Japan (Fukushima) Akw,Erdbeben,Tsunami

Besonders schlimm sind die menschlichen Tragödien die sich dort abspielen - fast unvorstellbar für nicht Betroffene:

http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/katastrophe-in-japan/337169/337170.php

Fukushima

Die Atom-Samurai

Yonezawa - Für die Welt, die ihn nicht persönlich kennt, ist Shingo Kanno einer der "Atom-Samurai" - ein selbstloser Held, der versucht, sein Land vor einer Katastrophe zu bewahren. Für seine Familie ist Kanno ein junger Vater, dessen Leben nun in Gefahr ist, nur weil er sich mit Hilfsarbeiten im Atomreaktor von Fukushima ein wenig Geld hinzuverdienen wollte. Als Tabakbauer hatte Kanno eigentlich nichts in einem Atomkraftwerk zu suchen, erst recht nicht in einer so ernsten Situation, wie sie sich seit dem Erdbeben am elften März dort entwickelt hat. Sein Großonkel Masao Kanno sagt: "Die Leute nennen sie Atom-Samurai, weil sie ihr Leben opfern, um ein Leck zu stopfen. Aber Leute wie Shingo sind Amateure: Sie können nicht wirklich helfen. Das sollten nicht Leute wie er machen."

Masao Kanno ist einer von 500 Menschen, die ihr Lager auf dem harten Holzboden des Sportzentrums von Yonezawa aufgeschlagen haben. Die meisten von ihnen sind innerhalb der Evakuierungszone zu Hause. Sie und viele ihrer Familienangehörigen haben in der Anlage gearbeitet, oder sie sind auf dem Weg zur Arbeit oder zur Schule jeden Tag an ihr vorbeigefahren. Vor der Katastrophe haben sie sich keine Gedanken über die Nachteile dieser Nähe gemacht, nun bestimmt sie ihr Leben: Inzwischen ist die radioaktive Strahlung dort 17 Mal höher als der Normalwert, und das Leitungswasser ist so kontaminiert, dass man es nicht mehr trinken kann.

Wer wie Masao Kanno persönlich von der Krise betroffen ist, der ist dankbar für den Mut der ungefähr 500 Arbeiter, die immer noch in der Anlage ausharren. Wo Japans Premierminister und andere aber Nationalhelden aufbauen, sieht er das Schicksal eines Verwandten.

Sein Großneffe Shingo Kanno war für Bauarbeiten angestellt, und unmittelbar nachdem der atomare Notfall ausgerufen wurde, wurde er freigestellt. Als die Krise sich zuspitzte, weitete die Regierung das Evakuierungsgebiet aus, und Shingo brachte seine Frau und seine kleine Tochter zu seinen Schwiegereltern in Sicherheit. Er half auch dabei, entfernte Familienangehörige aus der Stadt Minamisoma, die in der 30-Kilometer Sperrzone liegt, aus ihren Wohnungen zu holen und in das Sportzentrum und andere Notunterkünfte zu bringen. Dann, so erzählen seine Angehörigen, habe er einen Anruf aus dem Kraftwerk bekommen und sei gefragt worden, ob er zurückkomme.

Sie alle hätten reihum am Telefon ihn davon abzuhalten versucht und ihn daran erinnert, dass er Bauer und kein Atom-Ingenieur sei - er habe nicht die Kenntnisse Fertigkeiten, die eine solch komplizierte Krise erforderten. Er solle an seine Verantwortung für seine Eltern und seine kleine Tochter denken. "Ich habe ihm gesagt: Du solltest nicht an die Firma denken, sondern an deine eigene Familie", erzählt Masao Kanno. Doch am vergangenen Freitag ging der Großneffe trotzdem zurück. Seine Familie hat seitdem nichts mehr von ihm gehört.
In der Zwischenzeit hat der Kult um die Atom-Samurai nur noch weiter zugenommen. Das japanische Fernsehen strahlte ein Interview mit einem Arbeiter von Fukushima aus, in welchem dieser einen erschütternden Insider-Bericht über den Kampf um die Reaktoren gab. Mit unkenntlich gemachtem Gesicht beschrieb er das Dröhnen der Sirenen, den wabernden Rauch und Explosionen, die so stark waren, dass sie die Erde erschütterten. Er sprach auch über die Gefühle, die ihn bewegt hatten, bevor er sich aus der Anlage zurückzog. "Die Leute, die zurückgeblieben sind - sie tun mir wirklich leid. Es war eine schwierige Entscheidung, aber ich wollte unbedingt raus."

Solche Szenen lösen in dem Sportzentrum starke Emotionen aus. "Ich denke, man kann sagen, dass diese Arbeiter einer Gehirnwäsche unterzogen wurden", sagt Keiichi Yamomoto, der aus beruflichen Gründen regelmäßig in dem AKW zu tun hatte. "Japaner sind es gewohnt, ihr ganzes Leben auf ihre Firma auszurichten. Die Firma wird wichtiger als ihr eigenes Leben." Die Energiekonzerne bauten die Atomkraftwerke in dünn besiedelten Gegenden mit wenig Industrie. Leute aus der Gegend bekämen Jobs, der Energiekonzern wiederum könne seine Stromproduktion für Tokio erhöhen.

Die Regierung habe die Anlage in Fukushima genehmigt, die Präfektur habe zugestimmt, selbst die Menschen vor Ort seien einverstanden gewesen, als sie Anstellungen als Kontrolleure bekamen, so Yamomoto: "Es war ein Tauschgeschäft." Nun sind sie mit den negativen Konsequenzen dieses Geschäftes konfrontiert.

Menschen, die ihr Leben um das AKW herum aufgebaut hatten, ohne seine Gegenwart jemals wirklich wahrnehmen zu wollen, abonnieren jetzt SMS-Updates über die aktuelle Strahlenbelastung in ihren Heimatstädten. Einige sagen, sie vertrauten den Informationen des Betreibers nicht und würden erst wieder zurückgehen, wenn die Regierung ihr O.K. gegeben habe. Andere fragen sich, ob sie nicht auch irgendwie mitschuldig an der Katastrophe sind.

Im Nachhinein ist man klüger

Yoshizo Endo zog 1970 in die Nähe des Kraftwerks, er war einer der ersten Arbeiter in dem damals neu eröffneten Kraftwerk in Fukushima. Mehr als 20 Jahre lang arbeitete er als Kontrolleur und musste regelmäßig Sicherheitsübungen mitmachen: Feueralarm, Evakuierungsübungen für den Fall eines Erbebens. Aber niemals, sagt er, hätten sie die Möglichkeit eines atomaren Störfalls ins Auge gefasst. "Im Nachhinein ist es einfach zu sagen, wir hätten daran denken müssen." Seine Frau Tori sagt, die Krisensituation in der Anlage und der Kampf der Arbeiter bedrückten sie sehr. Ihr Mann habe in dem AKW jahrelang gut verdient, heute lebten sie von seiner Rente. "Ich fühle mich schuldig", sagt sie.

Hätte man Endo angerufen, wäre auch er gegangen, wenngleich als Teil eines Teams, so sagt er. Dabei fügt er hinzu: "Ich kann in so einer Situation wirklich überhaupt nichts tun. Ich weiß nur, wie man ein Thermometer hält." Glaubt er, dass es die Nuklear-Samurai schaffen werden, die Reaktoren unter Kontrolle zu bringen? "Es kommt, wie es kommt", antwortet Endo.

© Guardian News & Media Ltd 2011; Übersetzung: Holger Hutt

Berliner Zeitung, 24.03.2011
 
Einen höheren Sicherheitsaspekt versprächen Kernkraftwerke mit Core-Catcher. Umrüsten bestehender AKWs fällt aus technischer Hinsicht wohl flach, oder?
 
Einen höheren Sicherheitsaspekt versprächen Kernkraftwerke mit Core-Catcher. Umrüsten bestehender AKWs fällt aus technischer Hinsicht wohl flach, oder?

Es gibt in der Literatur einige Vorschläge und Patentanmeldungen für derartige Sicherheitseinrichtungen. Ich vermute, das eine Nachrüstung erfordern würde, dass das ganze KKW auf ein neues Fundament zu setzen ist ... oder so ähnlich halt.

Hätte die Atomindustrie früher auf solche Maßnahmen gesetzt, dann wäre möglicherweise die aktuelle Katastrophe ein "moralischer" Erfolg geworden .....
 
In erster Linie gehe ich davon aus, dass es an Geld und damit verbundenen Willen mangelt, ältere Kernkraftwerke mit dieser neueren Technik auszurüsten. Einen meines Erachtens hervorragenden Ansatz gab es bereits in diesem Thread, als von Untersee-AKWs die Rede war. Bei einem GAU "einfach" eine Schleuse öffnen und Meerwasser kühlt automatisch.

In n-tv lief die vergangenen Tage ständig die Katastrophe von Tschernobyl. Jemand sprach davon, diese Männer hätte man niemals aufs Dach raufschicken dürfen! Wäre es ihm lieber gewesen, diese Katastrophe hätte einen größeren Umkreis gehabt? Diese Männer dort, die in Schichten zu jeweils 45 Sekunden lang in Kleinarbeit kontaminiertes Material mit Spaten in den Reaktor zurückwarfen, verhinderten ein noch viel größeres Unglück.

Als sie einen metallischen Geschmack im Mundraum bekamen, war es höchste Eisenbahn, von dort wegzukommen. Für eine Frechheit halte ich nun das Vorgehen der Verantwortlichen, dass ihnen die Invalidenrente oder was auch immer gekürzt wird, wobei eh schon ein Großteil mit den Folgeschäden zu kämpfen hat.
 
Jemand sprach davon, diese Männer hätte man niemals aufs Dach raufschicken dürfen! Wäre es ihm lieber gewesen, diese Katastrophe hätte einen größeren Umkreis gehabt? Diese Männer dort, die in Schichten zu jeweils 45 Sekunden lang in Kleinarbeit kontaminiertes Material mit Spaten in den Reaktor zurückwarfen, verhinderten ein noch viel größeres Unglück.

Der Unglücksreaktor war zu diesem Zeitpunkt schon explodiert. Ich kann auch dir das Buch von Svetlana Alexijewitsch ans Herz legen, die erste Geschichte handelt von so einem "Feuerwehrmann am Dach". Die wurden hin geschickt und hatten keine Ahnung, was da los war. Da es heiß war, verrichteten sie ihre Arbeit mit nacktem Oberkörper.

Diese erste Geschichte ist eine Liebesgeschichte. Die jung verheiratete und schwangere Frau des Feuerwehrmannes schreibt über ihre Liebe .......
 
Zuletzt bearbeitet:
Meine Firma, ein internationaler Konzern, hat gestern entschieden, das zwischenzeitlich nach Osaka verlegte HQ wieder nach Tokyo zu verlegen, da dort alles "back to normal" sei. Ab sofort sind auch Dienstreisen wieder en vogue in Paris ( dort ist unser Firmensitz ). Wer zurückkommt, darf sich in der Dienstzeit einem medizinischen Test unterziehen. ( Nach der E-Mail empfand ich kurzfristig massive Übelkeit ).

Heute gibts die Meldungen, dass wieder mal keiner was weiß, jeder jeden beschuldigt, und in Wahrheit wohl der Meltdown schon in Gange ist.

Und noch ein Witz: Japan bewirbt sich für die Olympischen Spiele ( Faktum ). Lauter strahlende Sieger.
 
Und noch ein Witz: Japan bewirbt sich für die Olympischen Spiele ( Faktum ). Lauter strahlende Sieger.

:mrgreen:

gogolores,

Der Unglücksreaktor war zu diesem Zeitpunkt schon explodiert.

Ja, aber in der Doku wurde gezeigt, dass Hundertschaften radioaktiv verseuchtes Material vom Dach mit primitivsten Mitteln hinunterschaufelten, um zumindest die Gefahr einzudämmen.

Gesetzt den Fall, in Europa geschähe eine Kernschmelze... Der halbe Kontinent und zig Millionen Menschen müssten theoretisch evakuiert werden. Es gäbe keinerlei vernünftige Verhaltensmaßnahmen (ähnlich wie hier, wenngleich der "Feind" hier sichtbar und spürbar war).

Deshalb bin ich ein großer Verfechter - wie bereits mehrmals erwähnt - vorangetriebener sauberer Energiegewinnung, welche zwar anfängliche Unsummen verschlingt, a la longue jedoch rentabel sein wird.
 
Gesetzt den Fall, in Europa geschähe eine Kernschmelze... Der halbe Kontinent und zig Millionen Menschen müssten theoretisch evakuiert werden. Es gäbe keinerlei vernünftige Verhaltensmaßnahmen (ähnlich wie hier, wenngleich der "Feind" hier sichtbar und spürbar war).

Da kann ich dir nicht ganz folgen ......... musste halb Europa geräumt werden nach Tschernobyl?
 
Würde ein Fall wie in Tschernobyl in Mitteleuropa eintreten, gehe ich davon aus, dass dies einem nie dagewesenen Desaster gleicht - ärger als die Pest im Mittelalter. Großstädte wären auf immer unbewohnbar. Will man die Menschen leicht evakuieren?

Dann dürfte es so ablaufen, dass man eben mit der hohen Verstrahlung dort lebt und in irgendeiner Weise relativ resistent dagegen wird. Wissenschaftler haben bereits einen Gedanken daran verloren. Alteingesessene in der Umgebung von Tschernobyl blieben dort wohnen und kommen mit der Strahlung irgendwie besser zurecht.
 
angeblich kommen ältere menschen grundsätzlich besser mit der strahlung zurecht als jüngere
 
ich glaube man weiß bis heute nicht genau wieviele in tschernobyl gestorben sind, direkt danach oder im laufe der jahre. :cry: die haben erst zwei tage nach dem unglück davon überhaupt erfahren. da war vor paar tagen eine sehr traurige doku im fernsehen...der gorbatschow hat damals viel getan für die opfer und engagiert sich bis heute.
 
Würde ein Fall wie in Tschernobyl in Mitteleuropa eintreten, gehe ich davon aus, dass dies einem nie dagewesenen Desaster gleicht - ärger als die Pest im Mittelalter. Großstädte wären auf immer unbewohnbar. Will man die Menschen leicht evakuieren?

Dann dürfte es so ablaufen, dass man eben mit der hohen Verstrahlung dort lebt und in irgendeiner Weise relativ resistent dagegen wird. Wissenschaftler haben bereits einen Gedanken daran verloren. Alteingesessene in der Umgebung von Tschernobyl blieben dort wohnen und kommen mit der Strahlung irgendwie besser zurecht.

Es gibt eine Studie eines deutschen Experten...ich habs jetzt nicht parat...unser gesamtes System, ob Gesundheit, Infrastruktur etc. würde das nicht schaffen, wenn zB Isar I oder Dukovany einen Super-GAU hätten. Zu dicht besiedelt, dazu das Wetter.
Na, wir denken einfach nicht dran.
 
Normalerweise halte ich auf die Effekthascherei von Galileo nicht viel, aber man konnte in dieser Folge in etwa erkennen, dass z. B. Leute wie die alte Maria anscheinend problemlos mit der Strahlung umgehen. Ihre Kartoffeln seien die besten von ganz Tschernobyl, woraufhin der Besucher dankend ablehnte und sie danach etwas gekränkt war. Ist halt eine schwierige Gratwanderung.

Bei älteren Leuten schreitet das Zellwachstum nicht mehr so schnell voran, deshalb spielen strahlenbedingte Veränderungen in ihrem Genom keine so große Rolle mehr. Sprich: Bekommen sie durch Radioktivität Krebs, wird das statistisch wohl nicht mehr so genau erfasst werden wie bei den jüngeren Leuten, die damals in Tschernobyl am Dach standen.

Auch der psychologische Effekt soll dabei eine Rolle spielen, obwohl ich mir das schwer vorstellen kann. Wer davon überzeugt ist, es gäbe hier keine schädlichen Einwirkungen, der geht unbeschwerter damit um.
 
Es gibt eine Studie eines deutschen Experten...ich habs jetzt nicht parat...unser gesamtes System, ob Gesundheit, Infrastruktur etc. würde das nicht schaffen, wenn zB Isar I oder Dukovany einen Super-GAU hätten. Zu dicht besiedelt, dazu das Wetter.
Na, wir denken einfach nicht dran.

Hoffentlich gibt es an der Isar keinen Tsunami .......
 
das war jetzt aber schon unpassend, der kommentar.
Naja, ein bisserl taktlos vielleicht, aber auf der anderen Seite: so unrecht hat er nicht.

Es mag schon einen Unterschied machen, ob man mit 16 verstrahlt wird, oder mit 60. Freilich leben alle gleich gerne, aber wenn man ein gewisses Alter erreicht hat, kann man immerhin schon auf ein Leben zurückblicken, welches einem ja nicht mehr genommen werden kann. Das allein verschafft den Älteren schon einen gewissen Vorteil. :)
 
Zurück
Oben