Was aber nicht zu vergessen ist, ist die Tatsache, dass in den asiatischen Religionen der Glaube an Wiedergeburt vorherrschend ist. Häufig basiert das Konzept der Wiedergeburt auf der Idee, dass jeder und jede für das, was ihr/ihm passiert selber die Verantwortung trägt. Kurz gesagt, nach diesem Ansatz haben die Menschen in einem früheren Leben gesündigt, denen es heute beschissen geht. Kein Konzept, das ich gut finde. Aber eines, das zu respektieren ist. Oberflächlich wiedergegeben halte ich es halt wirklich, wirklich für gefahrlich und grausam.
Ja, mit solchen importierten Glaubenskonstrukten werden wir immer wieder konfrontiert, und manchmal hat's mich wirklich hart an meine Grenzen gebracht, nämlich dann, wenn irgendso a Mensch meinte, ich solle nicht mit meinem "Schicksal" hadern, schließlich habe ich mir es selbst ausgesucht.
Ich bin mit den verschiedenen Reinkarnationslehren nur unvollständig vertraut, was mir daran in unseren westlichen Kulturkreisen aber besonders bedenklich erscheint, ist ihre "Verstümmelung", die - aus ihren jahrtausende alten, gewachsenen Strukturen herausgerissen wie modischer Schnickschnack aufgesetzt wirkt und gelegentlich wie Waffen benutzt werden von Leuten, die aus meiner Sicht oft einfach nur zu faul sind, sich mit dem eigentlichen Wesen von Religionen und deren tiefen Weisheiten auseinanderzusetzen.
Aber ok, gehen wir mal davon aus, daß etwas dran ist an der These, wir würden je nach Lebensbahn wiedergeboren und uns selbst (oder eine höhere Macht) für die Rahmenbedingungen entscheiden, in die wir hineingeboren werden. Jemand, der schon krank zur Welt kommt, in einem Hungergebiet nicht älter als ein paar Wochen wird, bevor er jämmerlich verreckt, oder halt ohne Eltern in beschissenen Verhältnissen aufwächst. Dumm gelaufen, das vorangegangene Leben muß ziemlich versemmelt worden sein. Leben als Resozialisierungsmaßnahme sozusagen. Das ließe sich noch akzeptieren, sogar wenn man sich fragt, was zum Geier so eine Resozialisierung bringen soll, wenn man sich nicht mal an die Ursachen für dieses "gewählte" Leben erinnern kann. Ich könnte diesen Ansatz akzeptieren (vorausgesetzt, ich würde an eine lenkende Kraft glauben, seien es nun Götter oder eine sonstwie bewußt agierende, übergeordnete Macht), wenn nicht unser christlich geprägtes, von Schuld und Bestrafung ausgehendes Weltbild mich geprägt hätte. Denn ich glaube nicht, daß Reinkarnation das "Strafprinzip" lehren will, sondern die Chance auf Weiterentwicklung und Vervollkommnung des eigenen Ichs. Zwei völlig unterschiedliche, einander widersprechende Sichtweisen.
Das ist das eine. Das andere: bislang ist mir noch kein einziger westlicher Anhänger einer Reinkarnationslehre begegnet, der - neben diesem Gedanken der Weiterentwicklung durch Wiedergeburt - diesen Glauben konsequent gelebt hätte. Der beinhaltet nämlich nicht nur das "Wissen", daß ein unglücklicher Mensch sich dieses Leben zur Erfüllung des eigenen Karmas ausgesucht hat - das bringt es nämlich mit sich, daß man recht entspannt und großzügig gegenüber anderer Leute Leid sagen kann: "Tja, dein Schlamassel, hab ich aber'n Glück, daß ich in meinen früheren Leben ein besserer Mensch gewesen sein muß!" - sondern er bedeutet auch, daß man, um sein Karma positiv zu gestalten, Liebe, Mitgefühl und Gütigkeit gegenüber seinen Mitgeschöpfen lebt, statt sie in ihrem Leid allein zu lassen.
Ohne mich nu allzu intensiv damit beschäftigt zu haben, würde ich doch meinen, daß diese Glaubenskonzepte in ihren Ursprungs-Kulturkreisen einerseits eine gewisse Gelassenheit und Duldung großen Leids mit sich bringen, andererseits aber auch das Bestreben der Gläubigen, sich selbst immer weiter vervollkommnen zu können. Darin liegt eine große Hoffnung, die selbst den "Geringsten" zur Verfügung steht. Das vermisse ich bei den - sorry, Auf_Achse! - Instantgläubigen fernöstlicher Färbung fast immer, denn sie geben sich zwar "erleuchtet" und wissend, tragen dabei aber gleichzeitig eine Selbstgerechtigkeit vor sich her, wie ich sie nicht von wahren gläubigen Christen, wohl aber von jenen hartherzigen Heuchlern kenne, die das "Christenschild" vor sich hertragen und meinen, ihnen wäre das Himmelreich sicher, weil sie regelmäßig den Gottesdienst besuchen und mit zusammengekniffenen Arschbacken und Herzen auf die vielen Sünder herabschauen.
Pervertierten Religionsmißbrauch nenne ich sowas.
So, nun ist der Text schon so lang und ich bin immer noch nicht näher dran, was "Schicksal", was Eigenverantwortung bzw. die Beeinflußbarkeit des eigenen Lebens betrifft...
@DonJoe, ich bin immer noch dabei, deine These widerlegen zu wollen, weil mir deine Vorstellung, wir verfügten nicht über einen freien Willen, mir so widerstrebt. Bin schon ziemlich nahe dran, ein was ist mir dabei besonders aufgefallen: Du gehst davon aus, daß alles - wir, das Universum, in dem wir leben - überhaupt alles - ein in sich geschlossenes System sei, in das "von außen" nichts hinzukommen könnte, sei's in Form von Energie oder sonstwas. Hab ich das richtig verstanden?
Das übersteigt mein Vorstellungsvermögen (nicht nur meins, vermutlich), weil: was liegt dann außerhalb dieses Systems? Ich denk mal, genau diese Unmöglichkeit, sich "Unendlichkeit" vorzustellen, ist der eigentliche Ausgangspunkt für jegliche Art von Glauben, sei's nun ein deterministisches Weltbild, die Vorstellung von Wiedergeburt, von schöpferischen Wesen oder Göttern oder dem Pantheismus. Bewiesen ist keine, so daß ich meine, daß wir letztlich alle nur Gläubige sein können. Nicht?