Steirer-Stüberl

Da gibt's relativ wenige bewusste Erinnerungen, und so manches konnte nur nach Gesprächen unter den erwachsen gewordenen Geschwistern rekonstruiert werden, bzw. fanden sich alte Fotos als Belege - wie auch immer.

Jedenfalls war die erste Periode durch die relative Nähe zum Ortskern von Türnitz bestimmt. Das Haus des Bauern lag etwas abseits des Ortes am Waldesrand, vor dem Haus Felder und Wiesen, getrennt durch die typischen Holzzäune. Einen halben Kilometer war es bis zur Hauptstraße, mit den Wirtshäusern und Geschäften. Für mich war es ein Erlebnis, wenn ich zum Einkaufen mitgehen durfte. Allein schon der Weg war für das junge Stadtkind ein Abenteuer, hier liefen Hühner, Hähne, auch der eine oder andere Hase frei durch die Gegend, jede Menge Käfer zu ebener Erde und Schmetterlinge in der Luft wollten erkannt und genau angeschaut werden. Nur den Schnecken ist der kleine Steirer, der damals noch ein kleiner Wiener war, stets penibel ausgewichen, war ich doch bei Schönwetter meist barfuß unterwegs. :cool:

Beim Einkaufen gab es nicht nur jede Menge fremdartige Leute zu sehen (wann vorher wäre mir je ein Bauer oder eine Bäuerin zu Gesicht gekommen), der Großteil der Stadtbesuche der Bauern erfolgt damals noch mit Kuhbespannten Leiterwagen, ein Traktor war eine Sensation, ned nur für mich großstädtischen Knirps. Besonders in Erinnerung ist mir der wöchentliche Gang zu einem Bauern unmittelbar hinter der Ortskirche, bei welchem mein Vater zwei oder drei Kugeln eines selbstgefertigten Schafkäse holte - eine willkommene und schmackhafte Abwechslung in unserem Speiseplan.

Ich brauche nicht extra zu erwähnen, dass meine Mutter auch in Türnitz genau wie daheim für das Kochen zuständig war, die Großmutter hat sich daran nicht beteiligt, da sie ja auf Sommerfrische war. :roll: Mein Vater unterstützte meine Mutter insofern, als er größtenteils das Einkaufen übernahm. Die Kost war bescheiden, aber schmackhaft (wie uns mein Vater immer vorsagte), und so war es in der Tat, es ist mir jedenfalls nicht bekannt geworden, dass daraus Unzufriedenheit entstanden wäre.

Sonntags erfolgt der gemeinsame Kirchgang, nach der Messe führte der Weg in eines der damals noch zahlreichen Gasthäuser, wo aber in den ersten Jahren vorwiegend heimisches Publikum anzutreffen war. Die "Wiener" waren quasi so etwas wie Exoten, welche mit einer gesunden Mischung aus Ehrfurcht und Neugier angestaunt wurden.

Wie die Tage im einzelnen verlaufen sind, vermag ich beim besten Willen nicht aus eigener Erinnerung zu sagen, es wurde mir aber glaubwürdig versichert, dass es für alle Familienmitglieder eher ein "dolce far niente" war, also zumindest als Erholung mehr als geeignet. Damals von mir fast unbemerkt, hat mein Vater mit meinem Bruder einige Tage einen "Ausflug" gemacht, um ihm ein wenig von der Umgebung zu zeigen, ein Vorhaben, das für mehr als zwei Personen nicht erschwinglich gewesen wäre. Aus Erzählungen weiß ich aber, dass meine Mutter und auch die Großmutter die Abwesenheit meines Vaters nutzten, um ein wenig unter die Leute zu gehen und nach ihren Verhältnissen auf den Putz zu hauen, worunter aber damals nicht viel mehr zu verstehen war als ein Besuch in der örtlichen Bäckerei, wo man zu einem Häferl Kaffee ein Stück Kuchen oder Torte aß. Wenn man den Gerüchten glauben darf, dann wurden diese Konditoreibesuche nach der Rückkehr meines Vaters nicht näher besprochen. :cool:

Der kleine Steirer verbrachte damals Stunden auf der Bank vor dem Haus mit dem Fabizieren von Seifenblasen, was mir selbst zwar äußerst unwahrscheinlich vorkommt, aber durch heimtückisch angefertigte Fotografien belegt ist.

So sei es also denn. :mrgreen:
 

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Süüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüüss

:mrgreen:
 
:mrgreen: Hat er die Lockenpracht noch??
Uiiiii ... ähm ... (verflixt, wie komm' ich aus diesem Dilemma charmant wieder raus...) :oops:

Also, ich finde, bei dieser hochgradig intellektuellen Stirn, die er als 5-Jähriger schon bot, sind Locken absolut sekundär ... man achtet ganz einfach nicht so sehr drauf... :roll:

...:haha: & :winke: ..
 
Ich konnte den Dampf, den beißenden Geruch des Rauches spüren, lief zwischendurch Mal zur Toilette und bekam hunger, als ich an die zünftige Brettljause denken mußte. Also ob ich dabei gewesen wär. DANKE! Lass Dich - um Himmels willen - nicht aufhalten, hier weiterzuschreiben!!! :) "Herzliches Vergeltsgott!"
 
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Yep ... so macht lesen im EF Spaß ... :hurra: :daumen:

Das blöde G'sicht vom Taxler kann ich mir bildlich vorstellen ... :mrgreen: Und die lässige Lockenpracht ... :respekt:

Und ... :lehrer: unbedingt weiterschreiben ... !!!!! :domina: :)

:winke:

:mrgreen: Hat er die Lockenpracht noch??

Abg'sehen mal davon, was mich ja eher interessieren würde wär, ob er immer noch auf an Bankerl vor'm Haus sitzt und Seifenblasen produziert ... ??? :mrgreen:
 
Zuletzt bearbeitet:
Sodala ..... der kleine Steirer war ein wenig größer geworden, und hat entsprechend mehr Erinnerung an die Urlaube in der Falkenschlucht.

Falkenschlucht hört sich wild an, ist auch irgendwie so, und ich kann sie jedem Wanderer als Ausflugsziel nur empfehlen, wenn er unberührte Natur schätzt, die sich seit Jahrzehnten nicht verändert hat.

Der Unterschied für uns Urlauber war in erster Linie der, dass unser Bauer jetzt nicht mehr in Ortsnähe war, sondern vom Ort einige Kilometer entfernt, ich hätt' zwar letztens auf den Tacho schauen können, hab's aber nicht getan. Es mögen aber ungefähr acht bis neun Kilometer sein. Das hat meinen Vater bewogen, sein Fahrrad und das Fahrrad der Schwester per Bahn aufzugeben, und wenn uns das Glück hold war, dann hat es bei unserer Ankunft in Türnitz nicht geregnet, so dass mein Vater und die Schwester per Rad den langen Weg in Angriff nehmen konnten, während der Rest der Familie mit dem schon bekannten Steyr-Kabrio geführt wurde. Der Rest war jetzt nur mehr Mutter, Großmutter und ich. Mein Bruder hatte in der Zwischenzeit seine Lehre abgeschlossen, und nahm an den gemeinsamen Urlauben nicht mehr teil.

Die Ankunft in der Falkenschlucht gestaltete sich immer besonders herzlich, man freute sich offensichtlich, uns zu sehen, und speziell die Magd, welche im Normalfall schon beachtlich stotterte, brachte vor Aufregung kein Wort heraus. Der Bauer war so freundlich, unser Gepäck in die vorbereitete Stube zu bringen, unser Taxler wurde entlohnt (mit einem Pauschalpreis, für den - auf heute umgerechnet - ned einmal die Uhr eingeschaltet würde), und nachdem die erste Begrüßung vorbei war, der Bauer wieder an seine Arbeit ging, die Bäuerin wieder in den Stall, und nachdem die Magd endlich ihr "Griaß God" zu einem versöhnlichen Ende gebracht hatte, konnten wir einmal abrasten und die Ruhe genießen. :)

Eine erste Rundumschau ließ uns ans Ufer des Bächleins treten, einen Blick auf die kleine schräge Wiese werfen, auf den steil ansteigenden Wald dahinter. Nach einiger Zeit wurde das Geräusch von Fahrrädern hörbar, und nicht viel später bogen der Vater und die Schwester auf den kleinen Vorplatz des Bauernhauses ein - in Schweiß gebadet, und sichtlich froh, am Ziel zu sein. Am Tag der Ankunft gab es meist nur ein kaltes Nachtmahl, in der Regel die Reste der für die Reise vorgesehenen Jause. Als Höhepunkt ein Glas frisch gemolkener Milch - Herz, was willst du mehr.

Dann gab es noch ein eher kurzes Beisammensitzen mit den Bauersleuten, denn der Tag begann, sich dem Ende zuzuneigen, und damit war Schluss mit lustig. Ich brauche nicht zu erwähnen, dass es in dieser entlegenen Schlucht natürlich kein elektrisches Licht gab, und die Petroleumlampen wurden sparsam verwendet, erstens um zu sparen, und zweitens, weil speziell die Bauersleute ja ohnehin mit dem ersten Tageslicht wieder aus den Betten mussten. Wir Urlauber wurden in die allgemeine Nachtruhe eingeschlossen.

Nun tat sich aber ein kleines Problem auf. Kaum waren die Dochte niedergedreht, war es stockfinster. Ned nur im Zimmer, auch im Freien, weil ja rundherum nix als Wald war, und das karge Licht der Sterne reichte nicht aus, um nennenswertes Licht zu spenden. Dazu kam, dass das kleine Bächlein in der Totenstille der Nacht doch um einiges lauter murmelte, als das tagsüber zu vernehmen war. Meine Mutter, eine durchaus phantasievolle Frau, vermeinte regelmäßig, in dem Gemurmel des Baches das Gemurmel von Menschen zu vernehmen, und ein Blick aus dem Fenster in die Nacht hinaus bestärkte sie in diesem Glauben, als in der Richtung des Weges vereinzelte rote Punkte aufleuchteten, welche sie als die Glut von Zigaretten zu erkennen glaubte. Kurz und gut - meine Mutter hat die jeweils erste Nacht in der Falkenschlucht so gut wie gar nicht geschlafen, mein Vater aus Sympathie (und weil die Mutter dauernd gesudert hat :mrgreen:) auch so gut wie nix, lediglich die Großmutter schlief den Schlaf der Gerechten, und wir Kinder wurden früher oder später auch immer müder und schliefen schließlich ein. Am nächsten Morgen wurde die Bäuerin mit dem Verdacht der konspirierenden Gestalten konfrontiert, konnte herzlich darüber lachen und meine Mutter beruhigen, dass es sich lediglich um das Murmeln des Baches sowie um einige Leuchtkäferchen handeln würde. Diese Angaben wurden am folgenden Abend einer Überprüfung unterzogen, und dürften dieser offenbar standgehalten haben, denn fortan war die Nachtruhe ungestört. Trotzdem dauerte es ein paar Tage, bis man sich als Kind der Großstadt an die Totenstille und die absolute Dunkelheit gewöhnt hatte, und zu erholsamem Schlaf fand.

In der Falkenschlucht fiel natürlich die Abwechslung der nahegelegenen Ortschaft weg, dafür erschlossen sich uns Kindern, und wohl auch den Erwachsenen, die Welt des Waldes, den wir in ungezählten Stunden durchwanderten und erforschten, nicht ohne die eine oder andere Beere zu naschen oder für eine erfrischende Nachspeise zu sammeln. Auch fanden sich Steinpilze und Eierschwammerln in nicht geringer Zahl, so dass unser Speiseplan mit für uns damals exotischen Speisen wie Schwammerlsauce oder gebratene Pilze aufgebessert wurde.

Das Sammeln der Pilze fiel in die strenge Kompetenz meiner Mutter. Sie konnte sowohl Eierschwammerln als auch Steinpilze bestimmen, und galt bei meinem Vater als Pilzkennerin. :cool: Aus seiner Sicht verständlich, da er ein Eierschwammerl nicht von einem Stopfpilz unterscheiden konnte, retrospektiv aber bei aller Liebe zu meiner Mutter doch eine etwas bescheidene Kunst, welche aber voll ihren Zweck erfüllt hat, und daher dankbar anerkannt werden soll.

Wurde einmal nicht gewandert, so habe ich mich damit vergnügt, mit einem alten Dreirad immer und immer wieder die paar Meter einer kleinen neben dem Haus gelegenen Böschung hinunter zu fahren, wobei mir das Kunststück gelang, mir regelmäßig durch Lenkfehler blutige Hände und Knie zu holen. Sehr zum Entsetzen meiner Mutter, welche ja besonders auf mich aufpassen wollte.

Um einen gewissen Ausgleich zu schaffen, wurde den Kindern das Betreten des Bächleins strikt untersagt, allen voran natürlich dem Nesthäkchen. Das war ich. :cool: Mit dem interessanten Hinweis, dass der Vater nicht schwimmen kann, und uns demnach nicht zu Hilfe eilen könnte, falls wir hineinfallen. :roll:

Gut, es war nicht bös gemeint von ihnen - trotzdem möchte ich erwähnt haben, dass in dem Bächlein überhaupt niemand schwimmen konnte, weils vielleicht an den tiefsten Stellen so um die zwanzig Centimeter tief war ... :mrgreen: ... hineinfallen hätte man also zur Not noch können, aber zur Rettung wäre kein Schwimmer nötig gewesen, da hätte ein beherzter Schritt ins Wasser auch genügt. :cool: Immerhin haben wir das Verbot weitestgehend beachtet, so weit es halt einem Kind möglich ist, aber wir haben uns auch beschützt gefühlt. Genauer haben wir da schon das Verbot des Pflückens von Beeren beachtet, nicht zuletzt deshalb, weil es in dieser Gegend sehr viele Tollkirschen gab, über deren Wirkung die Bauersleute wahre Schreckensgeschichten zu erzählen wussten.

Ein großer Nachteil der Falkenschlucht war ohne Zweifel, dass mein Vater mit dem Rad in den fernen Ort zum Einkaufen fahren musste, dazu natürlich nicht jeden Tag wirkliche Lust verspürte, und daher immer mit einem vollgefüllten Rucksack und nass geschwitztem Hemd vom "Shopping" zurück kam. Wobei ich eines schönen Tages auf die Königsidee gekommen bin, dem Vati ein Stück entgegen zu gehen, bis zur nächsten Brücke. Wenn ich mich recht erinnere, habe ich im ersten Moment so etwas wie Freude in seinem Auge aufblitzen sehen. Das sagt man so, natürlich hat er zwei Augen gehabt. Jedenfalls hat's halt irgendwie geblitzt. Das Blitzen ist aber merklich abgeflacht, als ihm bewusst wurde, dass ich zu Fuß unterwegs war, und sich jetzt die Frage stellt, wie eine gemeinsame Rückkehr am besten zu bewerkstelligen wäre. In erfrischender Naivität hat er mich vor sich auf die Stange gehoben, ich hab' mich mit der gleichen Naivität dort breit gemacht, mein Vater hat kurz angetreten, aber herrjeh .... nach wenigen Metern war die gemeinsame Fahrt zu Ende, und die Felge des Vorderrades hat ein wenig seltsam ausgesehen, da sie nicht mehr wie üblich einen Kreis bildete, sondern auf einer Seite einen aparten Knick nach innen zeigt, der zwar dekorativ anzusehen war, bei meinem Vater aber nicht eben zu Freudenausbrüchen geführt hat.

So blieb dem Guten nichts übrig, als neben dem schweren Rucksack auch noch das Rad - Vorderrad hochgehoben - zu tragen, und das fast noch einen Kilometer weit. :roll: Dabei hat er von Zeit zu Zeit einige Worte gemurmelt, und ich bin mir zwar ned wirklich sicher, aber wenn ich versuche mich ganz genau zu erinnern, dann meine ich, dass es keine Dankgebete waren, die aus seinem keuchenden Mund entströmten. So langten wir schließlich beim Bauernhaus an, worauf sich die drei Damen der Familie mit einem besorgten Lächeln auf den Lippen auf den Weg in die Stube machten. Die Magd war da weniger dezent, ich habe sie nur zweimal in all den Jahren derart herzlich lachen gehört. :mrgreen:

Das wirklich tragische an der Falkenschlucht war, dass man sehr wetterabhängig war. Speziell nach starken Unwettern konnte das kleine Bächlein gehörig anwachsen, auch schon einmal über die Ufer treten, und dann als gar nicht mehr kristallklare sondern dunkelbraune Brühe auch so manchen Schaden anrichten, wobei auch das Mitreißen einer der zahlreichen Holzbrücken vorgekommen ist. Da ist man dann da hinten in der Schlucht gesessen und konnte nicht weg, und es hat oft ein paar Tage gedauert, bis die Brücke wenigstens so notdürftig repariert war, dass man nicht mehr von der Welt abgeschnitten war.

Noch eines vermag ich mich zu erinnern: die ersten Jahre in der Falkenschlucht gab es auch keinen Sonntag, an dem wir in den Ort gefahren wären. Der Kirchgang fiel aus, und leider auch die Besuche im Gasthaus, so dass also diese Zeit wirklich eine Zeit war, wo man die Ferien wirklich für die Beschäftigung mit der Familie nutzen konnte - und musste, eigentlich.

Wobei speziell die Wochenenden, wo ja die bäuerliche Arbeit auf das unbedingt notwendige Minimum beschränkt war, viele vergnügliche Stunden nicht nur im Kreis der Familie sondern auch gemeinsam mit den Bauersleuten und der Magd brachten. Da wurden Geschichten erzählt, aus Stadt und Land, Lieder gesungen, und nicht selten holte der Bauer seine Ziehharmonika aus der Stube und spielte ein paar Lieder auf.

Manchmal war es wie ein Blick in vergangene Jahrhunderte. Damals schon. Und ist jetzt auch schon wieder ein halbes Jahrhundert her .... :)
 
Zuletzt bearbeitet:
Super Bericht :daumen:
Gut, das es noch jemanden gibt,
der auch mal die "gute alte Zeit" wiedergibt :lehrer:

Dank da Steirabua

m.h.
 
Weil gerade die Erinnerungen sprudeln ..... kleiner Nachtrag, meine Großmutter betreffend ... :cool:

An einem Freitag nachmittags, die Feldarbeiten waren beendet, saßen wir mit den Bauersleuten und der Magd vor dem Haus, der Bauer spendierte eine Runde Most bzw. Apfelsaft für die Kinder, es war eine fröhliche Runde, es wurde gescherzt und gelacht, sogar mein Vater wurde (wohl durch den ungewohnten Most :mrgreen:) ungewohnt gesprächig und ließ sich zu launigen Bemerkungen hinreißen, und speziell die Magd lachte und lachte, bis ihr die Tränen über die Wangen rollten. Also eine Stimmung, wie man sie sich besser und lustiger kaum vorstellen kann.

Bis die Großmutter (hoffentlich auch infolge des Mosts :roll:) sich zu dem "Sinnspruch" hinreißen ließ: "Wer Freitag lacht, und Samstag singt, der weint am Sonntag ganz bestimmt." Originell ..... :roll: .... und eine der überzeugendsten Spaßbremsen, die ich mein Leben lang erlebt habe. :shock:

Die Magd zog von einer Sekunde auf die andere ein todernstes Gesicht, und ließ an diesem Tag nicht den kleinsten Schmunzler mehr sehen, und auch die restliche Runde war sichtlich irritiert, und so endete dieser Tag, der einen so erfreulichen Ausklang verheißen hatte, mit einer allgemeinen Katerstimmung. Und es würde mich nicht wundern, wäre es dem Bauern um den Most schade gewesen. :confused:

Nachdem das Schicksal aber darauf schaut, dass es immer etwas gibt, was den Himmel oben hält ....... :mrgreen:

In jener Zeit war es nämlich üblich, dass jene Örtlichkeit, welche heute als WC meist in Nähe der Wohnräume zu finden ist, als "Abort" weit weit weg von den Wohnräumlichkeiten gelegen war. Im Falle der herkömmlichen Bauernhäuser meist hinter dem Stall, quasi über dem Misthaufen. Und natürlich keine rede von Keramik und Wasserspülung, sondern ein einfaches breiteres Brett mit einem Loch darin. In besseren Häusern mit einem Deckel d'rauf. :cool:

Nachdem meine Großmutter mehrmals die Nacht "wischerln" musste, und sie nicht gewillt war, den weiten Weg durch die stockdunkle Nacht auf sich zu nehmen, wurde mein Vater (wer sonst ... :roll:) beauftragt, beim Bauern wegen eines Nachtgeschirrs vorstellig zu werden. Im Zuge der Verhandlungen hat sich zwar herausgestellt, dass ein solches im Hause vorrätig war, dieses aber für die Verwendung durch die Bäuerin vorgesehen war, und die brave Bäuerin nicht bereit war, dieses Einzelstück für fremde Benützung freizugeben.

Um also nicht völlig erfolglos den Weg zur Großmutter antreten zu müssen, hat man sich unter Männern darauf geeinigt, als Notbehelf einen Blechkübel zur Verfügung zu stellen, welcher meiner Großmutter mit dem Hinweis schmackhaft gemacht wurde, dass sie auf diesem quasi wie auf einem Sessel sitzen konnte. Dem war zwar eine gewisse Logik nicht abzusprechen, aber trotzdem hielt sich die Begeisterung meiner Großmutter in Grenzen, und von dem Tag an hat sie meinen Vater mit dem Begehren verfolgt, beim nächsten Einkauf ein Nachtgeschirr aus dem Ort mitzubringen.

Irgendwie hat sich das dann erheblich verzögert, durch einen Lieferengpass, wie mein Vater glaubhaft zu versichern wusste, wobei das leichte Schmunzeln um seine Mundwinkel fast vermuten ließ, dass der Engpass nicht von der Lieferseite, sondern von der Zustellseite ausgegangen sein könnte.

Aber ich möchte es ihm nicht unterstellen. :mrgreen:
 
Die drei letzten Jahre unserer Urlaube in Türnitz verbrachten wir im Traisengraben. Das war in einem anderen Seitental, zwar ned wesentlich weniger weit vom Ortskern entfernt, aber bei weitem ned so in der Einschicht wie das Haus in der Falkenschlucht.
So übersiedelten wir mit unserer "Sommerfrische" zur Tochter unseres alten Bauern, welche in den Traisengraben geheiratet hatte.

Wir kamen in eine neue Welt. :mrgreen:

Ned nur, dass es in Sichtweite Nachbarn gab, obgleich allein das gegenüber den Jahren in der Falkenschlucht schon erfrischend war. Die Bauersleute waren jung, hatten eine Tochter, rund um den Hof gab es Wiesen, welche zu bearbeiten waren, es gab eine kleine Waldung, welche zum Grundbesitz gehörte - und es gab elektrisches Licht ... :hurra:
Der Bauer hatte ein Motorrad, und die letzten beiden Jahre gab es sogar einen Traktor, einen alten "Lindner". Knabenherz, was willst Du mehr. :)

Lediglich in einem Punkt waren die jungen Bauern gezwungen, sich den baulichen Gegebenheiten anzupassen: der Abort war auch hier nur durch den Stall zu erreichen, sehr zur Enttäuschung meiner Großmutter. Aber - immerhin gab es eine eigene Lampe dort.

Müßig, zu erwähnen, dass während dieser drei Jahre die Urlaube wie im Flug vergingen. Neben den vielen Wäldern, welche hier wesentlich leichter zu begehen waren, weil das Gelände nicht ganz so steil angelegt war, boten die umliegenden Nachbarn immer wieder Zielpunkte für Spaziergänge, und da die Bauern dieser Gegend sehr gastfreundlich waren, packte die Mutter oft nach einem kurzen Verdauungsschläfchen die Kinder zusammen, und schon ging's dahin. Meine Mutter genoss sichtlich die Geselligkeit, während wir Kinder wiederum die Gelegenheit nutzten, um mit den jeweiligen Bauerskindern zu spielen. Besonders ergiebig waren dabei die Besuche über einen kleinen Hügel hinweg, einen gemütlichen Waldweg entlang, zum rund einen Kilometer entfernten "Högerhof", dem Sitz des damaligen
Jagdaufsehers, der dort mit seiner Familie wohnte. Auf dem großzügig angelegten Garten gab es eine wirklich riesige Schaukel, welche sehr hoch war und infolge dessen auch sehr weit ausholte, aber das Schaukeln war einfach himmlisch. Jedenfalls, nachdem ich mich daran gewöhnt hatte. :oops:

Im ersten Jahr war die Großmutter zwar etwas eingeschnappt, denn wie so oft stand auch im entlegenen Türnitz der Fortschritt gemeinsamen Unternehmungen ein wenig im Wege. Die Mutter, wie gesagt, meist mit den Kindern unterwegs. Der Vater - wir erinnern uns, es gab elektrisches Licht - verbrachte so manche Stunde vor dem Radio, welches es natürlich ebenso gab. Die Bauersleute meist bei der Feldarbeit, so blieb letztlich nur die Großmutter übrig, welche sich zu der Sitzgruppe unter der Linde zurückzog, und dort Zeitungen las. Das passte ihr aber nicht so ganz, und so entschloss sie sich, aus Protest einen ihrer Herzanfälle zu bekommen. Natürlich große Aufregung, der Ortsarzt wurde alarmiert, erschien auch nach geraumer Zeit, und machte sich daran, die Großmutter zu untersuchen. Aus Gründen der Schicklichkeit fand das natürlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, auch schien die Untersuchung sehr gründlich auszufallen, da sie einige Zeit in Anspruch nahm. Danach erschienen beide wieder unter dem Volke, der Arzt offenbar bester Laune, die Großmutter gedämpft zufrieden.

"Den werde ich nicht mehr aufsuchen" war ihre erste Bemerkung. Mehr wollte sie nicht dazu sagen, aber da meine Mutter - immer in Erwartung einer Tragödie - nicht locker ließ, und endlich auch der Vater meinte, sie solle doch ...... :cool:

Im wesentlichen war es so, dass meine Großmutter den Arzt gefragt hatte, ob es schlimm wäre, worauf er geantwortet haben soll: nutzen und genießen sie die Tage, die ihnen noch bleiben. Als sie ihn darauf gefragt hatte, ob es denn so schlimm sei, brach er in lautes Lachen aus, erklärte ihr, dass er die verbleibenden Tage des Aufenthalts gemeint hatte, und dass sie sich im übrigen keine Sorgen zu machen brauche, er wünschte, er wäre so gesund wie sie. :cool: Ein Affront. :shock:

Aber was tut Gott, im Grunde ihres Herzens mag sie verspürt haben, dass diese biedere Landarzt nur gerade heraus sagte, was sie von ihrem Hausarzt nur sehr vorsichtig verklausuliert zu hören bekam, und es geschah sogar das Wunder, dass sie ihr Eingeschnapptsein aufgab, und sich den mütterlichen Spaziergängen gelegentlich anschloss, wofür die Mutter wieder im Gegenzug den einen oder anderen Nachmittag gemeinsam mit der Großmutter auf der Bank unter der Linde verbrachte.

Der Vater war natürlich nach wie vor für den Einkauf zuständig, und hatte zu diesem Behufe auch im Traisengraben sein Rad dabei. Er war nicht ganz unzufrieden, denn abgesehen davon, dass die Strecke kürzer war, war sie fast brettleben, und zusätzlich war der Kies nicht so locker wie in der Falkenschlucht, da hier doch schon erheblich mehr Fuhrwerke und Traktoren unterwegs waren.

Wenn Heuarbeit angesagt war, rückte nicht nur die Bauersfamilie aus, sondern auch unsere gesamte Sippe, wobei die Hilfe gerne angenommen wurde, man aber dennoch bedacht war, uns nicht zu großzügig werken zu lassen, nachdem schon von weitem zu erkennen war, dass wir im Gebrauch von Heurechen und Heugabeln nicht sehr geübt waren. Aber soweit nicht ein nahendes Gewitter zu einer raschen Beendigung der Arbeit riet, nahmen es die geduldigen Bauersleute offenbar gerne in Kauf, wenn es eine Stunde länger als üblich herging, um uns nicht die Freude zu verderben.

Gewitter waren ein eigenes Kapitel, denn beim Nahen eines Gewitters musste aus Gründen der Sicherheit das nahe Dynamohaus stillgelegt werden, und wir erlebten für die Dauer des Gewitters die Wiederkehr der Petroleumlampe. ;)
Wobei zu sagen wäre, dass uns das eigentlich wurscht war, den Vater ausgenommen, der natürlich ohne Strom nicht Radio hören konnte, und deshalb den einen oder anderen Tag mit seinem Schicksal auf Kriegsfuß stand.

Eines könnte ich noch erwähnen, zwei Dinge eigentlich: zum einen war für die Fahrten vom und zum Bahnhof sowie an Sonntagen in den Ort nicht mehr das gewohnte Steyr-Cabrio zuständig, sondern nunmehr das Auto des Försters, und das war immerhin schon eine Mercedes-Limousine. Somit war das Platzproblem etwas entschärft.
Zum anderen hat sich gezeigt, dass der Wechsel in den Generationen der Bauern offenbar gravierender war, als auf den ersten Blick anzumerken. Denn die jungen Bauersleute waren nahezu jeden Samstag und Sonntag an den Nachmittagen unterwegs, mit dem Motorrad natürlich, um Besuche zu machen oder an dem einen oder anderen Festl teilzunehmen, welche damals auch in Türnitz langsam in Mode kamen. Trotzdem haben sie Zeit gefunden, auch mit uns die eine oder andere Stunde gesellig zu verbringen.

So, das war einmal das grobe. :mrgreen:
Im zweiten Teil gibts dann Episoden und Schwänke aus dem Leben des jungen Steirers und seiner Familie. :)
 
Herrlich, Deine Erinnerungen .. und die Art, wie Du sie augenzwinkernd zu erzählen weißt .
Man kann nicht genug davon bekommen - da geht es mir wohl, wie den meisten hier. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung :).

Eigentlich wollte ich Dir das gestern schon schreiben, doch dann hab ich etwas ganz am Anfang dieses Threads gesucht ... und mich und die Zeit dabei vergessen ;). Wen wundert das ......
 
....So, das war einmal das grobe. :mrgreen:
Im zweiten Teil gibts dann Episoden und Schwänke aus dem Leben des jungen Steirers und seiner Familie. :)

...*schupf-zieh-und-zerr' .... da isser nu wieder, der Thread ... :)

Zu einem gemütlichen Sonntag stelle ich mir grad solche Lektüre vor... und ich denke, ich bin ned die Einzige, die an solchen Episoden und Schwänken interessiert ist... ;)

Na gut, ich gestehe, ich bin ganz besonders gespannt auf eventuelle Details zu den Doktorspielen am Heuboden .... :haha:

... :bussal: .. nix für ungut... :winke: ...
 
jetzt hab ich endlich zeit gefunden, deine geschichte in ruhe zu lesen....

herrlich :mrgreen:

dein papa in teil eins...der planer und kontrolli erinnert mich allerdings irgendwie stark an..... :cool: :mrgreen:

und beim gewitter in der dunklen...stube? wär ich liebend gern dabei gewesen :)

zu deinem foto fällt mir ein, wir haben zufällig seifenblasen zu hause... und eine kamera......ich glaube da ist ein remake foto fällig :haha: :cool:

super toll, ich liebe deine erinnerungs-geschichten :bussal:
 
Alsdann jetzt wie versprochen ein wenig Details ... :mrgreen:

Beginnen wir gleich bei der Großmutter, da gäb's noch etwas nachzutragen. Denn nach der Erfahrung mit dem Nachtgeschirr in der Falkenschlucht, mein Vater hatte einen ganz gewöhnlichen Nachttopf eingekauft, hatte sich das Reisegepäck der Großmutter um einen Persil-Karton vergrößert. In diesem ruhte, fein säuberlich in Unmengen von Zeitungspapier eingewickelt, das porzellanene Nachtgeschirr der Großmutter, mit dem vom Vater organisierten ordinären Nachttopf natürlich nicht zu vergleichen. Dieses Nachtgeschirr begleitete meine Großmutter natürlich auch in den Traisengraben, wo lediglich die tägliche Entleerung desselben ein wenig Probleme bereitete. Der Weg in den Stall führte nämlich - anders als in der Falkenschlucht - direkt über den Hof, und war verdammt gut einsehbar. Was mag sie gefürchtet haben, dass ihre Mission einmal offenbar wird, die Gute. Sie, die doch eine so genante Frau war.

Da waren wir eines Sonntags im Ort, Kirchgang und Mittagessen, und als wir im schattigen Garten des Wirtshauses Platz genommen hatten, spürte sie ein menschliches Regen. Da niemand eine Ahnung hatte, wo die Toiletten zu finden wäre, wandte sie sich in ihrer Not an den Wirten, und fragte ihn beim nächsten Vorbeikommen mit Flüsterstimme, ob er ihr nicht sagen könne, wo hier die "Bequemlichkeit" zu finden wäre. Er verstand nicht, fragte nach, darauf sie etwas lauter, aber deutlich verhalten: "können sie mir bitte sagen, wo ich hier die "Bequemlichkeit" finden kann?" Er stutzte, dachte einen Moment nach, dann ging es wie ein Leuchten über seine Augen, und er antwortete mit weithin schallender Stimme: "Das Klo ist gleich dort vorne links!" Worauf sich meine Großmutter mit hochrotem Kopf auf den Weg machte.

Allerdings gab es Augenblicke, wo auch an meiner Großmutter sichtbar wurde, dass ihr nichts menschliches fremd war. Ich erinnere mich noch gut, wie sie meiner Mutter einmal ihre Gedanken während der Wandlung darlegte, und zwar wie folgt: "Heute bei der Wandlung hat der Dechant, wie er so die Hostie hochgehoben hat, immer so den rechten Fuß zur Seite gerückt. Da hab' ich mir gedacht: schau einmal, den juckt das G'scham." Was meine Mutter sehr empört hat, und es wurde immer wieder einmal erwähnt, als abschreckendes Beispiel für schlechtes Betragen in der Kirche. :mrgreen:

Mein Vater wiederum lebte im Traisengraben auf, gab es doch für ihn die Möglichkeit, Radio zu hören und auf diese Art nicht gezwungen zu sein, einen Monat lang auf seine geliebte klassische Musik zu verzichten. :hurra: Freilich war es kein ungetrübtes Vergnügen, denn die Bauersleute waren ihrerseits dem Radiohören nicht abgeneigt. Es braucht nicht erwähnt zu werden, dass die Erwartungen bezüglich des Programms nicht wirklich harmonierten. Die Bäuerin präferierte eindeutig landwirtschaftliche Themen und Volksmusik. Wie's oft im Leben ist, waren auch damals die Programme des Radios so gestaltet, dass man sich für "entweder - oder" entscheiden musste, was meinen Vater mit Schmerz erfüllte, da er ja nicht die Oberhoheit über das Gerät besaß. Immerhin waren die Bauersleute kulant genug, dass sie auf das eine oder andere Programm verzichteten, damit mein Vater in den Grnuß seiner Opern und Symphonien kommen konnte.

Ganz werde ich den Verdacht aber noch heute nicht los, dass dies auch in Hinblick darauf geschehen sein mochte, weil mein Vater - seiner Gewohnheit folgend - bei den Aufführungen derart in seiner Musik aufging, dass er in Dirigentenmanier den einen oder anderen Einsatz gab, und bei besonders intensiven Stücken konnte man ihn mit weit ausholenden Gesten dirigieren sehen. Das war ein Schauspiel, welches in dieser Gegend offenbar nicht üblich war, und es fand entsprechend Beachtung. Das ging so weit, dass die Nachbarskinder extra das eine oder andere Mal zu Besuch kamen, nur um meinen Vater durch das Stubenfenster heimlich bei seinen Turnübungen vor dem Radio zuzusehen. Gutmütig, wie er war, hat es ihn nicht einmal gestört, vielleicht war er auch nur zu vertieft in den Musikgenuss, aber meine Mutter und vor allem die Großmutter haben diese Kindertrauben vor dem Fenster mit dem dazugehörigen Gekicher nicht gerne gesehen.

Was auch nicht gerne gesehen wurde, nicht nur von der Großmutter, das war, dass auf dem Bauernhof quasi Naturgesetze herrschten. Besonders auffällig war das bei den Hühnern, deren es eine ganze Menge gab, und bei den zwei dazugehörigen Hähnen, welche zwar mit ihren Pflichten voll ausgelastet waren, aber trotzdem sich die wenige Freizeit mit sehr intensiven Kämpfen vertrieben. Was für uns unbedarfte Stadtkinder natürlich immer sehenswert war. Sehenswert wäre auch gewesen, wenn die Hähne mit den Hühnern zugange waren, ein sehr häufiger Anblick übrigens, welcher uns von der Großmutter immer damit erklärt wurden: "Die spielen miteinander", worauf meist noch eine Aufforderung an die Mutter erging: "Gelt, Mirl?" Worauf prompt eine Bestätigung erfolgte. Die ewigen Raufereien zwischen den Hähnen haben übrigens eines Tages dazu geführt, dass sich der jüngere der beiden plötzlich von der kräftigen Hand des Bauern gehalten auf dem Hackstock wiederfand, worauf sein junges Leben unter einem gezielten Axthieb sein Ende fand. Quasi aus Protest drehte er daraufhin noch wild flatternd eine kopflose Runde auf dem Hof, was auf der einen Seite zwar erschreckend aussah, auf der anderen Seite aber durch die "Huh's" der Großmutter, welche ihm auszuweichen trachtete, wieder etwas entschärft wurde. Und der Hahn selbst ergab ein ausgezeichnetes Hendlgulasch, und auch die Hühnersuppe mit den Einmachknöderln war äußerst essenswert. ;)

Allerdings gab's mit dem lieben Vieh nicht nur erfreuliches, wenn zum Beispiel eine Kuh ein prächtiges Kalb zur Welt brachte, und so mussten wir auch einmal miterleben, wie die beste Milchkuh des Bauern krankheitshalber notgeschlachtet werden musste, und die Tränen der Bäuerin, als die Kuh abgeholt wurde, werde ich wohl mein Leben lang nicht vergessen. Obwohl sie nicht nur dem Tier galten, sondern natürlich auch dem Umstand, dass sich die ganze investierte Zeit und Arbeit und natürlich auch das investierte Geld mit einem Schlag in Luft auflösten.

So lernte man als Kind, dass Freude und Leid oft sehr eng beieinander liegen, und rückblickend beneide ich fast all jene Bauernkinder, welche auf ganz natürliche Weise durch Beobachten der Tiere hinter jene Geheimnisse kamen, welche uns Stadtkindern oft auf umständliche Weise nahe gebracht werden mussten.

Und wie ich sehe, wird's wohl einen dritten Teil geben müssen, denn die Erinnerungen sind noch nicht erschöpft. ;)
 
Die beiden letzten Jahre im Traisengraben waren von zwei Neuerungen gekennzeichnet. Zum einen, und das war für meinen Vater nicht unwichtig, gab es erstmals die Möglichkeit, die Fahrt nach Türnitz mit dem Postautobus zu unternehmen, nachdem (aber ned nur für uns :mrgreen:) eine Vereinbarung zwischen Bahn und Post es möglich machte, dass Postautobusse auch parallel zu Bahnlinien verkehren durften, was bis dahin nicht möglich war. Für meinen Vater war das deshalb nicht uninteressant, weil er ja bei der Post arbeitete, und somit die ganze Familie mit Halbpreis-Karten fahren konnte. Er selbst hatte zusätzlich noch ein Freikontigent von soundsoviel Buskilometer pro Jahr, ich weiß zwar ned mehr genau, wieviel das waren, aber jedenfalls genug auch für längere Busfahrten. Also eine nicht unerhebliche finanzielle Erleichterung.
Vom organisatorischen Ablauf her änderte sich ned viel, nur musste er statt des Eisenbahn-Fahrplanes jetzt den Bus-Fahrplan berücksichtigen. Die Abfahrtszeit blieb zwar gleich, aber wir mussten nicht mehr so früh unterwegs sein, weil es im Bus reservierte Plätze gab. Auch mussten wir nicht mehr umsteigen, ebenfalls ein erheblicher Vorteil. Nachteil war unter Umständen, dass uns jetzt ned nur der Taxler bis ins letzt Glied verfluchte, sondern auch der Post-Chauffeur, denn damals wurde das Gepäck ned unterflur verstaut, sondern auf dem Dach des Busses, und an dem Riesenbinkel, der hoch auf dem gelben Wagen unter einer Plane mitgeführt wurde, waren wir nicht unmaßgeblich beteiligt.
Dank der Beziehungen hatten wir natürlich Sitzplätze in den ersten Reihen, so dass speziell der kleine Steirer ganz begeistert war, dass er nach der Romantik der Bahnfahrten nun auch die Romantik der Busfahrten erleben konnte. Und romantisch war's ja noch, damals. Die Busse klein, nicht besonders stark motorisiert, die Straßen großteils schmal und speziell in Kurven unübersichtlich, und vor allem bei Gegenverkehr von Bussen oder Lkw konnte man durchaus von Abenteuer sprechen, für welches nicht geringe Fahrkünste erforderlich waren.

Die zweite Änderung betraf unseren Bauern, der sich einen Traktor beschafft hatte, den er entsprechend stolz präsentierte, denn Traktoren waren in dieser Gegend und zu dieser Zeit keinesfalls die Regel. Damit brachen auch für mich feine Zeiten an, denn wann immer es die Arbeit des Bauern erlaubte, war ich mit ihm unterwegs. Das war nicht uninteressant, weil er ja neben der Feldarbeit auch eine kleine Waldung betreute, wo es gelegentlich Holz zu schleifen und zu transportieren gab. Und ich immer auf dem Sitz über dem rechten Hinterrad. :mrgreen: Einmal hat's mir dabei geraten ... wir waren wieder im Wald Holz schleifen, auf einem relativ steilen Waldweg, der Bauer war abgestiegen, um ein paar dünnere Bloch mit einer Kette zu binden, um sie an den Traktor zu hängen, ich war der Einfachheit halber auf dem Traktor geblieben. Mag er die Handbremse zu leicht angezogen haben oder was auch immer - jedenfalls setzte sich der Traktor plötzlich in Bewegung. Dazu erzogen, mich still zu verhalten, wohl auch durch den Schock, brachte ich kein Wort heraus, doch wurde der Bauer durch das Geräusch aufmerksam, rannte um mein Leben, holte den Traktor ein paar Meter vor einer Kurve ein, und brachte ihn zum Stehen. Wir waren wohl beide etwas blass um die Nase, und beschlossen, unser kleines Abenteuer besser nicht publik zu machen. Das war aber der einzige bedenkliche Zwischenfall, Gott sei Dank.

Derweilen ich nachmittags mit dem Bauern unterwegs war, hielt meine Mutter meist ein Mittagsschläfchen, welches bei den Bauersleuten wiederum für Heiterkeit sorgte. Es war eine Gewohnheit meiner Mutter, beim Zeitung lesen die Zeitung auf den Tisch zu legen, und sich selbst auf den Sessel zu knien. Das machte sie immer so, auch daheim. Es war auch die Regel, dass sie dabei einschlief. Diesen netten Brauch hat sie natürlich auch in die Sommerfrische mitgenommen, und so sah man sie einmal in der Stube beim großen Esstisch, dann wieder im Hof unter dem großen Baum knien, Zeitung lesen und - schlafen.

Wenn sie nicht schlief, ging sie mit meiner Schwester oder auch mit mir spazieren, bevorzugt zu den Bauern der Nachbarschaft. Vom Högerhof und der Faszination der Riesenschaukel habe ich schon berichtet. Ein anderes sehr beliebtes Ziel war der ... nennen wir ihn ... Hofbauer. Auf ebener Strecke zu erreichen, vielleicht 500 oder 600 m über eine große Heuwiese, und am Ende des Weges ein Paradies für Naschkatzen. Ein großer Garten voller Obstbäume, da gab es alles von Äpfeln und Birnen, über Kirschen und Zwetschken, bis hin zu Erdbeeren, Stachelbeeren und Himbeeren, und natürlich fiel für die "Kleinen" immer ein wenig Obst ab. Nur mit einem war er eher sparsam, das war sein Heiligtum, quasi: ein Apfelbaum mit großen, nahezu weißen Äpfeln, durch und durch weißem Fruchtfleisch und saftig und wohlschmeckend, dass es eine wahre Freude war. Ich habe nie mehr später derart gute Äpfel zu essen bekommen, obwohl es auch in der Steiermark ausgezeichnete Äpfel gibt. Und das ist jetzt keine verklärende Erinnerung.

Der Vater wiederum hatte seine Einkaufsfahrten in den Ort reduziert, er fuhr jetzt nicht mehr täglich, sondern meist Montag, Mittwoch und Freitag, und hatte somit mehr "Freizeit" zur Verfügung, welche er großteils mit der Mutter, teilweise auch mit der Großmutter verbrachte. Und natürlich auch wandernd mit uns Kindern. Wobei ich eine kleine Wanderung in Erinnerung habe, welche mich damals irgendwie erschreckte, weil sie mir eine Seite an meinem Vater zeigte, welche ich bis dahin nicht kannte. Mich irritierte schon bald nach dem Aufbruch die Begegnung mit einem Spinnennetz. Quer über die Forststraße war ein Spinnennetz aufgezogen, welches im Kern gut einen Meter gemessen haben mochte, zusätzlich glänzte es noch taufeucht im Licht der morgendlichen Sonne, und im Zentrum saß eine beachtlich große Kreuzspinne. Ich hatte noch nie zuvor ein derart großes Spinnennetz gesehen, und war fasziniert von dem Anblick. Ich war nahe daran, meinen Vater zu bitten, es zu fotografieren, als er - wohl um den Weg frei zu machen - mit seinem Wanderstock mitten durch die ganze Pracht fuhr, und die Arbeit vieler Stunden mit einem Streich zunichte machte. Die Spinne hat er zertreten. :cry:
Die zweite Begegnung war auf dem Rückweg, wo sich - ebenfalls auf einem Forstweg - eine Blindschleiche friedlich im Sand sonnte. Worauf mein Vater einige große Steine aufhob, und einen nach dem anderen auf das überraschte und hilflose Tief fallen ließ, so lange, bis sich dieses nicht mehr regte. :cry:

Ich habe viel geweint an diesem Tag, das weiß ich noch sehr gut. War es das Mitleid mit den Tieren, war es die Enttäuschung über das ungewohnt rohe Verhalten meines Vaters - ich weiß es nicht. Ich weiß auch nicht, was damals in diesem grundgütigen und naturliebenden Menschen vorgegangen sein mag, verstehen kann ich es bis heute nicht. Ich weiß nur, dass ich mir an diesem Tag vorgenommen habe, niemals in der Natur bewusst ein Tier zu töten, von dem keine Gefahr für mich ausgeht. Ein Vorsatz, den ich auch zeitlebens eingehalten habe. Und ich habe auch nie in einem Wald ein Spinnennetz zerstört, ned einmal beim Pilzsuchen, obwohl's da manchmal in den frühen Morgenstunden gar ned so einfach war, einen Weg durch den Wald zu finden. So habe ich aus diesem Tag wenigstens meine Lehren gezogen. :confused:

Leid tat mir mein Vater allerdings bei seinem Kampf mit dem Wetter. Wie erwähnt, hatte unser Bauer die Aufsicht über das kleine E-werk, welches auf einer angrenzenden Wiese stand, und er war angehalten, bei Nahen eines Gewitters den Dynamo abzuschalten, und damit stromlos zu machen. Jetzt war das Wetter damals zu allermeist so, dass es speziell im August nahezu täglich zu kleineren oder größeren Gewittern kam, in aller Regel gegen Abend. Das überschnitt sich meist mit den klassischen Konzerten im Radio, was im Falle der einzigartigen Übertragungen zum Beispiel von den Salzburger Festspielen meinem Vater ein Dorn im Auge war. So wanderte sein Blick des öfteren zum "Wetterwinkel", und sobald feststand, dass ein Gewitter wohl unausbleiblich sein würde, begann ein beachtliches Feilschen um jede Minute Sendezeit, so lange, bis der Bauer endlich nicht mehr anders konnte, und den Kunstgenuss beenden musste. Dann saßen wir in der von der Petroleumlampe beleuchteten Stube, mein Vater mit besonders trauriger Miene, und warteten, bis das Gewitter vorüber war. Das konnte mitunter sehr lange dauern, denn wenn das Gewitter länger anhielt, durfte der Bauer im Zweifel einfach schlafen gehen und den Strom bis zum nächsten Morgen abgeschaltet lassen.
Es war also ned alles besser, früher. ;)

Dann sollte ich vielleicht noch die Tochter des Bauern erwähnen, die kleine Veronika, genannt Vroni, in annähernd gleichem Alter wie ich. Eine ideale Spielgefährtin demnach, zumal ja in unmittelbarer Nähe kein Bub zur Verfügung stand. Allerdings war die kleine Vroni ohnehin nur knapp an einem Lausbuben vorbeigeschrammt, und im Vergleich mit ihr war ich ein rechtes Waserl. Kein Baum war ihr zu hoch, kein Graben zu tief, und sie bewegte sich mit einer Sicherheit durch das gewohnte Gelände, dass mich der blanke Neid fraß. Zudem war sie einigermaßen aufgeweckt, und wenn wir wo auf einer Wiese Blumen pflückten, und sie spürte ein Bedürfnis, so hob sie einfach den Rock, zog die Unterhose hinunter, hockte sich hin und goss die Blume mit festem Strahl. Das war einerseits befremdend für mich, weil ich es nicht gewohnt war, solche Verrichtungen coram publico zu erledigen, und auch nicht, dabei zuzusehen. Dennoch glaube ich mich zu erinnern, den einen oder anderen Blick riskiert und dabei die unterschiedlichen baulichen Merkmale bemerkt zu haben. Die waren mir zwar im wesentlichen schon bekannt, man hat ja seine Doktorbücher nicht umsonst gelesen, aber in natura wirkte das schon irgenwie ... nau ... sagen wir: interessanter.
Eines schönen Tages nun, alle Erwachsenen und auch meine Schwester waren beschäftigt, machte sie sich erbötig, mir den Dachboden zu zeigen, weil wir ja auch dort spielen könnten. Gesagt getan, fanden wir uns alsbald im Halbdunkel des Dachbodens wieder, wo sie mir dann ihr Geheimnis offenbarte, dass sie hier manchmal mit dem Ludwig vom Högerhof "Doktor" spielte, welches Spiel sie jetzt wohl mit mir zu spielen vor hatte, jedenfalls schloss ich das daraus, dass sie wieder einmal den Rock hob, sich der Unterhose entledigte, und sich bereitwillig auf einen zufällig freien Tisch legte, um sich untersuchen zu lassen. Nachdem sie mir erklärt hatte, was meine Aufgabe wäre :cool:, machte ich mich also todesmutig an meine erste gynäkologische Untersuchung, hauptsächlich mit Blicken, wiewohl ich mich zu erinnern glaube, dass ich auch den einen oder anderen frechen Griff gewagt habe. Auch hat, wenn ich es recht bedenke, eine kleine Plastikgeige, wie sie im Linde-Kaffee beigepackt war, eine gewisse Rolle gespielt. Dennoch schien ihr gewohnter Doktor in der Behandlung schon geübter zu sein, weil meine schüchternen Versuche zwar nicht ausdrücklich zu missfallen schienen, aber auch keine helle Begeisterung auslösten. Das mag vielleicht auch damit zusammen gehangen sein, dass ich mich im Gegensatz zum Arzt ihres Vertrauens geweigert habe, meinerseits meine Beinkleider abzulegen, weil mir das mit der Würde eines Arztes nicht vereinbar zu sein schien.
Nun ... lange Rede, kurzer Sinn, jedenfalls blieb der Steirer beim Doktorspiel lediglich aktiv, nicht zuletzt deswegen, weil man inzwischen unsere Abwesenheit wahrgenommen, die offene Tür zum Dachboden entdeckt hatte, und laut unsere Namen rief, worauf wir gezwungen waren, die Sitzung zu unterbrechen, und uns mit roten Köpfen im Parterre einzufinden. Wir haben die Sitzung nicht wieder aufgenommen. :cool:
Alle diesbezüglich blöden Bemerkungen sind übrigens schon gemacht worden. :mrgreen:

Und damit beschließe ich den Reigen der Türnitzer Erinnerungen. Einen Teil wird's trotzdem noch geben, denn jede Sommerfrische hatte ja auch eine Heimreise. Die möchte ich Euch ned vorenthalten.
 

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