Zeigt einmal mehr, daß die ursprüngliche Idee der Herdenimmunität (von der u.a. Boris Johnson fantasierte) wohl endgültig ad acta gelegt werden kann.
Wobei die ursprüngliche Idee eigentlich aus einem Missverständnis resultiert, was man unter Herdenimmunität versteht: Der Begriff wurde beim SIR Modell eingeführt (mit den Anteilen der Bevölkerung: s = noch gesund, i = infiziert und ansteckend, r = geheilt und immun, krank und isoliert oder tot). Die Herdenimmunität ist erreicht, sobald der Anteil i das Maximum erreicht hat; siehe
Wikipedia. Das bedeutet aber nicht, dass nun niemand mehr angesteckt wird, was der Ausdruck Immunität suggeriert. Im Gegenteil, es können sich noch fast alle anstecken.
Das rechnet man etwa für folgende Differentialgleichungen nach (Zeiteinheit 1 Tag, von der Epidemie unabhängige "natürliche" Geburts- und Sterberate = 0):
s´ = -1*i*s mit 1 = im Mittel ein riskanter Kontakt pro Tag,
r´ = 0.2*i mit 0.2 = im Mittel 5 Tage, die jemand ansteckend ist,
i´ = 1*i*s-0.2*i (daher R0 = 5).
Startet man mit i = 1%, s = 99%, r = 0, dann wird nach 7.7 Tagen das Maximum i = 48% erreicht. Zu diesem Zeitpunkt sind r= 32% bereits genesen-isoliert-tot und s = 20% der Bevölkerung sind bisher nicht angesteckt worden. Wenn diese (rechnerische) Epidemie endet, ist i = 0, r = 99.3% und es verbleiben bloß s = 0.7% der Bevölkerung, die mit der Infektion nicht in Kontakt gekommen sind.
[Edit Lycisca: Differentialgleichung eingefügt, weil im Wikipedia-Artikel mehrere Möglichkeiten vorkommen. Die Gleichungen entsprechen am ehesten den am Ende des Artikels über die Pestepidemie.]