Am Busbahnhof fürchtet sich niemand vor den Cigans. Es wird laut gelacht, die Goldzähne blitzen. Eine attraktive, aber nicht mehr ganz junge Frau hat die Aufmerksamkeit einiger Männer erregt. Einer davon kommt auf sie zu, sagt etwas, was ich natürlich nicht verstehe. Ihre Antwort kommt laut, deutlich und mit einem Lächeln über ihre geschminkten Lippen. Die Umstehenden brechen in Gelächter aus, der Adressat tritt mit eingezogenem Kopf den Rückzug an.
Mein Bus ist da. Gott sei Dank ein neueres Modell, Mercedes, mit tadelloser Innenausstattung (Abgesehen von den unschön entfernten Aschenbechern auf der Rückseite der Sitze). Der Großteil der Busse für den Nahverkehr sind alt, mit harten Kunststoffsitzen und Abgasgerüchen im Innenraum. Wahrscheinlich - als Laie kann ich das nicht so genau beurteilen - wären der Zustand der Reifen und vermutlich auch anderer nicht unbedeutender Teile wie Bremsen, Lenkung, etc.., ein Grund so ein Fahrzeug z.B. in Ö. aus dem Verkehr zu ziehen.
Also rein, Fensterplatz gekrallt und los gehts.
Wir verlassen die Stadt, es ist immer noch stockdunkel. Der Bus hält in den ersten eineinhalb Stunden der Fahrzeit alle zehn, fünfzehn Minuten. Schüler steigen zu, alte Leute, die beim Einsteigen freundlich grüßen. In der Dämmerung kann man jetzt auch mehr von draußen erkennen. Man sieht kleine und größere Häuschen, die einen -zuminderst von außen - heruntergekommenen Eindruck machen. Teilweise gibt es keinen Verputz mehr, die Dächer sind geflickt. Kleine, windschiefe Schuppen stehen meistens ein paar Meter neben den Häusern, die Fläche dazwischen ist nicht betoniert sondern knöcheltiefer Gatsch. Ausrangierte Autowracks, Maschinen, u.ä. kompletieren den tristen Anblick. Nur Strom scheint es überall zu geben, selbst aus Häusern, die sich gerade im Übergangsstadium zur Ruine befinden, dringt ein Lichtschein aus den Fenstern.
Endlich erreichen wir die Ausläufer der
Südkarpaten. Die Bergspitzen sind schneebedeckt, das schöne Panorama macht die stundenlange Fahrt erträglicher. Die Straße schlängelt sich nun in Serpentinen immer höher hinauf. Die Begrenzungsmäuerchen in den Kurven sind stellenweise weggebrochen, es ist zwar kein Abgrund daneben, aber für ein paar Überschläge geht sich die Höhe noch aus. Immer wieder stehen Kreuze neben der Straße. ein Blumenstrauß, eine Kerze, ein Porträitfoto....erinnert mich an die Landstraßen im Waldviertel.
Der Bus verlangsamt sein Tempo, Pferdewagen, die der Kutscher aus zwei Metern Höhe auf dem geladenen Heu sitzend lenkt, müssen auf den kurzen geraden Strecken überholt werden.
Ein Fahrgast wird unruhig, beginnt mit dem jungen Chauffeur zu diskutieren. Anscheinend geht es ihm zu langsam voran. Nach fünf Minuten des Disputs hält der Fahrer am Straßenrand an, gibt dem Mann sein Geld zurück und fordert ihn zum Aussteigen auf. Der verläßt fluchend den Bus, die anderen Reisenden lachen, einer applaudiert. Problemlösung made in Romania.
Nach vier Stunden (inklusive zwei Pinkelpausen) steige ich in
Bran aus. Schon von der Busstation aus sehe ich das alte Schloß (Bj 14. Jhdt.), ganz in der Nähe auf einem Hügel. Dracula's castle sagen die Leute dazu. Das ist etwas verwirrend, denn es gibt ja zwei verschiedene Draculas. Der eine, der Vampir, ist
eine Romanfigur, erfunden von Bram Stoker, inspiriert von einer historischen Person: Vlad Draculea, genannt
Vlad Tepes (Vlad, der Pfähler). Der hat hier zwar nie gewohnt, aber Stoker hat in seinem Roman genau dieses Schloß beschrieben. Alles klar?
Am Fuße des Hügels, unterhalb des Schlosses befindet sich der Ticketschalter. Die Besichtigung kostet umgerechnet in etwa 1,50,-.
Die kann ich mir sparen, denn Montags ist geschlossen. Wie bei uns, denke ich mir, in Erinnerung an meinen letzten geplanten Museumsbesuch in Wien.
Was tun? Ich setze mich in eine kleine Bar, überall Kerzen, blutrot gestrichene Wände, offene Särge als Tische, abgedeckt mit einer Glasplatte, darunter Sand und verdammt echt aussehende Gebeine.
Ich muß grinsen, bei der Vorstellung, den alten Witz mit dem Vampir, der sich ein glas heißes Wasser bestellt, und auf die Frage des Wirtes: "Sonst nix?" ein gebrauchtes Tampon mit den Worten: "Mei Teesackerl hab i selber mit!" hervorholt, als practical joke hier umzusetzen. Allein, mir mangelt es an einem Tampon, und ich beschließe morgen wiederzukommen, und heute dem 30km entfernten Wintersportort
Brasov einen Besuch abzustatten. Appropos Winter: Hier in den Bergen hat es immer so ca. 10 Grad weniger als z.B. in Bukarest, was diesen Jänner aber immer noch +7 Grad bedeutet.
I steh auf da Straßn und wart aufn Bus, aber der kummt net....
Laut Fahrplan ist er schon 20 Minuten überfällig. Schön langsam wird mir kalt. Ein Taxi steht in unmittelbarer Nähe, der Fahrer lehnt an seinem Wagen, raucht und liest Zeitung. Ich frage ihn, wieviel er für die 30km Fahrt verlangt, er nennt mir einen Preis (ca. 18), ich biete ihm 20% weniger an, er akzeptiert sofort, wahrscheinlich ist das immer noch zu hoch, aber was solls. Rein ins warme Auto und los.
Aus dem Radio tönt rumänischer hip-hop, mir gefällts. Kurze Zeit später stehen wir in einer ansehnlichen Schlange vor einem geschlossenen Bahnübergang. Ich freue mich, einen Fixpreis ausgehandelt zu haben. Nach einiger Zeit dann das Fotomotiv: eine kleine offene Lok, eigentlich eine bessere Draisine kommt angetuckert. Angehängt ist ein einziger, uralter, rostiger Güterwaggon. Ich fange an zu lachen, der Fahrer grinst auch, schüttelt den Kopf und sagt nur: "That's Romania!"
Fortsetzung folgt, allein schon wegen Killerpeepmike.