Da frage ich mich, ob alle, die so einen Ausraster nicht wirklich verwerflich finden, genauso gelassen reagieren würden, wenn das eigene Kind solches von Freund oder Freundin bekommt...eine "gsunde Watschn" halt
"Gelassenheit" in Verbindung mit "Ausraster" zu bringen - nun ja. Für mich kann ich nur sagen: ich fühl während der gesamten Diskussion hier alles andere als "gelassen", und Leute, die versuchen, hier zu differenzieren, unterschwellig in eine Gewaltecke zu stellen, erzeugt in mir jedenfalls auch nicht gerade ein "gelassenes" Gefühl.
Dann wär ma wieder dort, wie beim Lehrer: ich würd ihm ein Ast'l brechen ...
Was mir im Thread auffällt, Frauen ham anscheinend mehr Probleme mit der Aufarbeitung div. erhaltener Watsch'n als Männer.
Da turnt grad die Emanze in mir rum...
Nein, ich denke nicht, daß Frauen mehr Probleme bei der Aufarbeitung hätten, jedenfalls war der Männeranteil in der Zeit, in der ich mit meiner "Aufarbeitung" beschäftigt war, in den Therapieeinrichtungen nicht erkennbar niedriger als der der Frauen.
Was allerdings richtig ist: Frauen sprechen anders, emotionaler, umfassender über ihre Gefühlswelt als Männer, Emotionalität wird bei Mädchen positiver wahrgenommen und von klein auf mehr gefördert als bei Jungs, das zeigt sich in emotional besetzten Themen eben dann auch. Wird aber für diese Diskussion hier zu weit wegführen.
Nur mal so neben bei. Eine schlimme Kindheit oder ein sehr schweres Leben machen keinen spezialisten
in Kindererziehung aus jemandem. (Nichts gegen dich fritzie ich schätze deine Beträge sehr aber ich hab n
eben so kaputes Leben und fühl mich deswegen kein Stück qualifizierter als jede andere Mutter auch)
Wenn du dein Leben als kaputt empfindest, dann solltest du etwas unternehmen. Das ist nicht ironisch gemeint, auch wenn mich dieser Absatz ziemlich ungut getroffen hat. Sei's drum.
Ich betrachte mein Leben keineswegs als "kaputt", auch wenn ich natürlich mit etlichen Dingen aus der Kinderzeit bis heute zu tun hab. Keiner von uns kann sich aussuchen, was er mit auf den Weg ins Leben kriegt, es liegt aber sehr wohl bei uns selbst, wie wir mit dem, was nun mal da ist, weiter umgehen - wollte ich meinen Erinnerungen und manchen Handicaps, mit denen ich zu leben habe, nachgeben und mich als "kaputt" wahrnehmen, würde das nichts anderes bedeuten, als die Täter zu Sieger zu erklären. Dazu bin ich nicht bereit.
Ich betrachte mich nicht als "Expertin", aber ich kann mir durchaus auf's Fähnchen schreiben, daß ich mich über mein halbes Leben hinweg intensiv mit dem Thema Gewalt auseinandergesetzt hab, natürlich vor dem Hintergrund dessen, was mir zugefügt worden ist, vor allem aber auch aus der Notwendigkeit heraus, mit meiner eigenen Gewaltbereitschaft zurandezukommen und sie irgendwie in den Griff zu kriegen, es ist sozusagen eines meiner "großen Themen", über die ich in verschiedener Form über viele Jahre nicht nur reagiert, sondern auch detailliert nachgedacht hab. Ich glaube zwar nicht, daß ich deswegen "rechter" habe als andere (was für ein Unfug - innerhalb der Psychologie u. der Pädagogik herrscht nur wenig Konsens überhaupt zu irgend einem Thema - genau genommen könnte sich jede "Fraktion" hier
den Experten wählen und als Sachverständigen zitieren, es würde weder die eine noch die andere und schon gar nicht die vielen Seiten dazwischen in irgend einer Form glaubwürdiger machen).
Worauf ich hinaus will: wir können uns natürlich gegenseitig beharken und jeweils die andere "Seite" als unfähig, gewaltverherrlichend oder weltfremd titulieren, es würde keinen von uns weiterbringen. Würde zumindest mir nicht gefallen, wenn ich schon mit großem emotionalem Aufwand irgendwo mitdiskutiere, will ich für mich auch Gewinn in Form von Argumenten mitnehmen - das "Bumm! So isses, du Gewaltverherrlicher" überzeugt mich dabei nicht so sehr.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass die G'schrapperln das sehr wohl unterscheiden können. Ich hätte es auch gekonnt, bzw. hab ich's gekonnt.
Zwar war es bei mir ned wirklich eine Misshandlung im eigenlichen Sinn, aber a kurzer Ausraster in diese Richtung.
Ich mußte zwei mal nachlesen, um zu glauben, daß ich das tatsächlich so geschrieben hatte: Kinder könnten zwischen der "erzieherischen Watsch'n" und Mißhandlung nicht differenzieren - widerspricht meiner Überzeugung so absolut, daß ich darauf nochmal eingehen will.
Weiter vorn hatte ich im #140 auch geschrieben:
...
(ja doch, ich glaube daran, daß auch ein Tritt in den Hintern wohlwollend sein und verstanden werden kann) stattgefunden haben. Kinder sind nicht blöd, die wissen ganz gut, ob Autoritäten einfach am Ende mit ihrem Latein sind und ausholen, ...
Scheint ein Widerspruch zu sein, zumindest auf den ersten Blick, ich hätt's anders formulieren müssen. Ja, ich bin davon überzeugt, daß Kinder in den meisten Fällen ein weitaus feineres Gespür dafür haben als Erwachsene, aus welcher Ecke der Wind pfeift - und nein, ein Kind wird dann nicht mehr differenzieren können, wenn die eigentliche Beziehung zu den Eltern desolat ist. Wenn Eltern wieder und wieder mit Gewalt erziehen, wird diese Unterscheidungsfähigkeit zerstört, und da beißt sich die Katz in den Schwanz. Weil es eben ein sehr dünner und kaum zu definierender schmaler Grat ist zwischen Sanktion und unreflektierter Gewalt, was der eine als "g'sunde Watschn" postuliert ist ja nun leider wirklich oft nichts weiter als der Versuch, Mißhandlungen zu rechtfertigen, wär's anders, würde so eine Diskussion die Gemüter ja nicht erhitzen.
Ich halt's für fatal, wenn man solche Dinge zu sehr polarisiert, weil dabei selten mit berücksichtigt wird, daß Kindesmißhandlung vielfältige Gesichter hat, Schläge sind nur ein Teil davon. Zu Mißhandlung zählt auch Vernachlässigung, emotionale Gleichgültigkeit, Liebesentzug, Einsperren, auch das Bloßstellen der Kinder könnte als Mißhandlung verstanden werden, der (deutsche) Gesetzgeber sagt hierzu u.a.:
§ 1631 Abs. 2 wird wie folgt gefasst:
„(2) Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.“
Daraus folgt, daß Eltern, die ihren Kindern nie mit körperlichen Strafen begegnet sind, deshalb noch keineswegs "auf der sicheren Seite" der gewaltfreien Erziehung sind.
Es ist auch keineswegs so, daß Kinder automatisch selbst zu Schlägern werden, wenn sie selbst geschlagen wurden, ebenso wenig ist wahr, daß Kinder, die andere schlagen, selbst geschlagen worden sind. So simpel ist die menschliche Seele nun mal nicht gestrickt, wäre sie das, hätten wir ja kein Problem damit, eine allgemeingültige Erziehungs-Anleitung zu erstellen und die auf alle Kinder 1:1 anzuwenden.
Ich bin nach wie vor grundsätzlich der Auffassung: Schläge sind abzulehnen. Weiterhin: ich halte dennoch körperliche Züchtigungen nicht
grundsätzlich für zerstörerisch, obwohl ich es ausdrücklich begrüße, daß sich (anders, als es hier im Thema z.T. angeklungen ist) heutzutage eine Haltung
gegen körperliche Erziehungsmaßnahmen immer mehr Raum verschafft.
Mir persönlich sind solche Maßnahmen - damit meine ich die Ächtung körperlicher Strafen und die Aufklärung dazu so wie die Aufnahme in die Gesetzgebung - allerdings nicht weitreichend genug. Es ist aus meiner Sicht eben nicht ausreichend, festzustellen, daß Schläge verwerflich sind - also runter von dem Dampfer und auf den aufspringen, der in die Gegenrichtung schippert - wenn damit nicht auch die Bereitschaft einhergeht, zu begreifen, was hinter solchen Sanktionen die
eigentliche Triebkraft ist. Die Gefahr, dabei auf anderem Wege Kinderseelen zu schädigen, läßt sich mit einer bloßen Umkehrung von "Wer sein Kind liebt, züchtigt es" hin zur absolut gewaltfreien Gesellschaft (halte ich sowieso für eine Utopie) ganz sicher nicht eindämmen.