GMX gestern:
Wirken die Corona-Impfstoffe gegen die neuen Mutationen?
Aktualisiert am 15.02.2021, 17:32 Uhr
- Der Impfstoff von Astra Zeneca ist gegen die in Südafrika aufkommende Mutation wohl nur bedingt wirksam, wie eine aktuelle Studie zeigt.
- Auch in Deutschland, Österreich und der Schweiz wurde die Mutation bereits nachgewiesen, Experten rechnen mit einer weiteren Ausbreitung.
- Können wir trotzdem auf die Impfung als Weg aus der Pandemie hoffen? Ein Überblick.
In der EU sind bislang drei
Impfstoffe gegen das Coronavirus zugelassen: BNT162b2 von Biontech/Pfizer, mRNA-1273 von Moderna und AZD1222 von
AstraZeneca. In der Schweiz sind zwei der drei Präparate bereits zugelassen - das Gesuch von AstraZeneca wird noch geprüft.
Bei ersteren beiden
handelt es sich um mRNA-Impfstoffe. Ihnen wurde ohne Berücksichtigung der derzeitigen Mutationen aus Großbritannien,
Südafrika und Brasilien eine Wirksamkeit von rund 95 Prozent nachgewiesen.
Das Vakzin von AstraZeneca hingegen ist ein Vektorenimpfstoff, dem in Studien eine Wirksamkeit von bis zu 90 Prozent zugeschrieben wurde – also weniger im Vergleich zu den beiden anderen Impfstoffen.
Ein wesentlicher Unterschied liegt in der Wirkweise von mRNA- und Vektorenimpfstoffen. Die mRNA-Impfstoffe von
Biontech/
Pfizer und Moderna gründen auf einer neuen Technologie, die nun erstmals außerhalb von Laboren zum Einsatz kommt.
Bei mRNA-Vakzinen wird der "Bauplan" für ein Virus-Antigen injiziert, anhand dessen der Körper das Antigen - im Fall von
Corona ein Oberflächenprotein des Virus - selbst produzieren kann. Diese Antigene allein sind ungefährlich, werden vom Immunsystem aber als fremd erkannt und bekämpft.
Kommt der Geimpfte später mit dem
Virus in Kontakt, erkennt das Immunsystem dieses anhand des Oberflächenproteins wieder und kann nun schneller und gezielter gegen das Virus vorgehen.
mRNA-Impfstoffe können schnell an Mutationen angepasst werden
Das Paul-Ehrlich-Institut betrachtet den mRNA-Impfstoffe im Kampf gegen die aufkommenden Mutationen als besonders geeignet: "mRNA-Impfstoffplattformen bieten insbesondere den Vorteil, dass sie schnell an Mutationen angepasst werden können", heißt es.
"Innerhalb von sechs Wochen kann der Impfstoff
ausgetauscht und modifiziert werden. Veränderungen des Erregers führen also nicht zu einem Verlust der Wirksamkeit", schreibt das
Bundesministerium für Gesundheit (BMG) auf seiner Homepage.
Dass der aktuell verfügbare Impfstoff vom Biontech/Pfizer gegen die britische und südafrikanische Variante von SARS-CoV-2 wirksam ist, wurde in einer klinischen Studie gezeigt. Auch bei Moderna geht man Studien zufolge davon aus, dass der mRNA-Impfstoff gegen die britische sowie die südafrikanische Mutation erfolgreich eingesetzt werden kann.
Vektorenimpfstoff: Erbgutschnipsel in Trägerviren
Vektorenimpfstoffe wie das Produkt von AstraZeneca enthalten im Gegensatz zu mRNA-Vakzinen ungefährliche und gut untersuchte Trägerviren. Diese Viren transportieren die Kopie eines kleinen Teil Corona-Erbguts, also der DNA von SARS-CoV-2, in menschliche Körperzellen. Dieser Erbgutschnipsel dient
ebenfalls als "Bauplan", sodass die Zelle letztlich die Oberflächenproteine des Coronavirus selber herstellt.
Auch hier lernt das Immunsystem die Abwehr von SARS-CoV-2-Viren und kann in der Folge den Organismus bei Kontakt mit dem Virus schneller effektiver schützen. AstraZeneca kündigte an, den Impfstoff an die bestehenden Mutationen anpassen zu wollen. Dies dürfte allerdings etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen, als dies bei den mRNA-Produkten der Fall ist.
Eine Studie der Universität Oxford zeigte nun, dass der so funktionierende Impfstoff von AstraZeneca gegen milde Verläufe der südafrikanischen Mutation bei jungen Menschen
nur "minimal" wirksam ist. Für sie wurden 1.749 Probanden im Durchschnittsalter von 31 Jahren untersucht.
Da diese Gruppe aber ein niedriges Risiko für schwere Verläufe und Todesfälle hatte, wurden solche nicht berücksichtigt. Die Aussage der Studie besteht daher vor allem darin, dass es trotz einer
Impfung mit dem AstraZeneca-Vakzin im Falle der südafrikanischen Mutation zu Infektionen mit einem milden Verlauf kommen kann.
Andrew Pollard, Professor für pädiatrische Infektion und Immunität und Chefermittler der Oxford-Impfstoffstudie, sagte: "Diese Studie bestätigt, dass das Pandemie-Coronavirus wie erwartet Wege finden wird, sich in geimpften Populationen weiter auszubreiten, aber angesichts der vielversprechenden Ergebnisse aus anderen Studien in Südafrika, die einen ähnlichen viralen Vektor verwenden, können Impfstoffe die Gesundheitssysteme weiterhin entlasten, indem sie schwere Krankheiten verhindern."
SARS-CoV-2 wird auch durch Impfungen nicht verschwinden
Dass es mit der Impfung vor allem um die Vermeidung schwerer Krankheitsverläufe geht, betont auch
Virologe Christian Drosten im NDR-Podcast "Coronavirus-Update": "Klinisch auffällige Infektionen können auch Halsschmerzen sein." Von eigentlichem Interesse sei aber, "ob wir gegen den schweren Verlauf geschützt sind. Und da liegt die Wirksamkeit viel besser", so Drosten.
Es sei ein Irrglaube zu denken, dass SARS-CoV-2 und sämtliche seiner Mutationen durch die Impfung verschwinden werden. Dazu bräuchte es eine "sterile Immunität", bei der das Virus komplett ausgelöscht und nicht mehr übertragen wird. Eine solche gegen SARS-CoV-2 zu erzielen sei unrealistisch, wie Drosten betont.
Es sei "fast müßig zu denken, wir könnten hier eine sterile Immunität erzielen."
Es werde immer so sein, dass auch der Geimpfte noch etwas Virus auf den Schleimhäuten haben kann. Dennoch werde ein Geimpfter "immer weniger das Virus verbreiten, auch wenn das sicherlich von Impfstoff zu Impfstoff dann wieder unterschiedlich ist", so Drosten.
Er geht davon aus, dass weitere Ansteckungen durch die Impfungen eingedämmt werden und schwere Krankheitsverläufe vermieden werden können. Das entspräche dann einer sogenannten klinischen Immunität. Das Virus wird also voraussichtlich trotz der Impfungen zumindest vorerst nicht verschwinden. Deshalb werden Regeln wie Abstand halten oder Masken tragen weiter Bestandteil unseres Alltags bleiben.
Dem BMG zufolge ist außerdem wichtig zu betonen, dass der Impfschutz nicht sofort nach der Impfung eintritt. Um den bestmöglichen Schutz zu erwirken, ist die Verabreichung beider Impfdosen im entsprechenden zeitlichen Abstand notwendig. Wie lange der Impfschutz dann anhält, ist bislang unklar und muss weiterhin erforscht werden.