Zollen, Zollte, Gezollt !
Ich zolle Lob, denn es gibt einen Aufzug. Tadel hingegen zollt man nicht, man tadelt einfach. Flatscreens an den Zimmertüren, Flatscreen im Foyer. Auf letzterem kann ich gewiss die Koordinaten meiner Zielpersoninnen ablesen, aber oh: Bildchen zerfließen zu neuen Bildchen, Damen räkeln sich in normgerecht undamenhaften Posen, doch Zimmer und Stock ist keinfach eingeblendet. Nun gut, so besucht man ja auch das Guggenheim-Museum in New York, einfach hinauf mit dem Lift, und dann wie auf Wölkchen bergab schlendern und staunen. Hurenbock mit Matura, lassen wir es ruhig raushängen.
Dachgeschoß Zollgasse, einstmals graumäusiges Bürogebäude, jetzt graumäusiges Laufhaus im Herzen der Stadt, Herz was willst du mehr? Dachgeschoß minus eins,
Anna. „Erforsche mit ihr die Spielarten der Lust der iberischen Halbinsel“, raunt die Homepage genitivreich, aber dazu müsste Anna die Türe öffnen. Das old-school Schild, nicht der Flatscreen, sagt „Frei“, ich läute. Warten. Mehr aus Langeweile denn sonstwegen, läute ich wieder und immer wieder. Auf Schweigen folgt mehr Schweigen, meine Gedanken wandern. Dann bin ich verdattert, denn die Türe öffnet sich tatsächlich. Seven Minutes, ok? In Ordnung, sage ich verschämt zu Anna, ihr Busen ist groß, doch die Auspizien schlecht, ich trotte treppab.
Erdgeschoß plus eins,
Chanel. Die Frau schön, die Fotos schöner - Ich sage mir ach, das muss jetzt einfach. Dünn, jung, geil, das Leben ist wirklich so simpel. Sie aus Rumänien und ei äm from Austria. Die Schuhe doch dorthin wo der Gästesessel ist, sagt sie eine Spur zu autoritär, ich stutze ahnungsvoll. Die veranschlagten 80 Euro Zoll für eine halbe Stunde sind etwas weniger als erwartet, Ressourcen werden frei, ich grüble. Can you do äh... - ich zeige vage Richtung Dusche.
Ich zolle Respekt, denn dieses Badezimmer ist ganz ganz. Das Waschbecken mit den eingravierten Wien-Motiven ist locker vier Sterne wert, und die schwellenlose Duschecke mit den polierten Steinplatten spricht von nüchterner Stilsicherheit. Wenig stilsicher auf den Steinplatten hingefläzt bin aber nun ich, als ein Nackter, und über mir, seit zwei Minuten regungslos hockend, die ebenfalls nackte, elfengleiche Chanel. No no, it will come, versichert sie mir, just wait. Man kann nicht sagen, dass sie nicht bemüht ist, Stichwort Servicegedanke. Ich streiche ihr anerkennend mit dem Handrücken über die Innenseiten ihrer Schenkel, meine andere Hand reibt bedächtig meinen Schwanz. Und dann endlich, sie lächelt und auch ich lächle. Chanels warme Pisse benetzt mein Genital - ich lebe. Was wenn eine Kamera, dezent in die Marmorfugen integriert, unser Treiben filmte? Wäre ich erpressbar wie der Anführer der freien Welt? - Sie trinken doch im Hotel immer Sekt korrekt, sagt der mächtige Russe mit dem gefährlichen Dackelblick, Nostrowje, Gaspadin Präsident, sicher möchten Sie nicht, dass Melania und der Rest Sie morgen auf YouTube sehen kann, beim Luluspielen mit unseren süßen Models? - Ich projiziere und werde noch geiler. Diese Erektion wird fünf Stunden halten. So denke ich zumindest.
Zeitsprung, Ortssprung, wir sind in trockenen Tüchern, ich oben, Chanel unten. Ein Teil von mir ist in ihr, der Anblick ist perfekt, doch richtige Freude will nicht aufkommen. Was ist das nur? „Du spannst dich an und lässt mich nicht richtig hinein“, sage ich dann, ohne Ausrufe- oder Fragezeichen, nur mit einem resignierten Punkt. Chanel streitet nicht ab. Meine Erregung welkt dahin und mir ist sofort klar, dass die Sache gelaufen ist, es gibt hier kein Recht auf nichts. Ich drehe mich auf den Rücken, starre an die verspiegelte Decke, und erkenne einen Mann, der sich in einer leidvoll vertrauten Situation befindet. Aber da kommt er wieder durch, der Servicegedanke, zaghaft entfernt Chanel das Präservativ von meinem Glied, nunmehr weich und winterschlaff. Der Kunde braucht den Orgasmus, braucht er denn sonst etwas? Ihre grazile Hand nimmt mein taubes Genital auf wie ein totes Vögelchen. Ich habe wenig Hoffnung. Tu so, als würdest du ihn lieben, sage ich, mach es sanft und regelmäßig. Wenn es dir fad scheint, ist es für mich genau richtig.
Warum das doch so gut funktioniert wird mir nachher ein Rätsel sein, doch es funktioniert: Chanel ist eine adrette junge Frau, die in mir wehmütige Stiche des Begehrens auslöste, säße sie mir im zivilen Leben gegenüber, etwa als Empfangsdame in riskantem Röckchen. Und nun bin ich in der Parallelwelt, in der sie sich nichts sehnlicher wünscht, als dass meine private warme Männermilch überschwänglich ihre manikürten Hände hinabtrieft - Ein Szenario, dass sich binnen Minuten zu greifbarer Realität aushärtet. Wait, I am sensitive after orgasm, sage ich, als sie, immer noch geleitet vom Servicegedanken, mein Geschlecht mit dem rauen Papiertuch reinigt. „You are not sensitive, you need a doctor!“. Wie bitte? Ich bin mundoffen. Nicht gewillt der Gedankenkette nachzuspüren, die sie zu dieser Äußerung geführt hat, spute ich mich, sammle auf was zu meiner Person gehört, und verlasse das Zimmer mit minimaler Höflichkeit.
Etage null, Zollgasse, ich schere aus der Zollunion aus.