Ich habe jetzt den Artikel und einige Meinungen zu diesem Thema gelesen und stelle fest, dass es scheinbar allen klar ist, dass Zwangsprostitution und Menschenhandeln unhaltbare Zustände sind, die von keiner Gesellschaft geduldet werden dürfen. Tatsache ist aber, dass es momentan geduldet werden muss, da es keine einfache Patentlösung für dieses doch recht komplexes Problem gibt. Hauptgrund dafür ist mich hoher Wahrscheinlichkeit der Umstand, dass es sich nicht um ein politisches, sondern viel mehr um eine gesellschaftliches Problem handelt. Gesellschaftliche Probleme haben zudem die Tendenz, sich nicht durch bloße Vorschriften beeinflussen zu lassen. Ziel wäre eine Verhaltensänderung zu erzeugen und dass ist bekanntlich viel schwerer als eine Meinung zu einem Thema zu beeinflussen. Aus der Therapie von Sexualstraftätern weiß man, dass man sich sehr schnell davon überzeugen kann, dass das was sie getan haben falsch war und zu Recht bestraft werden muss. Jedoch haben die Täter trotzdem Probleme sich ihrem Verhalten, wie sie es gewohnt sind, zu entziehen. Jeder kann das bei seinen eigenen Alltagshandlungen und noch viel leichter an seinen schlechten Gewohnheiten nachvollziehen. Die meisten von uns wollen sich gesünder Ernähren, mehr Sport machen oder aufhören zu Rauchen ABER
Damit Verhalten geändert werden kann muss zu aller erst die Umgebung verändert werden. Würde man also die Prostitution verbieten, hätte das den Effekt, dass jene Freier verschwinden würden, welche nur aufgrund des Angebots die Dienste einer Prostituierten in Anspruch nehmen würden. Frei nach der Regel: Gelegenheit macht Diebe, würde ein Teil des Problems verpuffen. (Wortwitz beabsichtigt).
Der zähe Kern aber, der den eigentlichen Problembereich ausmacht, würde aber weiterhin bestehen und sein Unwesen treiben, dass dann wie zu erwarten wäre in der Illegalität gestützt durch Kriminalität.
In einem der Kurier-Artikel würde eine Theorie angedacht, nach der die meisten Freier weniger am Sex sondern an Machtausübung interessiert seien. Dass Männer um ihren Selbstwert zu steigern gerne Gewalt und Kontrolle ausüben, ist wenn man sich die Kriegsgeschichte der letzten paar tausend Jahre ansieht, nichts Neues. Dass zum Problem der Zwangsprostitution auch noch diese Gewaltdimension dazukommt, macht es nur noch umso schwerer.
(Kleiner Einschub in eigener Sache: Als 24-jähriger hab ich mich in letzer Zeit auch einige Male bei dem Gedanken ertappt, dass ich mir in Situationen, welche nicht so zu verlaufen schienen wie ich mir das gewünscht hätte, gedacht habe: Du solltest jetzt mal härter durchgreifen weil du sonst nie zu irgendwas kommen wirst. (Anmerkung: Nie in Situationen in denen es um Sex ging, sondern im Büro wenn mir schon wieder jemanden den Scheiß der Woche draufdrücken wollte) Was ich damit sagen möchte ist, dass ich es nachvollziehen kann wenn es Menschen gibt die Probleme bei der Wahrnehmung ihrer eigenen Gewaltausübung haben.)
Das zentrale Problem sehe ich damit nicht in den Prostituierten. Vielmehr ist es die stillschweigende Kooperation zwischen Zuhältern und Freiern, die beinahe zivilisatorische Brüche erzeugen. Es müsste also eine Kultivierung des Freiers passieren, welcher als bewusster Konsument gewisse Zustände nicht akzeptiert. Irgendwie hab ich aber die Befürchtung, dass das nicht passieren wird, da wir es vor allem mit triebgesteuertem Verhalten zu tun haben.
Eine weitere Möglichkeit wäre die Prostitution ins staatliche Gesundheitswesen (psychologische Abteilung) zu Integrieren. Der Prostituierten kämen damit 2 Aufgaben zu: Zuerst geben es eine quasi therapeutische Aufgabe. Viele Männer buchen sich Prostituiert um mit diesen zu quatschen. Dagegen ist nichts einzuwenden, ich glaube sogar, dass könnten die offensten Gespräche sein, die der Freier je mit einem anderen Menschen geführt hat.
Zweitens gäbe es noch die Professur der Sexualarbeiterin. Also eine Frau die hochkompetenten und professionellen Sex bieten kann. (Tut mir leid, dass das so blöd klingt aber ich glaube man weiß was ich meine!)
Am besten wäre es natürlich wenn es Prostitution gar nicht erst geben würde weil sie nicht notwendig wäre. Momentan gib es auf dem privaten Markt keinen Anbieter für Schwerkraft, da wir das Problem der Schwerelosigkeit in Österreich nicht haben. Eine wirklich offene Gesellschaft in der wir nicht das Problem von Oversexed and Underfucked haben, also wo uns permanent gezeigt wird, wie unser Sexleben sein sollte und nur die wenigsten das Glück haben, es so auszuleben wie sie es sich wünschen, ohne dabei über die Persönlichkeitsrechte anderer hinweg treten zu müssen, würde möglicherweise die Nachfrage an Prostitution verschwinden lassen.
Aber das wird vermutlich alles nicht so sein! Ich wünsch uns allen jedenfalls viel Glück
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