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DONNERSTAG, 12. MÄRZ 2015
WIENER PRÜGEL
Wenn Polizei und Staatsanwaltschaft gemeinsam zuschlagen
A. Prügelpolizei in Wien
Die ORF Sendung Thema berichtete am 9.3.2015 über Misshandlungsvorwürfe, die von drei Brüdern gegen die Wiener Polizei erhoben wurden. Nachdem ihr Vater in der Silvesternacht von anderen Personen attackiert worden war, wurden von der Polizei die drei Brüder gewaltsam überwältigt und festgenommen. Auf der Polizeiinspektion Deutschmeisterplatz musste sich zumindest einer der Betroffenen entkleiden und wurde stundenlang festgehalten. Dem folgte eine Anzeige wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt.
Der „Falter" berichtet in seiner Ausgabe vom 10.3.2015 über neue schwere Anschuldigungen gegen die Wiener Polizei. Die Betroffene erlitt bei einer offenbar mit überschießender Gewalt durchgeführten und nach vorliegenden Videoaufnahmen noch dazu unbegründeten Festnahme in der Silvesternacht einen Steißbeinbruch und weitere Verletzungen. Auch diese Person wurde nach ihrer Schilderung vulgär beschimpft und stundenlang in einer Zelle eingesperrt, ohne dass ihr Zugang zu einem Rechtsanwalt oder Arzt gewährt wurde. Der zuständige Staatsanwalt stellte jedoch das Verfahren gegen die verdächtigen Polizisten rasch ein, während gegen die Betroffene eine Anklage wegen Verleumdung und Widerstand gegen die Staatsgewalt eingebracht wurde.
Beides sind keine Einzelfälle. In den letzten Jahren häufen sich die Berichte, wonach Personen grundlos oder wegen Kleinigkeiten verhaftet und misshandelt wurden. In einigen Fällen wurden sie geschlagen, oft durch Entkleiden und stundenlange Inhaftierung ohne der Möglichkeit auf das WC zu gehen zusätzlich gedemütigt. Regelmäßig wurde auch der Kontakt zu Anwälten verweigert.
Besonders häufig sind solche Vorfälle in der Polizeiinspektion Deutschmeisterplatz.
Kurzüberblick von Vorfällen in der PI Deutschmeisterplatz
1. Der Vorfall in der Silvesternacht lt. ORF-Thema
Siehe oben. Bemerkenswert: Während das ORF-Team Außenaufnahmen der Polizeiinspektion anfertigte, kam ein Rettungswagen, da wieder ein „Inhaftierter über Schmerzen klagte."
2. Partyschiff-Fall
Insgesamt drei Personen wurden verhaftet, und dabei sowie danach auf der PI Deutschmeisterplatz geschlagen, stundenlang in Unterwäschen eingesperrt ohne Möglichkeit aufs WC zu gehen, vulgär beschimpft. Das Verfahren gegen die Beamten wurde eingestellt, während zwei Personen wegen Verleumdung und Widerstand gegen die Staatsgewalt angeklagt und schließlich am 5.3.2015 trotz zahlreicher Widersprüche in den Zeugenaussagen von PolizeibeamtInnen nicht rechtskräftig verurteilt wurden.
Ein Zeuge berichtet, dass zwei Personen bereits verhaftet waren und von der Polizei grob behandelt wurden. Er blieb in der Nähe um das zu beobachten. Plötzlich wurde er grundlos von der Polizei aus der Reihe der Zuseher herausgepickt, und ebenfalls zu Boden gerungen und mit Handschellen gefesselt.
Er berichtet weiter, dass das gesamte Vorgehen der Polizei mit besonderer Brutalität erfolgt sei. Man habe ihm mit Fuß oder Knie auch in die Niere oder den Magen getreten, offenbar gezielt an Stellen, wo man keine Verletzungen sieht. Er wurde dann auch aufs Kommissariat Deutschmeisterplatz gebracht und dort zunächst für ca. 1-2 Stunden in eine Zelle gesperrt. Davor wurde er bis auf die Unterhose ausgezogen, und durfte sich nicht wieder anziehen. Er bekam weder Wasser, noch konnte er aufs Klo gehen. Er trommelte an die Tür und rief, bis irgendwann ein Polizist die Tür öffnete und ihm einen Tritt gab. Er wurde auch beschimpft, (Halt die Goschn Depperta, ...). Danach kam er in die „Gummizelle", wo er weitere 6-7 Stunden festgehalten wurde. Beim Transport dorthin wurde er wieder geschlagen und getreten. Er durfte auch dort nichts trinken oder aufs Klo gehen, so dass er letztlich sogar in die Zelle urinieren musste.
3. „Fußballer-Fall"
Im Mai 2013 wurde bei der Meisterfeier der Austria am Rathausplatz nach einem Streit der eigentliche Streitschlichter von der Polizei verhaftet. Zwei Ehepaare, die den Irrtum aufklären wollten, fuhren zur PI Deutschmeisterplatz. Von einem Beamten wurden sie mit den Worten „Ihr Hurenkinder, es Woamen, schleicht eich. Seits froh, dass ma ned in Amerika san, weil sonst tät i eich jetzt alle erschießen" massiv beschimpft. Später wurde einer von ihnen am Weg zum Taxistandplatz verfolgt, verhaftet und stundenlang eingesperrt.
Auf der PI durfte er längere Zeit nicht aufs WC, obwohl er darauf hinwies, dass er Blasenkrebs und deshalb dadurch Schmerzen hatte. Nach ca. 1,5 Stunden wurde er entlassen und es wurde ihm gesagt, dass er angezeigt werde. Später erhielt er eine Strafverfügung, in denen ihm u.a. vorgeworfen wurde, dass er Beamte geduzt und damit den öffentlichen Anstand verletzt hätte.
Über einige der Personen wurden Verwaltungsstrafen verhängt. Wie auch im Partyschiff-Fall wurde behauptet, die Betroffenen hätten mit Bierdosen geworfen und „ACAB" gerufen. Als das Büro für besondere Ermittlungen eine Einvernahme wegen der erhobenen Beschwerde gegen das Vorgehen der Polizei machte, wurde Druck ausgeübt, die Beschwerde zurückzuziehen (Androhung von Anzeigen wg Verleumdung, Widerstand, Schwierigkeiten im Beruf usw.)
4. Fall Z.
Im Jahr 2011 wurde eine Person nach Beschwerden wegen Ruhestörung bei einer Party verhaftet, in der PI Deutschmeisterplatz stundenlang nackt eingesperrt und schwer beschimpft. Obwohl er Diabetiker war, wurde ihm der Zugang zu seinen Medikamenten verweigert, so dass ein lebensgefährlicher Zuckerwert von 580 mg/dl erreicht wurde.
Letztlich wurde Z. wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt verurteilt.
5. Fall XY
Per Mail wurde ein weiterer Fall geschildert, bei dem jemand - weil er angeblich einen Plastikteil an einem Punschstand abgebrochen hatte - auf der PI Deutschmeisterplatz 6 Stunden ohne Zugang zu Wasser oder WC eingesperrt wurde; schließlich verweigerte man ihm sogar das Klopapier.
6. Studenten-Fall lt. ORF Thema im Herbst 2013
Ein Student wurde nach Verhaftung durch die PI Deutschmeisterplatz blutend und schwer traumatisiert von seiner Familie aufgefunden. Er wurde wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt verurteilt und bedarf seit damals psychiatrischer Behandlung.
7. Taxi-Fall lt. ORF-Thema
Eine weitere Frau wurde lt. ORF-Thema nach einer Beschwerde über einen Taxifahrer ebenfalls von der Polizei schwer beschimpft und inhaftiert.
Von insgesamt 14 Personen über die Informationen zum Deutschmeisterplatz vorliegen, wurden
- 9 wüst von PolizeibeamtInnen beschimpft, wobei die Personen unabhängig voneinander die Benutzung derselben Schimpfwörter berichteten (insb. Hurenkinder, Schleichts euch...)
- 6 berichteten geschlagen worden zu seien, wobei seitens der Polizisten darauf geachtet worden sei, dass dies möglichst keine Spuren hinterlasse (d.h. Tritte und Schläge in Weichteile)
- 6 Personen wurden stundenlang ohne nähere Begründung eingesperrt und durften dabei nicht aufs Klo und erhielten auch kein Wasser. Einer Person wurde, als er später doch aufs Klo durfte, die Verwendung von Klopapier verweigert. Einem Diabetiker wurde stundenlang die Einnahme seiner Medikamente verweigert, so dass ein lebensgefährlicher Zuckerwert erreicht wurde.
- 5 dieser Personen berichten dabei in der Zelle nackt oder nur mit Unterwäsche eingesperrt worden zu sein.
- In drei Fällen wird teils unabhängig voneinander berichtet, dass seitens der Polizei nachträglich Vorwürfe zur Rechtfertigung konstruiert worden seien, wie insb. dass sie Bierdosen geworfen hätten und den Begriff „ACAB" (All cops are bastards") verwendet hätten.
Doch auch in anderen Polizeiinspektionen kommt es zu solchen Vorfällen:
1. Vorfall in der Silvesternacht lt. Bericht im Falter
Siehe dazu oben, die Verhaftete wurde zur Polizeiinspektion Leopoldgasse gebracht.
2. Knochenbrüche nach Führerscheinkontrolle
Im Falter 39/13 wird ein Fall berichtet, bei dem jemand einen Bruch des linken Oberarms, Verrenkungsbruch des linken Mittelfußes und Serienrippenbrüche linksseitig erlitt. Der Betroffene wurde wegen Haltens im Halteverbot kontrolliert, hatte keinen Führerschein und wurde auf das Polizeiwachzimmer Ausstellungsstraße gebracht. Dort wurde er plötzlich zu Boden geworfen, gewürgt und dadurch ohnmächtig. Als er aufwachte hatte er starke Schmerzen. Er wurde dann aber nicht ins Spital gebracht, sondern in den Arrest der Inspektion Pappenheimgasse, wo ihn eine Amtsärztin trotz der Knochenbrüche für haftfähig erklärte.
Mittlerweile hat das Landesverwaltungsgericht Wien festgestellt, dass es hier zu einer unangemessenen Gewaltanwendung kam. Wie in Erfahrung gebracht werden konnte, wurde das Strafverfahren gegen die BeamtInnen dennoch eingestellt.
3. Bregenzer Student
Im Oktober 2014 wurde der Bregenzer Student Jeremy-James P. in Wien im Zuge einer Amtshandlung, an der er nicht beteiligt war, verhaftet. Auch er berichtet davon, beschimpft, an den Haaren gezogen und geschlagen worden zu sein. Auch er wurde sieben Stunden eingesperrt und musste nach einem Zusammenbruch mit der Rettung ins Spital gebracht werden.
4. Zwei weitere Fälle sind bekannt, können aber zum Schutz der Betroffenen vor behördlichen Repressionsmaßnahmen derzeit noch nicht veröffentlicht werden.
5. Anti-WKR-Demonstrant
Zu erwähnen ist weiters jener Demonstrant gegen den WKR-Ball 2014, der am 18.2.2015 im Strafverfahren rechtskräftig freigesprochen wurde. Auch hier hatte die Polizei behauptet, der Beschuldigte hätte mit einer Fahnenstange Polizisten attackiert. Zahlreiche andere Zeugen bestritten das, und die angebliche Tatwaffe wurde nicht sichergestellt. Der Beschuldigte war auch mehrere Monate nach der Verhaftung noch so schwer verletzt, dass er nur mit Krücken in den Gerichtssaal kommen konnte.
B. 1 Prozent Risiko - das Versagen der Kontrolle
Aufgrund der gehäuften Vorfälle haben die Grünen das ungelöste Problem der Polizeigewalt in Wien, und zwar insbesondere in der Polizeiinspektion Deutschmeisterplatz, im Innenausschuss am 2.4.2014 zur Sprache gebracht. Die Innenministerin und der Generaldirektor für Öffentliche Sicherheit haben zugesagt, den Vorwürfen nachzugehen und das Problem zu lösen.
Das ist offensichtlich nicht oder unzureichend geschehen. Polizei und Justiz sind nicht nur im Fall „Deutschmeisterplatz" außerstande, die immer wieder stattfindenden Fälle von Polizeigewalt aufzuklären und gegen die verdächtigen BeamtInnen vorzugehen. Stattdessen ist es nach wie vor gängige Praxis dass die Opfer im Gegenzug mit Anklagen wegen Verleumdung und Widerstand gegen die Staatsgewalt verfolgt werden. Allzu oft wird dann vor Gericht pauschal die Glaubwürdigkeit der PolizistInnen höher eingeschätzt, so dass es nur in seltenen Ausnahmefällen zu einem Freispruch kommt.
Das Günstigste, worauf ein Opfer von Polizeigewalt derzeit in Österreich hoffen kann, ist, dass die Staatsanwaltschaft aufgrund der widersprechenden Aussagen der Opfer und der Polizei beide Verfahren wegen „Beweisproblemen" einstellt.
Der jährliche Sicherheitsbericht spricht hier eine klare Sprache:
So gab es 2013 bei 546 von den Staatsanwaltschaften behandelten Fällen von Verletzungen nach Amtshandlungen in lediglich 4 Fällen eine Anklage gegen Exekutivbeamte, und nur in 2 Fällen einen Schuldspruch. In den Jahren 2011 und 2012 gab es bei je über 600 Fällen sogar überhaupt keine Anklagen. (In der Gesamtzahl sind dabei auch Bagatellfälle enthalten.) Umgekehrt kam es bei Verleumdungsvorwürfen wegen Misshandlung durch PolizistInnen weitaus öfter zu Anklagen: 2013 wurde von 27 Fällen viermal Anklage erhoben, es kam aber nur zu einem Schuldspruch. 2012 gab es bei 20 Fällen sieben Anklagen (und Freisprüche), 2011 bei 29 Fällen 3 Anklagen und 1 Schuldspruch.
Realistisch betrachtet muss daher ein Exekutivbeamter, dessen Gewaltanwendung zu Verletzungen geführt hat, nur in weniger als 1% der Fälle mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen, während die Opfer und Anzeiger in 10-30% der Fälle mit einer Gegenanklage bedacht werden.
ORF Thema berichtete am 9.3.2015, dass in Wien im Vorjahr 250 Anzeigen wegen Misshandlung durch PolizistInnen eingebracht wurden. Es kam deswegen zu einer einzigen Anklage, und zu null Verurteilungen.
Die Botschaft an die Prügelpolizisten ist klar: Ihr habt nichts zu befürchten!
Nach dem aufsehenerregenden Fall des Sportlehrers Mike B., der 2009 irrtümlich für einen Drogendealer gehalten und bei der Verhaftung schwer verletzt wurde, stellte das Justizministerium mit einem eigenen Erlass Richtlinien für die Vorgehensweise der Staatsanwaltschaften bei Misshandlungsvorwürfe gegen Organe der Sicherheitsbehörden auf. Ausdrücklich Bezug genommen wurde dabei auf die Verpflichtungen, die sich für Österreich aus der UN-Konvention gegen Folter und andere grausame und unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe ergeben. Auch das BMI hat einen korrespondierenden Erlass für die Polizei herausgegeben.
Doch in den allermeisten Fällen sind diese Erlässe offenbar das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben sind.
So sieht etwa der BMJ Erlass vor:
Die Reihenfolge der Vernehmung ist nach Lage des Falls grundsätzlich so zu gestalten, dass jeder Anschein einer bevorzugten Behandlung beschuldigter Organe der Behörden vermieden wird. In Fällen von öffentlichem Interesse oder schwieriger Beweislage sollte sich die Staatsanwaltschaft an der Vernehmung beteiligen, die tunlichst in zeitlicher Nähe zum erhobenen Vorwurf durchzuführen ist; vor einer Ausfolgung einer Ablichtung oder eines Ausdrucks des Protokolls der Vernehmung ist jeweils zu prüfen, ob dadurch Interessen des Verfahrens beeinträchtigt werden könnten (Verhinderung der Absprache; § 96 Abs. 5 StPO).
Besonderes Augenmerk ist auf die Ausforschung möglicher unbeteiligter Zeugen des Vorfalls zu legen (etwa auch durch Auswertung des Bildmaterials, das im Zuge der Aufnahme einer Demonstration gewonnen wurde; siehe dazu § 54 Abs. 5 bis 7 SPG.
Regelmäßig steht bei der Erhebung von Misshandlungsvorwürfen Aussage gegen Aussage: das Opfer gegen die Polizeibeamten. Eine „schwierige Beweislage" ist damit wohl immer gegeben. Doch in der Praxis kommt es nur in den seltensten Fällen zu einer Einvernahme durch den Staatsanwalt, die für die Bildung eines persönlichen Urteils über die Glaubwürdigkeit von besonderer Bedeutung wäre.
In der Anfrage 3374/J „betreffend Weisungen und die "Drei Klassen-Justiz"" haben die Grünen genau diese Problematik hinterfragt:
21) Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um zu gewährleisten, dass Angehörige der Sicherheitsexekutive, der Justizwache oder sonstiger Justizdienststellen in Strafverfahren nicht besser behandelt werden als andere Beschuldigte oder ZeugInnen?
22) Werden Sie sicherstellen, dass in Strafverfahren gegen ExekutivbeamtInnen immer eine getrennte persönliche Einvernahme der beteiligten Personen durch die Staatsanwaltschaft erfolgt, und nicht auf schriftliche Stellungnahmen und Protokolle vertraut wird, die von KollegInnen der betroffenen BeamtInnen oder sogar von diesen selbst verfasst wurden?
Die Antwort des Justizministers (3215/AB) war aufschlussreich:
Zu 22:
Wird ein Ermittlungsverfahren gegen eine bestimmte Person geführt, so ist diese nach den §§ 164f StPO als Verdächtiger oder Beschuldigter förmlich zu vernehmen. Allfällige - in der Anfrage angesprochene - schriftliche Stellungnahmen eines verdächtigen bzw. beschuldigten Exekutivbeamten oder von dessen Kollegen können eine förmliche Vernehmung nach den Regeln der StPO jedenfalls nicht ersetzen. Außerhalb der Fälle einer gerichtlichen Beweisaufnahme (§§ 101 Abs. 2, 165 StPO) steht es der Staatsanwaltschaft frei, die Vernehmung durch die Kriminalpolizei durchführen zu lassen, oder sie selbst durchzuführen.
Eine Verpflichtung zur Durchführung der Vernehmung durch die Staatsanwaltschaft im Falle eines Ermittlungsverfahrens gegen Exekutivbeamte besteht nicht, eine entsprechende legistische Änderung ist derzeit nicht in Aussicht genommen. Hinsichtlich bestehender interner Vorgaben im Bereich des BM.I für die Vernehmung von verdächtigen bzw. beschuldigten Exekutivbeamten darf ich auf die Zuständigkeit der Frau Bundesministerin für Inneres verweisen.
Nicht einmal dem Justizminister war also offenbar der Anti-Folter Erlass geläufig, der genau in Fällen mit schwieriger Beweislage (wovon bei widersprechenden Aussagen jedenfalls auszugehen ist) eine persönliche Teilnahme der Staatsanwaltschaft an der Einvernahme vorsieht.
Der Anti-Folter Erlass geht jedoch noch weiter. So heißt es etwa:
3. Bei äußeren Anzeichen von Verletzungen oder sonst verdichteten Hinweisen auf eine Verletzung (Schilderung einer Misshandlung, die nicht folgenlos geblieben sein kann) wird von der Staatsanwaltschaft unverzüglich (in zeitlicher Nähe zum Verletzungszeitpunkt) ein Sachverständigengutachten - in Haftfällen allenfalls nach Erstbesichtigung durch den Arzt der Justizanstalt - zur möglichen Ursache einer körperlichen Beeinträchtigung zu beauftragen sein.
Auch ein solches Gutachten wird häufig nicht eingeholt, wie zuletzt etwa im vom Falter aufgedeckten Fall.
Ein eigener langer Abschnitt des Erlasses beschäftigt sich mit dem Umgang mit reflexartig erhobenen Verleumdungsvorwürfen. Demnach sollen Verleumdungsvorwürfe grundsätzlich erst erhoben werden, wenn ein Verfahren gegen die PolizistInnen rechtskräftig abgeschlossen ist.
Und wenn Freispruch oder Einstellung gegen die ExekutivbeamtInnen nach dem Zweifelsgrundsatz erfolgen, dann gilt:
Verbleiben in diesem Sinn Zweifel, die trotz Verfahrenseinstellung ein Zutreffen des erhobenen Vorwurfs zumindest möglich erscheinen lassen, so ist ein Ermittlungsverfahren gegen den Betroffenen wegen § 297 StGB nicht einzuleiten.
In der Praxis dürfte wiederum das gegenteilige Verhalten gang und gäbe sein.
C. Was ist zu tun
1. Zunächst muss der Anti-Folter-Erlass den Staatsanwälten neuerlich dringend in Erinnerung gerufen werden.
2. Dazu gehört auch, dass sämtliche Ermittlungshandlungen, die nicht direkt von der Staatsanwaltschaft vorgenommen werden können, von einer eindeutig unbefangenen Behörde durchgeführt werden.
Das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe des Europarats empfahl dazu Österreich in seinem Bericht 2009:
Das CPT möchte betonen, dass zur wirksamen Ermittlung über Vorwürfe polizeilicher Misshandlung das entsprechende Verfahren aus der Sicht aller unabhängig und unparteiisch ablaufen muss. Daher sollten die entsprechenden Ermittlungen einer Stelle anvertraut werden, die völlig unabhängig von der Polizei agiert.
In diesem Zusammenhang stellt das Komitee fest, dass eine spezielle Arbeitsgruppe des Menschenrechtsbeirates alle im Laufe des Jahres 2004 an die Staatsanwaltschaft Wien gemeldeten Fälle behaupteter Misshandlung durch die Polizei untersucht hat (insgesamt 146 Fälle). In ihrem Endbericht stellte die Arbeitsgruppe fest, dass „das wesentliche Dilemma der gegenwärtigen Situation darin gesehen werden muss, dass die rasche und umfassende Untersuchung [zu Beginn durch das BIA] nicht unabhängig ist, und dass die unabhängige Untersuchung [welche in der Folge durch einen Staatsanwalt erfolgt] nicht rasch und umfassend ist".
Die Arbeitsgruppe stellte ferner fest, dass das gegenwärtige System hauptsächlich strafrechtlich orientiert ist, und dass von der Exekutive üblicherweise keine weiteren Schritte unternommen werden, wenn fest steht, dass ein bestimmter Vorfall keine strafrechtliche Relevanz hat. Vor allem werden offenbar keinerlei Maßnahmen getroffen, solche Fälle aus einer Disziplinar- und/oder Managementperspektive zu betrachten.
Der Menschenrechtsbeirat schlägt daher die Schaffung einer wirklich unabhängigen Ermittlungsstelle mit der primären Aufgabe vor, alle Misshandlungsvorwürfe bei einem Polizeieinsatz zu untersuchen und wenn notwendig einen Fall in disziplinarrechtlicher Hinsicht weiter zu verfolgen, selbst wenn der festgestellte Sachverhalt kein strafrechtliches Substrat aufweist. Im Januar 2008 wurde vom Menschenrechtsbeirat eine neue Arbeitsgruppe eingesetzt, um in Konsultationen mit Vertretern der Exekutive und unabhängigen Sachverständigen ein Konzept zur Schaffung eines solchen Systems zu erstellen.
Das CPT begrüßt diese Initiative und ruft die österreichischen Behörden auf, das gegenwärtige System zur Untersuchung von Vorwürfen polizeilicher Misshandlung im Lichte der obigen Anmerkungen einer Überprüfung zu unterziehen. In diesem Zusammenhang sollten die relevanten vom Komitee in seinem 14. Jahresbericht festgelegten Standards zur Berücksichtigung kommen.
Das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung kann zwar von der jeweiligen Staatsanwaltschaft mit entsprechenden Ermittlungen beauftragt werden, das ist jedoch nicht der Regelfall. Darüber hinaus ist das .BAK derzeit mit der Bekämpfung der Korruption mehr als ausgelastet. Die Umsetzung der Europaratsempfehlung zur Verfolgung aller Misshandlungsvorwürfe in strafrechtlicher wie auch disziplinarrechtlicher Hinsicht durch eine eigene, unabhängige Stelle ist daher mehr als überfällig.
3. Die Innenministerin hat dafür zu sorgen, dass die Vorgesetzten der prügelnden Polizisten ihre Haltung ändern: Wer prügelt, schimpft und einschüchtert, hat bei der Polizei nichts verloren und muss mit harten Sanktionen rechnen.
Konkret: Die Beamten, die an den Misshandlungen laut Falter-Bericht beteiligt waren, müssen unverzüglich vom Dienst suspendiert werden. Gegen sie müssen Straf- und Disziplinarverfahren eingeleitet werden.
Die Beamten, die für die Vorfälle in der PI Deutschmeisterplatz verantwortlich sind, sind in derselben Art zu behandeln.
Die KollegInnen, die geschwiegen und nichts unternommen haben, sind in Zukunft wie Mitwisser zu behandeln.
4. Der Justizminister hat dafür zu sorgen, dass die Staatsanwaltschaften das Gesetz und nicht die Interessen der prügelnden Beamten vertreten.
Konkret: Dem Staatsanwalt, der im Falter-Fall ermittelte ist der Fall zu entziehen. Gegen ihn müssen Untersuchungen eingeleitet werden.
5. Alle Fälle, in denen ergebnislos wegen möglicher Polizeiübergriffe ermittelt wurde, müssen von einer Kommission aus unabhängig nominierten JuristInnen, ÄrztInnen und MenschenrechtsexpertInnen überprüft werden. Dabei ist darauf zu achten, dass BMI und BMJ auf die Bestellung keinen Einfluss nehmen können.
Persönlich glaube ich, dass Innenministerin und Generaldirektor die Missstände bekämpfen wollen. Aber wer hindert sie daran?
http://www.peterpilz.at
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