Ich halte den PISA-Test als solches für eine völlig entbehrliche Geschichte.
Mit dieser Aussage bist du nicht alleine. Aber sind Leistungsüberprüfungen generell verzichtbar? In der Praxis sind wir mit Aussagen aus der Wirtschaft konfrontiert (du bestätigst das in deinem Posting), dass unser Schulsystem zu viele Blindgänger hervorbringt. Oder, wie du es ausdrückst, Schulabgänger, die für einen Job unbrauchbar sind.
Was der PISA - Test jedenfalls gar nicht bewiesen hat, das ist die Überlegenheit des Konzeptes der gemeinsamen Schule der 10 bis 14 - Jährigen. Die Verfechter der Gesamtschule werden nicht müde, auf das Beispiel Finnland hinzuweisen. Und sie verschweigen geflissentlich das Beispiel Schweiz.
Nehmen wir den Teilbereich
Mathematik, hier liegt die Schweiz (531 Punkte) mit ihrem differenzierten Schulsystem klar vor Finnland (519 Punkte). Interessant ist eine differenzierte Betrachtung, denn die Schweiz liegt mit 21,4 % besonders leistungsstarker Schüler recht deutlich vor Finnland mit 15,3 %. Österreich ist mit 14,3 % an leistungsstarken Schülern trotz eines differenzierten Schulsystems hinter Finnland. Das wurde bisher in der österreichischen Schulpolitik immer als Argument für die Gesamtschule ins Treffen geführt. Aber das Beispiel Schweiz lässt vermuten, dass es nicht daran liegen kann.
Für Österreichs Bildungspolitiker müssen die Alarmglocken läuten, betrachtet man den Anteil der besonders leistungsschwachen Schüler. Hier liegen wir mit 18,7 % weit vor der Schweiz und Finnland (12,4 bzw. 12,3 %). Wiederum ..... an der differenzierten Schule kann es nicht liegen, die Ursachen sind anderswo zu suchen. Da sich aber (auch in den Koalitionsverhandlungen) unsere Bildungspolitik in diesen ideologischen Richtungsstreit verheddert hat, werden die wahren Ursachen wohl noch lange ungeklärt bleiben.
Auch das Leistungsgefälle zwischen Mädchen und Burschen in der Mathematik wird wohl ungeklärt bleiben!
Geschlechtergefälle drastisch
Lagen die Buben vor zehn Jahren noch acht Punkte vor den Mädchen, so haben sie diesmal einen Vorsprung von 22 Punkten erreicht, ihn also fast verdreifacht: "In keinem anderen Land hat sich das Geschlechtergefälle so drastisch verstärkt wie in Österreich", heißt es dazu im Länderbericht der OECD über die neue, heute in mehreren Städten der Welt präsentierte internationale Schülervergleichsstudie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. "Das Geschlechtergefälle verschärft sich." Das ist das aus OECD-Sicht auffälligste und alarmierendste Österreich-Ergebnis der mittlerweile fünften Pisa-Studie (Programme for International Student Assessment), bei der zum zweiten Mal – nach 2003 – Mathematik der Schwerpunkt war.
Warum ich das vermute? Nun, die Frauenministerin wird eine Quotenregelung verlangen, bei der die Punkte gleichmäßig auf beide Geschlechter aufgeteilt werden müssen. Bei den Zulassungsprüfungen zum Medizinstudium wurde Ähnliches ja bereits vorexerziert. Angeblich waren da die Fragestellungen schuld.
In einem Gastkommentar in der Presse setzt sich Bernhard Görg mit der Frage
"Was andere Länder in Sachen Schule wirklich erfolgreich macht" auseinander. Auch er schlussfolgert zunächst ........
Die internationalen PISA-Ergebnisse zeigen, dass es Gesamtschulsysteme wie in Finnland oder in den Niederlanden gibt, die hervorragend funktionieren, während ähnliche Systeme in Italien, Spanien, aber auch Schweden nur unterdurchschnittliche bis grottenschlechte Ergebnisse liefern.
Die Schweiz schneidet mit ihrem differenzierten Schulsystem sehr gut und Deutschland gesamthaft recht gut ab. Österreich ist ein Sonderfall: Da funktioniert die gemeinsame Schulform Volksschule überhaupt nicht und das Gymnasium auch nicht richtig.
Aber wie erklärt man die Leistungsunterschiede in einen kulturell geteilten Land, wie es Belgien ist? Wo aber in beiden Landesteilen die Schüler eine Gesamtschule besuchen?
Zweigeteiltes Belgien
Bis vor wenigen Wochen bin ich allerdings geradezu vernarrt in die These gewesen, dass es in erster Linie auf die Lehrer ankommt. Da bin ich eher durch Zufall auf die belgischen PISA-Daten gestoßen. Belgien ist zwar ein kleines Land, aber zweigeteilt in einen französisch und einen flämisch sprechenden Teil. Daher werden auch die PISA-Ergebnisse getrennt ausgewiesen.
Die Überraschung war auch in Belgien groß: Flandern schneidet im internationalen Vergleich hervorragend ab, während die Wallonen PISA-Kellerkinder sind. Das, obwohl in beiden Landesteilen das gleiche Schulsystem gilt (Gesamtschule) und das zum Lehrberuf führende Studium zentralstaatlich geregelt ist. Selbst belgische Bildungsexperten sind recht ratlos.
Unterschiede werden zwischen Bundesländern in Deutschland beobachtet. Die Schlussfolgerung: Es liegt daran, dass in manchen Bevölkerungsgruppen bzw. in manchen Ländern der (
ganz, ganz böse ) Leistungsgedanke stärker ausgeprägt ist.
Was macht dann also die Schüler in Flandern und Bayern erfolgreicher im Erwerb kognitiver Fähigkeiten als ihre Kameraden in Wallonien oder Bremen? Meine Vermutung ist, dass der Stellenwert von Leistung in einer Gesellschaft den größten Einfluss auf die schulischen Leistungen der Kinder dieser Gesellschaft hat. Nicht nur in Südkorea oder Singapur.
Die Flamen waren noch weit ins vorige Jahrhundert hinein die Dienstmädchen und Kutscher der wallonischen Oberschicht. Flandern war das Armenhaus Belgiens. Mit kollektivem Ehrgeiz und großem Fleiß sind sie heute zum belgischen Oberhaus geworden. Bayern ist bis vor fünfzig Jahren ein armes Agrarland gewesen. Aber das hohe Leistungsethos hat es nicht nur zu einem reichen Industrieland, sondern auch zu einem PISA-Musterland gemacht.
Das „Schaffe, schaffe, Häusle baue!“ aus Baden-Württemberg passt gut ins Bild. Auch das Beispiel Finnland widerlegt die These nicht. Die Finnen haben bis zum Kollaps der Sowjetunion 1991 wirtschaftlich kommod mit einem riesigen verstaatlichten Industriesektor vom großen Nachbarn gelebt. Der Kollaps war dann für die Finnen dramatisch. Von 1991 bis 1994 ist die Wirtschaft um 13 Prozent geschrumpft, die Arbeitslosigkeit von drei auf 18 Prozent gestiegen.
Finnischer Schulterschluss
In einem Schulterschluss haben sich die finnischen Parteien zur Erkenntnis durchgerungen, dass nur eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit inklusive massiver Privatisierungen, deren Erlöse vor allem in den Hochschulbereich investiert worden sind, das Land aus dem Schlamassel führen kann.
Und wie schaut es bei uns mit dem Leistungsgedanken aus? Eine Antwort darauf gibt die gemeinsame Ablehnung (durch Lehrer ebenso wie durch Schüler) der Zentralmatura.
Auch die Idee, dass ein Lehrer einfach viel weniger Schüler unterrichten sollte, weist ganz in diese Richtung. Weniger Leistung. Und Österreich ein Volk von Lehrern.