. Oder er nutzt die SItuation deiner - vielleicht - Wehrlosigkeit aus und geht sehr viel weiter über die Grenze, als du es jemals zugelassen hättest.
Es gibt Masochist/inn/en, die selbst solche Grenzen nicht mehr im Griff haben. Ob wir hier von Sucht oder von Rausch reden sollten, lass ich mal dahingestellt - manche kennen und suchen diesen Punkt, an dem sie unter heftiger Behandlung, in der Regel Züchtigung, die Kontrolle verlieren und zu fliegen beginnen, wie sie es gern nennen. Ausbrechen aus den Gefängnissen der Selbstkontrolle ... die hübschen Paradoxien der Hingabe als Weg zur Befreiung. Man/frau muss dann halt auch mit den Folgeschmerzen umgehen ...
Wenn ich aber lieber im Bereich der Kontrolle bleibe, meine Auslieferung an meinen "Peiniger" nicht völlig aus der Hand gebe, das Spiel mitgestalten möchte? Anhänger der reinen Lehre werden sagen, mit Devotion hätte das nix zu tun, Partner würden einander da nur benutzen ... okay, wenn es so wäre: Auch das Gefühl, zu benutzen und benutzt zu werden, hat ja seine geilen Aspekte. Die gut verteilten Rollen eines Spiels intensiv zu spielen ... für mich kann's nix Schöneres geben. Wie weit ich dabei zu gehen bereit bin, auch im Genießen bzw. Ertragen schmerzhafter Praktiken, entscheide ich von Fall zu Fall. Und im konkreten Einzelfall entschiede ich mch dazu, eher auf der Seite der Lust zu bleiben, statt das Heldentum des Erleidens von Unlust auf meine Fähnchen zu schreiben.
Ein verregneter Ferientag in Italien ... man sieht, ich hab nix Geileres zu tun, also schreib ich zu viel ;-)