Hallo,
Ich wollte euch berichten, dass meine beste Freundin gerade eben ihre Ausbildung zur Sexualbegleiterin und Sexualassistentin abgeschlossen hat und jetzt ihre ersten Klient*innen betreuen wird.
Ich finde das so ein wichtiges Thema, es gibt so vielen Menschen mit Beeinträchtigungen, die noch nie Sex hatten oder sich noch nicht mal selbst befriedigen können.
Im Gegensatz zur "alten" Sexualbegleitung darf bei der neuen Ausbildung alles gemischt werden, was legal ist und sich die Person wünscht.
Was haltet ihr davon? Kennt ihr jemanden, der*die dieses Angebot brauchen könnte?
Und würdet ihr selbst so etwas in Anspruch nehmen, wenn ihr plötzlich selbst nicht mehr Sex haben könntet?
Bin neugierig auf den Diskurs mit euch
Vorweg möchte ich dich darauf hinweisen das es sehr unhöflich ist mit Sternen zu gendern. Derartiges mag in Amtsbriefen wegen dem Zeitaufwand noch tolerierbar sein, aber in der zwischenmenschlichen bzw. interpersonellen Kommunikation sollte man sich die paar Sekunden Zeit nehmen um Damen und Herren auch als solche anzureden! Ich bin sicher wir haben dies alle in der Schule gelernt.
Zum Thema selbst. Ich bin mir nicht völlig sicher wie man die Geschichte einordnen kann. Dazu lieferst du leider zu wenig an Kontext.
Hochtrabende Begriffe wie "Sexualbegleiterin" oder "Sexualassistentin" könnte man auch dafür verwenden um klassische Prostitution zu verschleiern.
Ähnliches wird auch angewendet um zum Beispiel Tätigkeiten wie Stewardess, Friseuse oder Masseuse zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung attraktiver zu machen und ein neues Image aufzubauen. An den Aufgaben ändert es freilich gar nichts.
Wo verläuft da also die Grenze im Vergleich?
Das man Menschen mit Einschränkungen durch Prostituierte auch ein paar schöne sexuelle Erfahrungen beschert ist nicht neu. Das wurde auch schon 1985 medial im Film die Maske dargestellt, wo eine Mutter ihrem entstellten Sohn eine Prostituierte bezahlt.
Die Hauptkritik an der Prostitution ist aber nach wie vor das Lust bzw. Liebe vorgespielt werden.
Da dies nicht einmal aus Mitleid oder Nächstenliebe, sondern aus Profitgründen geschieht stellt sich die Frage der Moral dahinter.
Wie auch immer man es nennt, es bleibt reduziert auf die Realität immer nur Sex gegen Bezahlung.
Dabei ist es irrelevant ob die Kundschaft unter einer Behinderung leidet oder nicht.
Ein weiterer Kritikpunkt ist die psychische Gesundheit bzw. das Wohlbefinden von Menschen welche einer Tätigkeit nachgehen.
Jeder Mensch hat nach geltenden westlichen Ansichten das Recht auf Würde bzw. gilt diese als unantastbar. Dies ist ein Konsens auf den man sich aus gut überlegten Gründen geeinigt hat. Die Selbstaufgabe der Intimität ist daher ethisches Glatteis und sollte mindestens in gleicher Art und Weise hinterfragt werden wie Sklaverei, Zwangsehe oder Zwangsarbeit.
Denn die psychischen Auswirkungen solcher Tätigkeiten kann man nur erahnen und traumatische Erfahrungen sind sehr wahrscheinlich.
Rein rechtlich sehe ich auch eine große Gefahr wenn die Dienstleisterin den Kunden vermittelt bekommt. Später könnte ihr bewusst werden das sie zu den Handlungen zum Beispiel gedrängt wurde und davon nun traumatisiert ist. Gerade die Vermittler, sei es eine Privatperson, Agentur oder gar staatlich geförderte Stelle könnten dann trotz guter Absicht in der Rolle eines Zuhälter mit all seinen Konsequenzen erscheinen.
Wirft man einen Blick auf aktuelle Ermittlungen, zum Beispiel der WKStA, WKO oder Bafa ist das auch sicher nicht aus der Luft gegriffen, denn Veränderungen bei Schuldfragen oder Verantwortlichkeiten können über Nacht geschehen wenn sich Staatsanwaltschaft und Politik einig sind. Und gerade bei so einem sensiblen Thema sind Grenzen schnell erreicht, auch wenn parallel schlimmere Zustände anderswo existieren die aber nicht im Fokus stehen.
Interessant dürfte es jedenfalls erst werden wenn Konflikte entstehen und Antworten auf grundlegende Fragen verlangt werden.
Eine der ersten wird daher bestimmt sein ob eine Person die geistig behindert bzw. entmündigt ist bei so einem Akt nicht eher missbraucht wird?
Wer haftet bei traumatischen Folgen bei Kunden?
Wie wird das physische und psychische Wohl der Sexualbegleiterin welche sich prostituiert garantiert?
Besteht überhaupt ein Anrecht auf solche Leistungen?
Persönlich würde ich es lieber sehen wenn man andere Möglichkeiten auf Sex fördern würde. Zum Beispiel durch Zusammenführung von Personen mit gleicher oder ähnlicher Problematik und dabei dann behilflich ist. Denn das würde zumindest dem Anspruch auf reale menschliche Nähe gerecht werden, was sicher eine glücklichere Form als die reine Stimulation von Geschlechtsteilen gegen Geld darstellt.
Es kann jedenfalls nicht moralisch aufrichtig sein vorzugeben man würde sich um die Sexualität von Menschen mit Behinderungen sorgen, aber gleichzeitig das eventuelle psychische Leid der Prostituierten dahinter ignorieren. Soweit mein Fazit!