dass sich die meisten Leute nicht mit diesem Thema befassen und deshalb auch nicht wissen, was es heißt SexarbeiterIn zu sein und welche Kompetenzen man dafür mitbringen muss.
Sehr richtig! Sexarbeit ist ein Feld der moral politics. Diese zeichnen unter anderem dadurch aus, dass:
Laienwissen (jeder glaubt darüber alles zu wissen) den Diskurs beherrscht,
negative Emotionen mobilisiert werden (Wut und Hass gegen Frauen denen es in der Sexarbeit gut geht und die offensichtlich erfolgreich sind, Ekel, der sich vor allem sprachlich äußert: "mit vielen/alkoholisierten Männern... jeden drüber lassen... die Beine breit machen" etc), und damit Beschämung, gerne auch aus heiterem Himmel bei Podiumsdiskussionen usw...
Silencing unliebsamer weil guter Erfahrungen systematisch stattfindet (meist mittels dem Ausnahmeargument: "du bist ja eine Ausnahme, dir hören wir deshalb nicht zu", aber auch mittels Patholologisierung: "Du bist ja psychisch krank, wurdest sicher in der Kindheit missbraucht, du weißt nicht was für dich gut ist, du spürst dich nicht" etc),
und Ideologie- statt Lösungsfokus besteht (es geht überhaupt nicht um die Lösung der zum Teil herbeikonstruierten Probleme, sondern ausschließlich darum, wer sich bei deren Deutung ideologisch durchsetzt, die wiederum moralisch unterfüttert ist).
Das macht sachliche Gespräche fast unmöglich. Will man als Sexworker da bestehen, muss man schon mit allen Wassern gewaschen sein und braucht man eine große Resilienz solchen Zumutungen gegenüber. Aber auch hier hilft Wissen. Weiß man etwa über moral politics Bescheid, kann man den Diskussionsverlauf voraussehen und sich entsprechend vorbereiten.