Deutschem Sport droht Finanzloch
Einem der größten deutschen privaten
Sportwettenanbieter droht das Aus - und dem deutschen Sport ein
riesiges Finanzloch. Nachdem Sachsens Innenministerium den
Unternehmen «betandwin e.K.» mit Sitz im sächsischen Neugersdorf und
«bwin.com» Interactive Entertainment AG in Wien am Donnerstag ihre
Tätigkeit im Freistaat mit sofortiger Wirkung untersagte, kündigen
die betroffenen Firmen millionenschwere Schadensersatzklagen an. Das
Verbot für insgesamt 53 private Wettanbieter, das jedoch nicht
gleichbedeutend mit einem Konzessionsentzug ist, hat nach Ansicht der
Behörde «Signalwirkung» für andere Bundesländer und traf bei
Verbänden und Vereinen bundesweit auf harsche Kritik.
Die sächsische Entscheidung folgt einem Beschluss der Konferenz
der Ministerpräsidenten der Länder. «Die entscheidende Frage bleibt,
ob die Umsetzung des Beschlusses der Konferenz verfassungskonform und
europarechtlich einwandfrei ist», sagte Wilfried Straub,
Wettbeauftragter beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) und der Deutschen
Fußball Liga (DFL).
«Was im Moment in Deutschland passiert, ist beispiellos. Das ist
eine Treibjagd gegen Wettanbieter», sagte Werder Bremens Marketing-
Chef Manfred Müller. Werder stehe «in guten und in schlechten Zeiten»
zu seinem Partner «betandwin» und werde alles unternehmen, was
möglich ist, um den Vertrag zu erfüllen. «betandwin» ist ab dieser
Saison Sponsor der Bremer und mit dem Markennamen «bwin.de» auf den
Trikots zu sehen. Werder soll rund sechs Millionen Euro im Jahr
kassieren.
Außerdem wirbt «betandwin» auf den Trikots des Zweitligisten TSV
1860 München mit der Aufschrift «we win!». Weitere Clubs aus der 1.
und 2. Bundesliga werden von dem Wettanbieter unterstützt. Zudem ist
das Unternehmen Hauptsponsor des Ligapokals.
Heftige Kritik an der Entscheidung des sächsischen
Innenministeriums übte die Handball-Bundesliga (HBL), die mit
«betandwin» einen Sponsoring-Vertrag über drei Spielzeiten hat. «Die
Doppelzüngigkeit der Politik ist unerträglich. Der Wettbewerb wird zu
Gunsten eines staatlichen Anbieters entschieden. Wenn der Vertrag
aufgelöst werden müsste, würde der Liga ein sechsstelliger Betrag
verloren gehen. Das sind Mittel, die für die Nachwuchsarbeit
eingesetzt werden», erklärte HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann.
Mit dem Vorgehen des Freistaates, der seine Entscheidung mit dem
Schutz des staatlichen Wettmonopols und damit des Anbieters Oddset
begründete, droht einer der größten finanziellen Unterstützer des
deutschen Sports auszufallen.
«Bereits in diesem Jahr hat mein Unternehmen mit einem
Marketingbudget von 56 Millionen Euro, von dem der Großteil für
Sponsoringaktivitäten rund um den Spitzen- und Breitensport entfallen
ist, wesentlich mehr Mittel in den Sport investiert als Oddset, die
lediglich 17 Millionen Euro an den Deutschen Sportbund als
Sportförderung entrichteten», sagte Firmeninhaber Steffen
Pfennigwerth, der mit einer Schadensersatzklage in Höhe von 500
Millionen Euro droht. Das Unternehmen wolle sich gegen die
«beispiellose Wettbewerbsverhinderung» wehren.
Oddset wies am Abend diese Darstellung zurück. Oddset zahle für
Gemeinwohlzwecke, insbesondere für die Sportförderung, allein aus
Lotteriesteuer und Konzessionsabgabe deutlich über 100 Millionen Euro
pro Jahr. Zudem würden 530 Millionen Euro durch die auf Lotterien und
Sportwetten gezahlte Zweckabgabe direkt der Sportförderung zur
Verfügung gestellt. Diese direkte Förderung sei in keinster Weise
vergleichbar mit den von «bwin» angeführten Marketinggeldern, mit
denen immer eine Gegenleistung für Empfänger verbunden sei.
Betroffen reagierten auch die Vereine der Fußball-Ligen. «Es
herrscht eine kolossale Verwirrung, das ist nicht konstruktiv», sagte
Josef Schneck, Pressesprecher von Borussia Dortmund. Manager Andreas
Bornemann vom Zweitligisten SC Freiburg erklärte: «Wir stehen im
Austausch mit betandwin, der DFL und den anderen betroffenen
Vereinen. Wir hoffen, dass es von der DFL noch Infos bis zum Spieltag
gibt.» Auch die Basketball-Bundesliga fürchtet Verluste. «Ein Verbot
von bwin würde uns schon sehr treffen», sagte Sprecher Dirk Kaiser.
Das Bundesverfassungsgericht hatte im März das staatliche Monopol
auf Oddset-Sportwetten für zulässig erklärt, aber an strenge Vorgaben
zur Eindämmung der Spielsucht geknüpft. Das Gericht gewährte dem
Gesetzgeber eine Übergangsfrist bis Ende 2007. Seither gehen die
Bundesländer gegen private Wettbüros vor. Der Lotteriestaatsvertrag
sehe ein staatliches Monopol vor, das auf diesem Weg durchgesetzt
werde, sagte Sachsens Innenstaatssekretär Jürgen Staupe. Sollte
«betandwin» die Geschäfte nicht ruhen lassen, droht ein Zwangsgeld
von 25 000 Euro sowie juristische Maßnahmen.
Die seit 1990 für «betandwin» geltende DDR-Genehmigung sei
ungültig, begründete Staupe den Schritt gegen den großen
Sportwettenanbieter, der im Vorjahr weltweit 1,14 Milliarden Euro
umsetzte. Es habe sich um eine Präsenzwettgenehmigung für ein Büro in
Neugersdorf gehandelt. «Andere Aktivitäten lässt die Lizenz nicht
zu», betonte Staupe. Gegen einen Lizenznehmer in Berlin werde laut
Staupe ähnlich vorgegangen. Allerdings existieren offenbar
unterschiedliche Rechtsauffassungen zu dem Thema.
Gegen «betandwin» und «bwin» wurde vom Regierungspräsidium
Chemnitz ein so genannter Sofortvollzug erlassen. «Ein möglicher
Widerspruch und eine Klage dagegen haben dann keine aufschiebende
Wirkung», erklärte Staupe. Ein Gang vor das Verwaltungsgericht könnte
diese aufschiebende Wirkung aber wieder herstellen.
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