Kindesmißbrauch

Ich wurde v.a. zu Beginn dieses Themas gefragt, was ich eigentlich will. Konkret konnte ich das noch nicht beantworten, so allmählich klärt sich das.

Zunächst eine weitere Frage, die gestellt wurde bzw. Hinweise, daß dies hier nicht der richtige Ort sei für Aufarbeitungen. Darauf will ich nochmal eingehen.

Ich wiederhole: ich war insgesamt 16 Jahre lang in unterschiedlichsten Therapien, davon allein 8 Jahre Psychoanalysen bzw. tiefenpsychogisch orientierte Psychotherapien - mit sehr vielen Erkenntnissen über mich, ohne konkrete Verbesserungen in meinen Befindlichkeiten. Außerdem Verhaltenstherapien, die konkreter auf meinen Alltag ausgerichtet waren - mäßige Erfolge, aber immerhin. Alle Therapien wurden fast anstandslos von der Krankenkasse bezahlt.

Worauf ich hinaus will: Hinweise, sowas gehöre in "Fachliche Hände", erübrigen sich. Ich sehe Therapien in erster Linie v.a. zu Beginn als konkrete Krisenintervention und Unterstützung, im weiteren Verlauf auch als Art Training, in dem man lernen kann, Probleme künftig anders zu bewerten und eigene Strategien zu entwickeln, um sie zu bewältigen. Also Hilfe zur Selbsthilfe.

Daß mein Schritt hier nicht gerade "üblich" ist weiß ich, daß er als fragwürdig gesehen kann, weiß ich auch und nehme das in Kauf. In speziell für solche Fälle ausgerichteten Foren war ich aktiv, sie sind für mich deshalb nicht geeignet, weil mir die Ausrichtung zu sehr auf die Opferrolle beschränkt bleibt, in dieser Opfer-Position wollte ich nie bleiben.

Hierher bin ich konkret mit dem Ziel gekommen, bestimmte sexuelle Schwierigkeiten zwischen meinem Mann und mir zu klären, die mich schon etwas kennen haben sicher mitgekriegt, daß unsere Beziehung inzwischen "offen" ist - hab ich bissl ausprobiert, hat mir nichts gebracht, also isses momentan noch unausgegoren. Immerhin habe ich in meiner Zeit hier erkannt, daß die Probleme nicht einfach bei meinem Mann liegen, sondern eben vieles seinen Ursprung in diesen Kindergeschichten hat. Wollte ich zuerst nicht wahrhaben, zumal ich schon früh Orgasmen hatte und vor meiner Ehe ein zeitweise sehr ausgiebiges Sexleben geführt hab. Aus diesem Grund denke ich, daß dieses Forum gerade der richtige Platz ist, um meinen ollen Kram "fertig" zu klären.

Ich bin gestern ziemlich geknickt gewesen, weil kaum noch Reaktionen kamen. Meine Gedanken dazu waren: ich darf "authentisch" sein, solange das nett und blödelig daherkommt, zeige ich mich mit meiner gesamten Bandbreite, wird geschwiegen, wie ich das aus meiner Kinderzeit auch kenne. Fühlte sich erstmal Scheiße an, aber das ist mein Ding - soll nicht als Vorwurf gelten, lediglich als weitere Ansage, warum ich glaube, GENAU HIER richtig zu sein mit meinem Anliegen. Ich will Dinge für meinen weiteren Alltag, sprich: Umgang mit anderen Menschen, klären, nicht mit Psychologen, sondern mit Menschen, wie sie sich hier tummeln.

Mein Mann hat mich von meinem Selbtmitleidstrip wieder einigermaßen runtergeholt und mir erklärt, daß ich immerhin viele Jahre hatte, um meine Lebensgeschichte zu erleben. So komprimiert erzählt muß das natürlich als geballter Hammer ankommen, der vielleicht diejenigen, die's überhaupt gelesen haben, überfordern muß. Ist zu akzeptieren, ich werde versuchen, ein bißchen "Tempo" rauszunehmen.

Zu Manon: ich hab deinen letzten Beitrag hier gelesen und war erstmal versucht, mich bei dir zu entschuldigen. Manchmal machen mich solche Ansagen, daß meine Geschichte andere zum Weinen bringt, bissl sauer, aber früher haben mir solche Reaktionen dabei geholfen zu erkennen, daß das, was ich erlebt hab, tatsächlich nicht richtig war. :)


Ein letzter Punkt noch, der mir in den letzten Stunden klar geworden ist: meine Geschichte ist merkwürdig schief. Ich konnte mir das nicht erklären, weil ich immer penibel, fast schon besessen über all die Jahre versucht habe, bis ins kleinste Detail absolut ehrlich zu sein, mir gegenüber vor allem, auch nach außen. Ich halte das nach wie vor für die einzige Möglichkeit, sich von alten Dingen freizustrampeln. Trotzdem ist meine Geschichte um meine Brüder, die Pflegegeschwister und die Mutter nicht wirklich stimmig. Und das kann sie auch nicht sein, weil: ich hatte bereits an anderer Stelle erwähnt, daß ich dissoziiert habe, ungefähr ab dem 4./5. (?) Lebensjahr bis vor knapp 10 Jahren, mein Mann hat die letzten "Ausläufer" noch miterlebt.

Was das genau ist, wie sich das für mich ausgewirkt hat und wie ich mich stückweise davon freimachen konnte werde ich nach und nach erzählen, einerseits um für mich nochmal Klarheiten zu schaffen, andererseits auch in der Hoffnung, das, was widersprüchlich scheint, trotzdem verständlich machen zu können. Das ist mir v.a. denjenigen gegenüber wichtig, zu denen ich hier ein besonderes Vertrauensverhältnis entwickelt hab. Mag merkwürdig klingen, aber mir bedeutet das viel, weil: meine Schwierigkeiten im Alltag hatte ich selten mit Leuten, die ich nicht mochte, sondern mit denjenigen, die mir emotional näher kamen. Anders gesagt: außer meinem Mann gab es in meinem Leben einen engen Freund - und sehr viele Bekanntschaften. Das will ich ändern, ich bin zu isoliert.

Das will ich mit der Aufarbeitung dieser Mißbrauchsgeschichte erreichen. Ich will mich davon nicht mehr daran hindern lassen, Sympathien und Zuneigung auszuhalten - bislang isses mir bis auf die beiden Ausnahmen nämlich immer gelungen, Leute, die ich mag, auf die eine oder andere Art wieder loszuwerden. Das muß aufhören.


So, das war's für jetzt. Fühlt euch nicht verpflichtet zu antworten. :oops: :engel:
 
Kurze Aufwachpause:


wenn ich mir die Frage stelle, ob mein Bruder schuldhaft gegen mich gehandelt hat oder nicht, dann muß ich mir die Frage stellen, ob ich schuldhaft handle, wenn ich Ungenauigkeiten oder Falsches erzähle und als Begründung meine dissoziierten Erinnerungen heranziehe.

Wenn ich merke, daß ich ungenau oder falsch erzähle, dann muß ich alles daransetzen, um das so lange zu bearbeiten, so gut wie ich nur kann, um die Wahrheit herauszufinden. Es geht um's Wollen. Wenn ich nicht darauf verharre, nicht zu können, dann WILL ich. Kann mühsam sein, ein Ringen, aber die Erinnerungen kommen, stückweise, um das ganze Bild zu vervollständigen. Selbst wenn es Jahre dauert (heute geht das schneller, ich bin bereits "zusammengefügt").

Wenn ich dann erkenne, wo und wie ich falsch erinnert oder gehandelt habe, dann muß ich das richtig stellen. Für Fehler lasse ich "mildernde Umstände" gelten, aber: auch dissoziierte Persönlichkeitsanteile, auf die ich früher keinen bewußten Zugriff hatte, waren nicht "verrückt", sie sind Teil von mir und damit verantwortlich. Das heißt: Schuld muß in Verantwortung münden, damit sie bewältigt werden kann. Mit allen Konsequenzen: Aufarbeitung, auch Bestrafung vielleicht, oder wenn die Gründe für früheres Fehlverhalten schwerwiegend genug waren, früher oder später Aussöhnung. "Vergebung", wie Elena das nennt. Dann tut es nicht mehr so höllisch weh, man kann ruhiger werden.

So hab ich das mit meiner Pflegemutter im Wesentlichen hingekriegt. Als Kind, als Opfer muß ich ihr Verhalten weder verstehen noch verzeihen, es WAR grauenhaft. Aber ich hab über die Jahre immer wieder gesehen, daß sie selbst Opfer gewesen sein muß, sie war manchmal "verrückt", hatte Nervenzusammenbrüche, hatte sich nicht im Griff, und wenn ihr Vater zu Besuch war, war sie klein und wagte kaum Widerreden. Auch später, als sie aus der Einrichtung weg war und in der Mädcheneinrichtung, in der ich einige Jahre vorher auch gelebt habe, die letzten Berufsjahre verbrachte, ist sie wieder "Kind" geworden.

Keine ihrer Taten ist damit entschuldigt. Aber ich konnte sie begreifen und ich konnte erkennen, wo sie in mir weitergewirkt haben. Mit jedem Stück, das ich begreifen konnte, wurden die Schrecken anders, unpersönlicher, nicht mehr gegen mich als Franzi gerichtet, sondern ihr ganz eigenes Drama. Das tat weh, das führte aber auch dazu, daß der Gedanke an ihre Augen mich nicht mehr in Angst und Schrecken versetzt hat, daß irgendwann auch nicht mehr alles in mir schrie, endlich von ihr verstanden, geliebt, verschont zu werden, selbst nach so vielen Jahren. Ich konnte sie Stück für Stück loslassen. Sie als Mensch, das, was von ihr übrig ist, kann mich nicht mehr berühren. Die Aussöhnung in mir hat stattgefunden. Für sie empfinde ich sowas wie ein unpersönliches Bedauern, Verständnis. Aber nicht das Bedürfnis, sie wieder zu sehen, weil dieses Verstehen von ihr nicht angenommen würde. Sie hat sich mir nicht gestellt.

In Bezug auf meinen Bruder heißt das: war er verantwortlich? Vielleicht ja, vielleicht nein. Hat er sich darum bemüht, irgend etwas im Rückblick zu verstehen, aufzuarbeiten, wieder gut zu machen? Nein. Ist er damit schuldig geworden? Unentschieden. Ist er verantwortlich zu machen für die Geschehnisse damals? Ja, auch wenn er aufgrund seiner eigenen Erlebniswelt reagiert hat. Kann ich das verstehen? Stück für Stück erschließt sich mir, in welchem Drama ER gelebt hat. Kann ich das irgendwann vergeben? Ja, in mir drin schon, soweit das mich betrifft. Ich kann begreifen, was passiert ist, noch nicht ganz, aber mit der Zeit. Die Abhängigkeit von ihm wird aufhören.

Werde ich ihn dann wiedersehen wollen? Nein. So lange er nicht von sich aus den Kontakt sucht und mir freiwillig zeigt, daß er Verantwortung und den Wunsch nach Aufarbeitung übernommen hat, nicht. Wird nicht nötig sein, er wird mich nicht mehr berühren können.

Ein guter Gedanke, ich komme der Sache näher.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Ich bin gestern ziemlich geknickt gewesen, weil kaum noch Reaktionen kamen.
Also ich denke einmal, das musst Du nicht sein.
Ich kann ja nur für mich sprechen, und bei mir ist es so, dass ich - Du wirst das bemerkt haben - im Allgemeinen keine großen Hemmungen habe, zu verschiedensten Themen und Fragen meinen Senf dazu zu geben. Oft auch ungefragt, meist in dem Bestreben, meine Erfahrungen in der einen oder anderen Weise beizusteuern, um einer Fragestellerin oder einem Fragesteller den Weg zu Antworten zu erleichtern. Und dann kommst Du mit Deinem Kindesmissbrauch.

Auf der einen Seite ist auf den ersten Blick zu erkennen, dass hier eine Frau schreibt, der es nicht darum geht, in irgendeiner Form Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Man spürt schon, dass Dich dieses Thema sehr beschäftigt und bewegt, dass Du hier schreibst in dem Bestreben, zu verarbeiten, zu bewältigen, vielleicht sogar abzuschließen, was Dich über viele Jahrzehnte auf unvorstellbare Weise belastet und am Leben gehindert hat. Daraus erwächst für mich eine nicht geringe Schwierigkeit.

Als ich Deine ersten Posts gelesen hatte, war meine Reaktion darauf eher die "logische": Fassungslosigkeit, Wut, Ohnmacht, Ratlosigkeit. Für mich war's darüber hinaus ein inniges Danke an den lieben Gott und an meine Familie und mein Umfeld, dass es mir erspart war, meine Kindheit in einer solchen Atmosphäre leben zu müssen. Aber darin liegt natürlich auch das Problem: es mangelt mir an einschlägiger Erfahrung. Nichts, was ich beitragen könnte, Dir zu raten, so wie es nichts gibt, was ich Dir aus eigenem Erleben empfehlen könnte, um diese Punkte in Deinem Leben abzuschließen.

Ich habe lange nachgedacht, was sonst ich Dir schreiben könnte, um Dir in irgendeiner Form zu helfen. Natürlich wäre mir einiges eingefallen, aber wie gesagt - aus meinem eigenen Erleben heraus, vor dem Hintergrund meiner umhegten Kindheit, was könnte ich Dir raten für eine gänzlich andere Situation, die ich mir in der Gesamtheit ihrer Schrecken nicht einmal im Ansatz vorstellen kann? Über mein langes Sinnieren hast Du von anderen Usern schon die eine oder andere Reaktion erhalten, und ich habe bei dieser Gelegenheit bemerkt, dass mein theoretischen Denken ganz offenbar zu gleichen oder ähnlichen Ergebnissen geführt hat, wie man sie in den betreffenden Posts lesen konnte.

Daher habe ich mich entschlossen, mich nicht wichtig zu machen und mich in Zurückhaltung zu üben, solange die geäußerten Ansätze nicht meinen Widerspruch herausfordern. Besseres vermag ich Dir nicht vorzuschlagen, und so ist es besser, zu schweigen. Ich denke, das ist das beste, was ich tun kann.

Zumal ich mich ausreichend selbst kenne, um zu wissen, dass diese Phase des Schweigens ohnehin nicht endlos andauern wird. ;)
 
bei dir zu entschuldigen.
DAS solltest Du auf keinen Fall tun !!!! Ich wollte damit nur zum Ausdruck bringen, das ich mich erst sammeln muss, ich hab mir das alles bildlich vorgestellt und mit anderen Erfahrungen verglichen, da hat es mich einfach übermannt, aber keine Sorge, ich kann gut damit umgehen, ausserdem geht es nicht um mich hier, also nur weiter fritzie.


ausgerichteten Foren
Der Meinung bin ich auch, für viele "Opfer" ist es gar nicht hilfreich, dort zu aggieren, die Meinungen sind zu einseitig.
Hier gibt es vielleicht mal unüberlegten Donner, aber der ist gut für Dich, niemand will Dir zum Mund reden.
 
Ich bin gestern ziemlich geknickt gewesen, weil kaum noch Reaktionen kamen. Meine Gedanken dazu waren: ich darf "authentisch" sein, solange das nett und blödelig daherkommt, zeige ich mich mit meiner gesamten Bandbreite, wird geschwiegen, wie ich das aus meiner Kinderzeit auch kenne

Blödsinn ;) aber ich für meinen Teil und muss arbeiten. Und du hast meiner Meinung mehr verdient, als ne flüchtige Nachricht vom Eierphone aber jetzt muss ich erst mal schlafen.
 
Worte


Schnell gesprochen,
auf Papier gekritzelt.
Verworfen, neu gewählt,
verbindlich, flüchtig,
ahnungslos verletzend.

Stumm gesagt
wie Drahtseile
an der Wirklichkeit
geben sie Halt
für diesen Moment.

(c) 2011, meins


Das hab ich letztes Jahr geschrieben, als ich mich damit beschäftigt habe, mit der Einrichtung innerlich zu irgend einem Ergebnis zu kommen. Es ist mir in der letzten Zeit wieder oft durch den Kopf gegangen, seit ich wieder konkret dabei bin, die eine oder andere "Leiche" zur Ruhe zu betten.

Worte haben mir immer geholfen. Als Kind in Form von Büchern, später in Form von meinen "Erzählungen", wenn ich nicht mehr reden konnte (über Emotionen konnte ich kaum reden), dann habe ich das aufgeschrieben und meinen Therapeuten zu Lesen gegeben, wenn mir etwas wichtig erschien.

Mir steht nicht besonders viel Mimik zur Verfügung. So sehr ich auf Gesichtsausdrücke, Gesten usw. bei anderen achte, meine Ausdrucksfähigkeiten scheinen da relativ begrenzt. Mir stehen vor allem "muffig" oder "verkniffen" zur Verfügung (habe ich oft zu hören bekommen, wenn ich mich konzentriert habe, und konzentriert bin ich fast immer im direkten Kontakt mit anderen, ich versuche sie zu "entschlüsseln" - damit habe ich andere oft irritiert, manchmal kam dann: "Schau doch ned so bös"). Oder Lachen. Ich lache so gern, ich finde auch immer irgendwas zu lachen, weil es ja eigentlich kaum etwas gibt, das sich nicht zu einem Kalauer umbiegen läßt. Das kommt im Alltag zu kurz, aber ich lasse eigentlich kaum mal eine Gelegenheit aus, mich über Dinge zu amüsieren, das hat mir oft geholfen, Dinge zu "entkrampfen".


Ich will versuchen, die Sache mit den Dissoziationen zu erklären. Dabei bin ich kein Wissenschaftler, ich gehe auch mit manchen Erkenntnissen, wie sie über die Jahre aus Psychologieecken kam, nicht ganz konform und ich habe ein relativ distanziertes Verhältnis zu anderen Leuten, die dissoziieren. Weniger aus Ablehnung, sondern weil ich das für mich doch in Teilbereichen sehr abweichend erlebt, aber auch überwunden habe. Durchaus mit Therapeutenhilfe, allerdings habe ich bis auf das letzte Therapiejahr bei einer sehr guten Traumatherapeutin keinen der Therapeuten darüber informiert, daß ich dissoziiert habe. Mit ihr habe ich sozusagen vor allem "Zusammenfügen", Zuordnen und Nachbetrachtungen der vorangegangenen Jahre gemacht, habe ein paar "Tricks" von ihr an die Hand bekommen, wie man die eigenen Wahrnehmungen und den eigenen Verstand daran hindern kann, sich in schwierigen Situationen zu "verkriechen" - eigentlich einfache, ziemlich praktische Hilfestellungen.


Zunächst: eine dissoziative Identitätsstörung ist das, was populärer unter "Multiple Persönlichkeiten" bekannt ist. Darüber wird viel gewitzelt, v.a. virtuell, wenn jemand sich als Troll betätigt, widersprüchlich ist oder Mehrfachnicks nutzt, um sich selbst Antworten zu geben.

Viele denken, es wäre gleichbedeutend mit Schizophrenie, isses aber nicht. Es hat mit wahnhaften Vorstellungen nichts zu tun, keine der "Persönlichkeiten" ist verrückt oder halluziniert oder hört Stimmen.

Im Grunde genommen ist das eine Art hochspezialisierte Überlebensstrategie, die verhindert, daß Dinge, die man nicht bewältigen kann, einen den Verstand verlieren zu lassen - laienhaft-plump gesagt.

Geheimnisvoll ist daran eigentlich nichts, auch wenn verschiedentlich gerade nach den ersten Publikationen versucht wurde, Leute mit dieser Störung zu einer Art medienwirksamer "Freakshow" zu verwursten.

Wenn traumatische Erlebnisse sehr früh, wiederholt und heftig erlebt werden, versucht das Gehirn, sie so abzuspeichern, daß sie ein Weiterleben ermöglichen. Amnesien dürften bekannt sein - die kann man erleiden, wenn ein Schock zu groß ist, um das Erlebte zu bewältigen. So in etwa in "vielfacher Form" funktionieren Dissoziationen auch. Man speichert Erlebnisse in verschiedenen, voneinander abgegrenzten "Gedächtnisecken" ab, auf die man in ihrer Gesamtheit keinen "Zugriff" mehr hat, weil sie widersinnig, nicht einzuordnen und damit nicht sofort zu bewältigen sind. Diese "Teilerinnerungen" können sich je nachdem, wie man weiter lebt und sie braucht, sozusagen unabhängig voneinander weiterentwickeln, oft einfach als Persönlichkeitsfragmente, manchmal auch als scheinbar voneinander unabhängige, vollkommen unterschiedliche, eigenständige "Persönlichkeiten".

So in etwa habe ich das verstanden, im Kontakt mit anderen DISlern habe ich immer wieder erlebt, daß diese "Multiplen" als "wir" kommunizieren, ihren "Persönlichkeiten" Alter, Namen, eigene Erlebniswelten zuordnen.

Ich konnte und wollte mich damit nie anfreunden und lehne das bis heute für mich ab, aus verschiedenen Gründen: alle diese "Persönlichkeiten" haben ausgefallene, "schöne" Namen - das heißt, die Betroffenen statten ihre dissoziierten Persönlichkeitsanteile aktiv zusätzlich mit einer Art Legitimation aus, unterstützen "sie" sozusagen bei der Entwicklung ihrer Eigenständigkeit, verstärken damit diese eigentliche Lebensstrategie derart, daß sie in ihrer weiteren Entwicklung an dieser Strategie verstärkt festhalten, obwohl die ursächlichen Umstände schon lange nicht mehr real vorhanden sind. Ist ein bißchen schwierig zu erklären. Will damit sagen: es bringt so eine Art "Festhalten" an der Opferrolle und der ursprünglichen Verteidigungsmechanismen mit sich, die in der aktellen Lebenssituation nicht mehr hilft, sondern lediglich dauerhaft weiterhin Gefahrensituationen suggeriert und immer wieder neu bestätigt.

Die einzelnen "Persönlichkeiten" entwickeln sich dabei nie weiter, sie "wachsen" nicht, sie bleiben "Kind", "Mann" oder "Frau" oder auch aggressiv oder hilflos. Um aber heil werden zu können, ist Weiterentwicklung notwendig, sonst bleibt man Opfer.

Meine subjektive, keineswegs wissenschaftlich irgendwie abgesicherte Haltung dazu, ich schreibe nachfolgend über meine eigenen DIS und wie ich sie überwunden habe.


Aber ned jetzt - Alltag ruft. :mrgreen:
 
Seit ich dieses Thema gestartet habe, bin ich in so einer Art "Assoziations-Modus". Das heißt: ich hab mich bis zu einem gewissen Grad "durchlässig" gemacht für Impulse, Gedanken von außen usw. Das macht mich "angreifbar", erlaubt mir aber auch, Erinnerungen auftauchen zu lassen, die durch bestimmte Haltungen oder "Schlüsselwörter" angestupst werden. Ziemlich einfache Technik, werden viele vielleicht in abgewandelter Form kennen, wenn sie bei Schluckauf z.B. versuchen, an 7 glatzköpfige Männer zu denken oder so.

Das bringt auch mit sich, daß ich z.Zt. extremen Stimmungsschwankungen ausgesetzt bin, dieser Thread ist sozusagen eine "Roßkur", die ich mir verabreiche. Ist nicht unbedingt empfehlenswert, wenn man unsicher ist, ob man stabil genug dafür ist. Ich halte mich für stabil genug, trotzdem hatte ich kurz mal die Befürchtung, nach 10 Jahren vielleicht wieder zu dissoziieren, will sagen: wer sich selbst alten Ängsten entgegenstellen will, sollte zumindest einen oder zwei starke Menschen im Hintergrund haben, die einen immer wieder "auf den Boden" zurückholen können. Die habe ich.

Warum erzähle ich von meiner DIS? Weil sie wichtig ist, um Neubewertungen in der Vergangenheit vorzunehmen.

Konkret: ich habe sehr früh angefangen zu dissoziieren, Auslöser war ein extremes Erlebnis (ich habe zugesehen, wie mein Vater meine Mutter "tot geschlagen" hat - sie hat zwar überlebt, aber das konnte ich damals nicht wissen. Ich hielt mich für schuldig, weil der Auslöser für die Prügel ich gewesen bin).

In meiner Kindheit waren mir solche Zusammenhänge nicht bewußt, es gibt rückblickend nur Indizien für die DIS: was ich für "schlafwandeln" gehalten habe, dürfte damit zusammengehangen haben, auch andere Dinge wie das eigentlich ständige Gefühl, Sachen verbrochen zu haben, ohne mich an sie erinnern zu können, ich hab ja erwähnt, daß ich oft nächtlichen Verhören ausgesetzt war.


Ein konkretes Erlebnis: es waren Schoko-Ostereier geklaut worden. Unsere Pflegemutter beorderte uns alle in den Keller (das war u.a. der Prügelplatz - "Lärmschutz" nach außen). Wir mußten uns alle in einer Reihe aufstellen und sie kündigte an, uns nacheinander mit dem Stock zu verprügeln, bis einer von uns den Diebstahl zugab. Der Pflegebruder, der neben mir ebenfalls "Haßkind" war, bekam auch Prügel, wir hörten seine Schreie. Dann forderte sie uns wieder zum Geständnis auf. Ich pißte mir vor Angst in die Hosen und gestand, ich war alles andere als ein Held. Das Ergebnis war, daß ich doppelte Prügel bekam, dafür daß ich den Pflegebruder "unschuldig" hatte verprügeln lassen und für die eigentliche Tat.

Ich erinnerte mich an keinen solchen Diebstahl, aber ich glaubte, daß ich ihn begangen haben könnte.

Als mein leiblicher Bruder - der, mit dem ich die Mißbrauchsgeschichte erlebt habe - mir als Jugendlicher erzählt hat, daß er derjenige gewesen war, der das Osterei geklaut hatte, war ich ihm dankbar. Es war ein Puzzlesteinchen, das ich damit wieder an seinen "richtigen Platz" legen konnte.

Was das über seinen Charakter aussagt - er hat ja wirklich zugelassen, daß der andere Pflegebruder und ich die Kloppe abgekriegt haben - erschließt sich mir jetzt erst. Deswegen ist es mir wichtig, auch über die DIS zu schreiben (unter anderem). Ich würde die Zwangssituation, in der wir alle lebten, als "Entschuldigung" gelten lassen. Er lebte aber in keiner solchen, er war damals schon stark und hatte keine Prügel zu befürchten. Er wollte lediglich seine Stellung nicht gefährden.

Diese Haltung kann ich hassen, mit Recht. Und ich kann guten Gewissens von mir sagen, daß ich NIEMALS jemanden anderen verdächtigt habe, um selbst aus dem Schneider zu sein. Ich war also auch hier kein Täter, wie ich das befürchtet hatte.

Wieder ein Stückchen, das ich in mir geraderücken kann, weg von der Dankbarkeit, weil er mir gegenüber Jahre später den Diebstahl eingestanden hat, hin zur Wut. Blödes Arschloch.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
....Ich bin gestern ziemlich geknickt gewesen, weil kaum noch Reaktionen kamen. Meine Gedanken dazu waren: ich darf "authentisch" sein, solange das nett und blödelig daherkommt, zeige ich mich mit meiner gesamten Bandbreite, wird geschwiegen, wie ich das aus meiner Kinderzeit auch kenne. Fühlte sich erstmal Scheiße an, aber das ist mein Ding - soll nicht als Vorwurf gelten, lediglich als weitere Ansage, warum ich glaube, GENAU HIER richtig zu sein mit meinem Anliegen. ...

Sorry sorry!! Komplett überarbeitet und das bleibt noch zumindest eine Woche so!
Hier geht es wirklich um etwas - und sowohl Lesen wie auch Verstehen wie auch Reagieren sollten der Bedeutung deiner Lebensthemen angemessen sein. Alles andere wäre unwürdig.

:hmm: ...angesichts der bisherigen Reaktionen, meine ich zumindest, dass du nicht unrichtig hier im Forum mit diesem Thread bist. ;)

Du beschreibst eine Lebenswelt außerhalb der Rationalität und des verstehbar zivil-bürgerlichen...
Ich sag so - das erinnert an Fritzl und Co, an die schwarzen Berichte aus verschiedenen (kirchlichen) abgeschotteten Institutionen...

Es gab in Österreich einen Kardinal, von dem auch jede(r) "wusste" - und trotzdem durfte er geschützt und behütet leben und sterben....

Ich weiß nicht warum dies so ist - aber es gibt einen deutlichen Hang (zumindest in den mitteleuropäischen Gesellschaften), die Täter zu Lasten der Opfer zu schützen...

Die aktuell aufgebrochenen, publich gewordenen "Geschichten" in Österreich bezüglich Missbrauch in katholischen Institutionen, Gewalt und Missbrauch in den säkulären öffentlichen Heimen wurden erst nach längerer Zeit und Kampf gegen Widerstände zu Themen öffentlicher Betroffenheit und Wiedergutmachung..

Nun - deine Lebenserfahrungen sind von einer Tiefe und Tragweite, dass sie von bloßen "Ratschlägen" und "Lebenstipps" nicht mehr erreicht werden.
Das wäre wie Kräutertee gegen einen potenziell letalen Infekt. Bleibt die Frage, wie kann man den Selbstheilungskräften die beste Aufmerksamkeit und Unterstützung anbieten?

:winke:
 
Das wäre wie Kräutertee gegen einen potenziell letalen Infekt. Bleibt die Frage, wie kann man den Selbstheilungskräften die beste Aufmerksamkeit und Unterstützung anbieten?


Einfach, indem ihr da seid. Ich hab euch bzw. dieses Forum nicht aus Versehen ausgesucht, um "mein Thema" jetzt abzuarbeiten, ich bin zwar "offenherzig", aber übermäßig vertrauensselig war ich eigentlich nie. Ich hab euch "geprüft", manche sehr konkret (bloß keine Panik jetzt. Ich kann sehr gut "zwischen Zeilen lesen", einige werden mitgekriegt haben, daß ich in alten Beiträgen von ihnen herumgestöbert habe, um ein Gefühl für ihre Einstellung zu entwickeln - ich geb das u.a. mit dem "Gefällt-Button" zu erkennen), vor allem aber auch das "Klima" hier. Ist genau richtig so, ich fühl mich hier sehr sicher, auch mit jenen Leuten, die mich angreifen oder für angriffig oder aggressiv halten. Die "Regulierung" untereinander funktioniert hier im allgemeinen sehr gut, meistens jedenfalls.

Ich bekomme verschiedentlich Fragen oder Anmerkungen per PN, die mir zeigen, daß meine "Erkenntnisse" manchen auch den einen oder anderen Denkanstoß vermitteln. Darüber freu ich mich immer, ich betrachte das in gewisser Weise als "Zahlmittel" dafür, daß ich hier die Hilfestellungen finde (von Anfang an übrigens), die ich suche. Sag ich wahrscheinlich nicht oft genug so als "undankbarer Balg", ist aber so.
 
Ach Herrjeh. Geistiger Ausfluß... ist nicht wirklich relevant für's Thema. Ich lasse den Text trotzdem stehen, weil ich es blöd fände, nachträglich so zu tun als hätte ich mich ständig unter Kontrolle. Tobe ich normalerweise eher im Blog aus oder spotze dem Härtesten der Harten hier das Postkastl mit solchen Ergüssen voll. :oops:

Ihr könnt's überspringen oder auf eigene Gefahr lesen. :cool:




Als ich gestern meinen Mann vollgejammert habe, daß ich mich durch die „Nichtreaktionen“ fühle wie früher, als die Spuren der Mißhandlungen sichtbar gewesen sein müssen, aber keiner reagiert habe, hat er mich ziemlich schnell von diesem Ast wieder runter geholt.

Mein Gefühl, das ich oft habe, wenn Leute von meiner Biografie erfahren, ist so, als gelte in Bezug auf mich so eine Art Schweigegebot – Dinge, über die man nicht spricht, werden sozusagen bis zur Nichtexistenz „tot“ geschwiegen. Das ist ein quälendes Gefühl, ich hatte oft das Gefühl, damit „ungültig“ gemacht zu werden.

Das hat mit dem gerne bemühten „Aufmerksamkeitsdezit“ nicht viel zu tun. Es wäre mir jederzeit ein Leichtes, mehr als genug Aufmerksamkeit zu kriegen, das gilt für's RL genauso wie für die virtuelle Welt. Genau genommen bin ich nicht besonders erpicht darauf, ich kann zwar „dampfplaudern“, aber ich suche oft lieber „Randplätze“ auf, um das Geschehen um mich herum aus der Distanz zu beobachten

Mein Mann warf dann gestern den Begriff „Hochsensibilität“ ein, eine Eigenschaft, die auf mich zutrifft und die ich oft als unangenehm empfinde, weil das oft so eine Art „Reizüberflutung“ mit sich bringt, wenn ich mit Leuten zu tun habe. Auch das macht einsam, weil die Dinge, die ich wahrnehme, z.T. so differenziert sind, daß es schwierig ist, mich anderen damit verständlich zu machen. Vielleicht so, wie wenn jemand jede kleinste Nuance der Farben Grün wahrnimmt und sich darüber mit Leuten unterhält, die gerade mal hell-, dunkel- und neongrün kennen.

Ich hab mich während meines stationären Therapieaufenthalts einem IQ-Test unterzogen, weil ich dachte, ich wäre möglicherweise „verrückt“. Wie auch immer: „Hochbegabung“ wird gerne als Art Tugend gesehen, auf die man stolz sein müßte oder mit der man angeben kann. Halte ich für Unfug, Intelligenz ist zunächst nichts weiter als ein „Werkzeugkoffer“ - zum Handwerker wird man durch den Besitz eines bestens ausgestatteten Werkzeugkoffers aber noch nicht. Wenn man diese Werkzeuge nicht praktisch im Leben nutzen kann, nützen sie einem nicht. Ich war als Elf- oder Zwölfjährige zwar in der Lage, meine „intellektuelle Überlegenheit“ gegenüber meiner Pflegemutter und den Geschwistern wahrzunehmen, ich war aber in keiner Weise fähig, mich damit wirksam gegen sie zur Wehr zu setzen.

Meine Pflegemutter hat das ebenfalls registriert und entsprechend „gewürdigt“: einerseits so eine Art bewundernder Zynismus, wenn sie mir berufliche Möglichkeiten als Astronautin, Bundeskanzlerin und dgl. in Aussicht stellte, andererseits aber verstärkte sie ihre Bemühungen, mich mit Sockenstopfen, Vorbereitung zu einem Leben als Hausfrau und der erklärten Absicht, meinen „Willen zu brechen“ so wie in „Der Widerspenstigen Zähmung“.

Warum erzähle ich das. Weil auch das einsam macht. Ich hab oft Leute beneidet, die – um bei meinem Bild mit dem Werkzeugkoffer zu bleiben – einen soliden Handbohrer, Lineal und Hammer besitzen und die richtig zu nutzen wissen. Es wäre gelogen, wenn ich behaupten wollte, ich wäre als Jugendliche nicht eingebildet gewesen auf meinen Verstand. Ich konnte ihm nur nie richtig nutzen, das mußte ich erst lernen.

Wenn ich heute unter Leuten bin, halte ich mich meistens zurück, weil meine schnellen, z.T. scharfen Argumente als persönliche Angriffe empfunden werden. In Foren bekam ich gelegentlich Fragen wie: „Mußt du überall mitquatschen?“ (nein, ich bremse mich sowieso schon sehr). „Du meinst wohl, überall mitsenfen zu können!“ (ich unterhalte mich äußerst selten über Dinge, von denen ich keine Ahnung habe). Daß ich dabei früher oder später sehr widersprüchlich wirke ist mir bewußt, ich sage manchmal, daß ich „mehrere Biografien parallel“ gelebt habe. Das bezieht sich einerseits natürlich auf meine Dissoziationen – ich habe über Jahre 2 – 3 Berufe oder Jobs ausgeübt, war dennoch oft und lange schwerst depressiv, habe in derselben Zeit "parallel dazu" gesoffen oder sonstige psychische Katastrophen durchlebt, ich habe von klein auf Unmengen an Büchern „verschlungen“, obwohl ich keinen vernünftigen Schulabschluß habe usw.

Ich schreibe und reagiere überdurchschnittlich schnell, das passiert fast beiläufig. Dahinter steckt keine besondere Begabung, das ist einfach jahrelanges „Training“. Aber es bringt Leute früher oder später dazu, sich irritiert zu fühlen, vielleicht auch überfordert, besonders wenn ich scheinbar 20 Stunden am Tag aktiv bin (wenn ich wie z.Zt. angespannt bin, dann schlafe ich sehr wenig) .

Ich überfordere auch oft meinen Mann, weil ich mich für zig Sachen gleichzeitig interessiere und mir Informationen dazu sehr schnell aneigne. Manchmal sage ich spaßeshalber, eigentlich müßte ich ständig mit Ritalin ruhig gestellt werden, mein Kopf ist irgendwie hyperaktiv.

Solche Dinge machen einsam, manchmal habe ich das Gefühl, als Alien auf dem falschen Planeten zu leben. Ich habe mich im vergangenen Jahr ein paar Mal mit einem hochbegabten jungen Mann unterhalten, der ähnliches berichtet – er findet kaum adäquate Gesprächspartner (wir haben uns nur eine Zeit lang gut unterhalten, neben ihm bin ich intellektuell ein Kindergartenkind. Meine Intelligenz ist zwar hoch, aber nicht außergewöhnlich – hier gibt es einige User, die mich locker in die Tasche stecken könnten). Er leidet weitaus mehr unter seiner Einsamkeit als ich).

Ich erzähle das nicht, um damit anzugeben. Ich weiß, daß mein Verstand in einer Art „trainiert“ ist, die mir beim Bewältigen meiner Kindheit sehr gut geholfen hat. Ich fühle mich anderen selten überlegen, obwohl das manchmal unterstellt wird. Eigentlich ist das Gegenteil der Fall. Manchmal wünsche ich mir, mir mit meiner "1000-Gedanken-für-eine-Entscheidung-Methode" nicht so im Weg zu stehen, wie ich das oft gerade in emotionalen Dingen tue.

In einem Forum wie hier bekomme ich einen Teil meiner Bedürfnisse gestillt, weil: es ist groß genug, um mich „auszuhalten“, es gibt genügend „Input“, über den ich nachgrübeln kann (ich lese hier sehr viel und „kenne“ etliche User, mit denen ich nie diskutiert habe), ich finde hier Antworten auf ganz normale Fragen, die zu lösen ich oft nicht hinkriege, weil ich zu kompliziert denke – all sowas eben. Mich mental und emotional zu ertragen, scheint für einzelne Menschen jedenfalls ziemlich schwierig zu sein, zumindest wenn ich mich „ungebremst“ zeige. Verteilt auf viele klappt jedenfalls ziemlich gut, ohne einzeln über Gebühr zu strapazieren.

Ich fürchte, Calamos, das geht jetzt als Antwort weit über die von dir gestellte Frage hinaus. Bin ziemlich geschwätzig zur Zeit :mrgreen:

Ich brauche „Normalität“. Leute, die frei Schnauze mit mir reden. Die nicht einfach schweigen, wenn ich zu „wortgewaltig“ wirke – das geht schnell, ich produziere in Windeseile Unmengen an Text, wenn ich nicht aufpasse (oft auch dann – sehe ich gerade jetzt wieder :roll:).



Was das jetzt alles mit dem Thema Kindesmißbrauch zu tun hat - keine Ahnung. Ich glaube nicht, daß etwas ohne Grund passiert, und ich bin davon überzeugt, daß nichts Schreckliches existiert, ohne zugleich auch das Potential zu "Gutem" in sich zu tragen. Das hat sich in meinem Leben schon sehr oft bestätigt. Es muß sich absurd anhören, wenn ich sage, daß ich neben allen Katastrophen auch sehr viel Glück in meinem Leben hatte.

Ich "höre" gerade regelrecht, wie jemand jetzt sagen wird: "Geh Fritzie, denk ned so kompliziert!" :lol: - irgendwie gehört das alles zusammen, ich kann's nur noch nicht greifen.


Ist das irgendwie nachvollziehbar?
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
In den letzten Tagen habe ich mir und auch euch allerhand zugemutet. Im Gegensatz zu euch würfelt's mich zwar gehörig durch die Gegend, das kriegen v.a. mein Mann und wenige "handverlesene" User ziemlich ungefiltert mit. Anders als ihr kenne ich solche "Zustände" aber bereits, das gehört zum Abarbeiten dazu. Fühlt sich zwar Scheiße an, läßt sich aber überstehen.


Mit diesem Wissen bin ich euch gegenüber im Vorteil: ich werde um ein weiteres Stückchen gestärkt daraus hervorgehen. :cool:



Neu daran ist diesmal, daß ich euch "öffentlich" daran teilhaben lasse, auch dafür habe ich ein paar für mich konkrete Gründe, die ich gewissermaßen an euch "erprobe".

Zeit für eine "Zwischenerdung".

Was hab ich bis jetzt: Beziehung zu meinem Bruder klärt sich allmählich. Der "Wundschorf" ist sozusagen runtergerissen, die Wunde ist offen und sieht unschön aus, die Wundheilung wird sicher noch einige Zeit dauern und vielleicht noch die eine oder andere kleine "Entzündung" nach sich ziehen.

"Gesamtzustand" erwartungsgemäß: hab mich schon besser gefühlt. So hart an meine Grenzen wie in den letzten Tagen bin ich seit langem mehr gegangen. Ich bin erschöpft, ich arbeite "nebenher" in unserem Betrieb - zwar nur mit halber Kraft und entsprechend langsam, aber immerhin. Eigentlich fühl ich mich dafür zu angeschlagen, aber ich bin froh darum, weil: wären meine täglichen Verpflichtungen nicht, würde ich mich vermutlich vollständig diesen emotionalen Böen ergeben und käme dann nicht mehr so schnell wieder in die Puschen. Ist also eine Art "Gerüst".

Beziehung zur jüngeren Pflegeschwester: klärt sich, meine zwischenzeitlich aufgetauchte Panik, ich sei an ihr ebenso Täterin gewesen wie mein Bruder mir gegenüber hat sich ziemlich gelegt. Ich bin zuversichtlich, daß mein "Bauchgefühl" und meine jetzt immer deutlicher auftauchenden Erinnerungen dabei stimmiger sind als meine ersten großen Ängste diesbezüglich. Die Versuchung war da, alles bis ins Detail aufzuschreiben, das will ich in diesem Thread vermeiden, um jede Möglichkeit, damit evtl. pädophilen Mitlesern irgendwelche Wichsvorlagen zu liefern, auszuschließen.

Wenn diese ganze Sache ausgestanden ist, werde ich diese Pflegeschwester suchen, es ist 14 oder 15 Jahre her, daß wir uns das letzte Mal gesehen haben. Falls es irgend etwas von ihrer Seite aufzuarbeiten gibt, wird sie die Gelegenheit dazu haben, falls nicht, so oder so könnte sie für mich ein Bezugspunkt in meine Vergangenheit werden, wenn sie das will. Das ist eine Perspektive.


Noch offen: es ist mir momentan ziemlich unklar, warum ich den Mißbrauch bzw. die Auswirkungen so ausschließlich an meinem Bruder festgemacht habe. Klar ist, welche Rolle er als lebenswichtiger Bezugspunkt für mich gespielt hat. Unklar: die ersten Übergriffe haben durch die Pflegemutter stattgefunden - dabei ging es um "versteckt sexuelle" Übergriffe in Form von Einläufen, von Kontrollen meiner ersten Menstruationsartikel, um ihren gesteigerten Haß gegen mich, als mein Körper anfing, weibliche Formen anzunehmen.

Ebenfalls offen: warum die Grapschereien des Vaters meiner Pflegemutter immer irgendwie beiläufig auftauchen. Er hat uns Mädchen befummelt, immer unter dem Vorwand, uns duschen zu müssen. Für einen Pfarrer ungewöhnlich, zumal das ungefähr bis zu meinem 12. Lebensjahr so ging. Obwohl ich immer stillstand und nie wirklich greifen konnte, was da passierte, erinnere ich vage so eine Art Starrheit und Ratlosigkeit, Wut gegenüber diesem Mann empfinde ich nur, wenn ich diese Situationen "wie durch fremde Augen" sehe und erzähle. Auch das wird noch zu klären sein.
 
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Das Bedürfnis, nützlich zu sein, ist sehr stark, besonders in "angeschlagenen" Zeiten.

Deshalb: Danke für ein paar wenige Rückmeldungen per PN. Sie bestärken mich darin, hier weiterzumachen.


Euch "Stillen" wünsche ich einen besonders schönen Tag. :winke:
 
Es gab mal eine Situation, da muß ich 6 Jahre alt gewesen sein, da machten wir mit der Pflegefamilie einen Sonntagsspaziergang. Uns kam ein älteres Ehepaar entgegen, die Frau sah aus wie eine liebe Omi mit ihren grauen Haaren. Ich rannte auf sie zu, warf mich an sie und sagte: „Ich hab dich lieb!“ Die Frau lachte, war wahrscheinlich überrascht, umarmte mich zurück und sagte: „Ich dich auch“.

Zu Hause gab's Prügel für mein „unmögliches Benehmen“.


Es gab in der Einrichtung Zivildienstleistende. In den familiären Gruppen waren sie nicht oft eingesetzt, aber manchmal war einer da, las uns Kindern etwas vor oder spielte mit uns. Eines Tages war einer von ihnen bei uns auf der Terrasse, er las uns eine Geschichte vor, ich hab mich an ihn gedrängt und bin dann auf seinen Schoß geklettert. Er sah aus wie Jesus, er hatte einen Vollbart und dunkle Haare, und Jesus war mein Freund. Er hielt mich fest, las weiter. Dann kam die Pflegemutter, beorderte mich streng ins Haus. Dort gab es einen Anschiß und die Frage, ob ich nicht merke, wie aufdringlich und peinlich mein Verhalten sei. Ich muß 7 oder 8 gewesen sein. Ich schämte mich.

Ein älterer Junge aus der Einrichtung spielte manchmal mit uns Kleinen. Er war hübsch, sehr nett. Eines Tages wurden wir früh geweckt. Er war tödlich verunglückt.

In der letzten Zeit erlebe ich immer mehr Momente der Trauer. Ich hab bislang nie getrauert, als Kind nicht und später auch nicht.



Und eine unglaublich große Angst. Davor, daß Menschen, die ich angefangen habe zu mögen, den Respekt vor mir verlieren könnten, wenn ich meinen eigenen Weg gehe oder Dinge sage oder mache, die sich „nicht gehören“.

Das ist ein beschämendes Gefühl. Ich wollte nie wieder jemanden brauchen.
 
..... Davor, daß Menschen, die ich angefangen habe zu mögen, den Respekt vor mir verlieren könnten, wenn ich meinen eigenen Weg gehe oder Dinge sage oder mache, die sich „nicht gehören“.

Das ist ein beschämendes Gefühl. Ich wollte nie wieder jemanden brauchen.

Ist das jetzt mangelndes Selbstwertgefühl? Hört sich so an... passt aber nicht zu Dir, oder spielst du ( vor Dir selber) die Harte um (Dir)das nicht eingestehen zu müssen?

Konstruktiver Gedanke, nicht bös sein.
 
Die "Harte" mußte ich nie spielen. Im Zweifelsfall hab ich mich immer dafür entschieden, mein Ding zu machen und Leute, die mir emotional nahekamen, abzuservieren. Darin bin ich ziemlich gut.


Mein Mann war allerdings immer schneller. Dem konnte ich abhauen so oft ich wollte, der hat mich immer wieder eingesammelt.

Ok. Manchmal brauchte der 'nen dezenten Wink per SMS, wo ich grad hingeflüchtet war. Sehr nützlich, wenn ich nicht den ganzen Weg zu Fuß wieder heimlatschen wollte. :lalala:


Später oder irgendwann vielleicht ernsthafter, im Moment fehlt mir grad eine gewisse "Reife". :winke:
 
Ich konnte eigentlich ein ganz schöner Satansbraten sein. Heut denk ich mir manchmal, so' nen Balg wie mich hätte ich früher als Second hand verkauft. Heut hätte ich manchmal gern so einen. :mrgreen:

Wenn man in der Grundschule Buchstaben lernt, muß man reihenweise immer wieder die Buchstaben kringeln, in Schönschrift und genau an den Linien entlang. War das fad.

Ich hab aus den großen A's (← den Deppenapostroph lassma da!) immer wunderschöne Gockeln gezeichnet, mit den bunten Schwanzfedern oben aus der Spitze, unten links und rechts waren die Füße. Aus der 8 konnte man nette Häschen zeichnen, die B's waren schwangere Teddys und die 2er – klar! - Schwäne. Ich fand die Viecherei schön. Im Zeugnis stand allerdings bei Mitarbeit und Schönschrift nur 'ne 3. Banausen.

Es gab kaum einen Fetzen Papier, kein Schulbuch, keine Serviette, die ich nicht verschönert hätte.

Die Bücher waren mein Liebstes. Wurde auch gefördert, und ich hatte meine Leseecken. Eine war im Wohnzimmer unter der Eckbank, da war hinten in der Ecke so ein Hohlraum – da drin hatte ich eine Taschenlampe und immer ein paar Ersatzbatterien und ein, zwei Bücher gebunkert. Auch im Keller, unter „meinem“ Pflaumenbaum vor'm Haus, in den ich im Sommer oft geklettert bin um dort zu schmökern.

Ich bin oft in den Wald gestromert. Da gab's so einen versteckten Weiher, in dem ich oft rumgewatet bin. War so schön gruslig, rutschig, da waren im Frühsommer oft massenhaft Köcherfliegenlarven drin, die bauen sich aus allem Möglichen so eine Art Gehäuse um sich herum. Die konnte ich stundenlang beobachten. Frösche hab ich gerne gekitzelt, bis die mir ins Gesicht gehüpft sind, und einmal hätte ich beinahe eine Eidechse erwischt. Blieb aber nur der Schwanz übrig, der Rest von der Echse ist abgehauen. Wenn ich aus dem Teich rauskam, mußte ich meine Beine erstmal wieder von den ganzen Blutegeln befreien. Ziemlich glitschige Viecher.

Manchmal hab ich Regenwürmer gesammelt, wenn ich nach Hause kam waren meine Hosentaschen manchmal voll davon. Die hab ich meiner Pflegemutter mal auf den Tisch gelegt, weil ich die ihr zeigen wollte, aber sie war grad am Telefonieren. Hab die dann vergessen, bis sie geschrieen hat – die Würmer hatten keine Lust gehabt, auf dem Tisch liegenzubleiben und waren rumgekrabbelt. Die Pflegemutter ist in ein paar von denen reingestiegen. Fand die nicht so gut. Die Würmer wahrscheinlich auch nicht.

Ein andermal hab ich eine tote Blindschleiche gefunden. Die sehen ziemlich hübsch aus, jedenfalls wenn die Sonne draufscheint, dann schimmert die dunkelgraue Haut ein bißchen. Hab die mit nach Hause genommen und meiner älteren Pflegeschwester ins Bett gelegt. Die war so eine Hübsche, bißchen schnepfig, und durfte immer länger aufbleiben als wir Kleinen. Hat ziemlich laut geschrieen, als sie rausgefunden hat, was da so kalt an ihrem Bein lag. Na ok, hat mir eine Nacht im Keller eingebracht, aber das hat sich gelohnt. :lalala:

Meine jüngere Pflegeschwester und ich sind einen Sommer lang regelmäßig früh kurz nach Sonnenaufgang aus dem Fenster gestiegen und im Dorf rumgestromert. Gab viel zu sehen, und einmal haben wir in der Nachbarschaft den kleinen Kirschbaum leergefuttert. Wir haben oft „echte Versteinerungen“ gefunden, in der Gegend gab's Gestein, das so in Platten aneinander lag, dazwischen hatte sich von eindringendem Wasser so ein Muster gebildet, das sah aus wie urtümliche Pflanzenversteinerungen. Manchmal fanden wir aber auch echte versteinerte Schnecken oder Bruchstücke davon. Wir sind oft so ausgebüxt und vor dem Wecken wieder ins Zimmer zurückgeklettert. Wir waren oft so auf Achse, bis wir erwischt worden sind. Das gab eine „pädagogische“ Strafe – die Kleine war ein lebhafter Floh, die mußte ein Wochenende lang Briefmarken aus Kuverts ausschneiden. Ich als Leseratte mußte draußen die Wege vom Unkraut befreien. Das war lästig, aber ich hab einige interessante Sachen dabei gefunden, sogar ein paar Groschen waren dabei.

Am besten fand ich's immer, wenn ich Sachen untersuchen konnte. Ich hab Puppen auseinandergeommen und wußte genauestens Bescheid, wie die Klappaugen funktionierten, wie die Haare befestigt waren und wie man die Arme und Beine wieder so befestigen konnte, daß sie sich unabhängig voneinander bewegen ließen. Manchmal allerdings falsch herum. Ich hab heimlich ein Telefon auseinandergenommen um zu sehen, wie das von innen aussah. Hab's allerdings nicht mehr zusammengekriegt. Also technisch begabt war ich nicht so besonders.

Meine schönste Erinnerung ist die, wie ich den Vater einer Klassenkameradin an einen Baum gefesselt hab. Weiß nicht mehr, ob er Indianer oder Cowboy war, aber daß ich ihn dort am Baum vergessen hab, weil's dann im Haus Eis für uns gab. Als es zu regnen anfing wurde er vermißt und dann gefunden. Ich glaube, er hat trotzdem gelacht, ich fand den nett.

Solche Sachen hatte ich lange Zeit vergessen. Man sagt immer, man würde besonders schlimme Sachen vergessen. Stimmt für mich nicht so, die besten Sachen sind mir erst in den letzen Jahren so tröpfchenweise wieder eingefallen. Heute kann ich über solche Sachen lachen, ich glaube ich hätte mich gut leiden können, wenn ich sowas wie mich als Nachwuchs gehabt hätte. :mrgreen:
 
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gesteigerten Haß gegen mich, als mein Körper anfing, weibliche Formen anzunehmen.

Hier kommt diese Eifersucht ins Spiel, für viele unglaublich und auch unerklärlich, aber Du wurdest zur Konkurenz für sie, Angst davor, der Vater könnte Dich mehr "mögen" als sie, Dich bevorzugen.


warum die Grapschereien des Vaters meiner Pflegemutter immer irgendwie beiläufig auftauchen.
kann es sein, das Dir als Kind noch nicht bewusst war, das sowas nicht richtig ist ?
 
Ich wär nicht auf die Idee gekommen, daß das nicht richtig ist. Der war doch Pfarrer. Wir sind sehr christlich erzogen worden.
 
Hier kommt diese Eifersucht ins Spiel, für viele unglaublich und auch unerklärlich, aber Du wurdest zur Konkurenz für sie, Angst davor, der Vater könnte Dich mehr "mögen" als sie, Dich bevorzugen.


Nein. Sie hatte Angst vor ihrem Vater. Mit 11 Jahren hat sie zu wachsen aufgehört, sie ist immer irgendwie kindlich geblieben.
 
Hier herrscht gerade 'ne ziemliche Krankenzimmeratmosphäre, stelle ich fest. Eigentlich auch kein Wunder, da sieche ich so vor mich hin und betexte euch mit lauter Sachen...


Als mein Mann mir gestern (oder vorgestern?) vorgeschlagen hat, ich solle mal versuchen, ein paar schöne Erlebnisse mit meiner jüngeren Pflegeschwester aufschreiben, war ich bissl skeptisch. Vor Jahren haben Therapeuten verschiedentlich gesagt, es müsse doch auch schöne Erinnerungen geben. Hab ich damals vehement verneint und bin wütend geworden, wenn sie das nicht geglaubt haben. Ich konnte mich an absolut gar nichts Positives erinnern.

Das hat sich in den letzten 1 – 2 Jahren geändert, tröpfchenweise. Jetzt strömen solche lustigen Erinnerungen wie von selbst, ist echt ein Knaller.

Als „Patient“ bin ich eine ziemliche Zumutung, immer schon. Wenn ich schlecht drauf bin, dann will ich knatschig sein und meine Ruhe haben. In Krankenhäusern war's meistens lustig, ich hab etliche OPs im Lauf der Jahre gehabt. Ich meine: für mich war's lustig, für die Ärzte meistens nicht, weil die mich immer erst im Haus suchen lassen mußten, wenn Visite angesagt war.

Patient sein ist Scheiße. Ehrlich. Kennt ihr das? Man liegt da wie'n Maikäfer, kann nicht viel anstellen, die hübsche Krankenschwester riecht nach Desinfektionsmittel und füllt einen mit Kamillentee ab, die Besucher reden leise und vorsichtig oder „schonen“ einen. Wenn sie mit Schweinsbraten statt Bananen und Likörchen in der Thermoskanne anrücken würden, wär's unterhaltsamer. Krank ist man schließlich eh schon, das muß nicht unterstützt werden. :confused:


Mir tun die lustigen Erinnerungen grad gut. Wie die in meine düstere Vergangenheit passen – pff, sortiere ich ein andermal ein.

Mir ist vorhin eingefallen, wie ich schwimmen gelernt hab. Als wir „Kleinen“ - die jüngere Pflegeschwester und ich - das lernen sollten, war ich immer voller Panik, ich hab rumgebrüllt und gestrampelt, wenn mir das jemand mit den Händen unter'm Bauch beibringen wollte, ich bin dabei jedesmal fast abgesoffen.

Zu Hause hatten wir so eine Stufen-Badewanne, da mußten wir Samstags immer drin baden, die Jüngste und ich, zusammen, um Wasser zu sparen. Wir haben dann oft abwechselnd getaucht und dabei gezählt, wer länger unter Wasser bleiben konnte. Irgendwann hab ich registriert, daß es schwierig war, richtig unten zu bleiben, im Wasser gab's immer diesen Auftrieb. Mußte ich im Schwimmbad dann gleich ausprobieren und es hat funktioniert: ich konnte gar nicht untergehen, egal wie sehr ich mich bemüht hab. Schwimmen konnte ich zwar damit immer noch nicht, aber ich hatte plötzlich keine Angst mehr vor dem Wasser. Mit meinem Bruder hab ich bald die tollsten Arschbomben hingelegt, erst vom 1-m-Brett, später hat er mir gezeigt, wie man vom 3-m-Brett runterspringt. Arschbombe von so weit oben hab ich allerdings nur ein Mal probiert, ich kann's nicht weiterempfehlen. Hat noch tagelang gebrannt.

Mein Bruder hat mich immer aus dem Wasser gefischt, wie man schwimmend vom Fleck kommt hatte ich noch nicht raus, nur ab und zu den Kopf zum Luftholen aus dem Wasser heben konnte ich schon. Bald war ich bei den Bademeistern vom Freibad gehaßt wie die Pest, weil ich dann alleine dort hin bin und vom 3-m-Brett gehüpft bin, um dann im Wasser zu warten, bis mich wieder jemand rausangelt. Fand ich gut.

Ich bin dann eine ziemliche Wasserratte geworden. Im Freibad gab es so einen metallenen Steg, der über's Wasser führte, dort konnte ich mich an den Stützpfeilern unter Wasser halten und Fische beobachten, das war so ein Naturbad oder zumindest ein Teil davon, soweit ich mich erinnere.

Später, da konnte ich schon schwimmen, hab ich oft „Schwerelosigkeit“ gespielt. Das ging so: Augen zu, Nase zuhalten, dann wie ein Propeller um die eigene Achse rotieren, immer schneller, bis mir schwindlig wurde. Wo oben und unten war konnte ich so nicht mehr unterscheiden, und wenn ich dann den Körper still hielt, fühlte sich das so an, wie ich mir die Schwerelosigkeit vorstellte, der Körper ist ganz langsam wieder zur Wasseroberfläche hochgestiegen. War manchmal bissl knapp mit der Luft, aber abgesoffen bin ich nicht.

Ich glaube, das waren doch ziemlich normale Erlebnisse, oder? Ist ein ziemlich gutes Gefühl, mich an die zu erinnern. Die schlimmeren Erinnerungen sind damit nicht weg, aber nicht mehr so ausschließlich. Wie 'ne Verschnaufpause.
 
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