Eure Lieblingsgedichte/Texte

Beim stöbern meiner Sachen aus vergangenen Tagen viel mir ein Buch in die Hand
das ich mir mit 12 gekauft habe und das Lesezeichen lag genau hier :)
Hat mich ein wenig an die Schulzeit erinnert :)

Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?
Es ist der Vater mit seinem Kind.
Er hat den Knaben wohl in dem Arm,
Er faßt ihn sicher, er hält ihn warm.

Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht?
Siehst Vater, du den Erlkönig nicht!
Den Erlenkönig mit Kron' und Schweif?
Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif.

Du liebes Kind, komm geh' mit mir!
Gar schöne Spiele, spiel ich mit dir,
Manch bunte Blumen sind an dem Strand,
Meine Mutter hat manch gülden Gewand.

Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht,
Was Erlenkönig mir leise verspricht?
Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind,
In dürren Blättern säuselt der Wind.

Willst feiner Knabe du mit mir geh'n?
Meine Töchter sollen dich warten schön,
Meine Töchter führen den nächtlichen Reihn
Und wiegen und tanzen und singen dich ein.

Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort
Erlkönigs Töchter am düsteren Ort?
Mein Sohn, mein Sohn, ich seh'es genau:
Es scheinen die alten Weiden so grau.

Ich lieb dich, mich reizt deine schöne Gestalt,
Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt!
Mein Vater, mein Vater, jetzt faßt er mich an,
Erlkönig hat mir ein Leids getan.

Dem Vater grauset's, er reitet geschwind,
Er hält in den Armen das ächzende Kind,
Erreicht den Hof mit Mühe und Not,
In seinen Armen das Kind war tot.

Johann Wolfgang von Goethe
 
Der Mensch das Tier

Lang bevor’s uns Menschen gab,
hat es das Tier gegeben.
Es wollte hier auf dieser Welt
im Grunde einfach leben.

Doch dann passierte etwas,
der Mensch machte sich breit.
Ein Raubtier, dem es darum ging,
zu schaffen Gier und Neid.

Mittlerweile ist das Tier
dem Menschen untergeben.
Ein Opfer von Gewalt und Lust,
durch Habgier von Strategen.

Es kommt der Tag, so glaubet mir,
dann wird sich dieses rächen.
Wir werden dann an Selbstsucht,
an diesem Leid zerbrechen.

©Norbert van Tiggelen
 
Blick in den Strom

Sahst du ein Glück vorübergehn,
Das nie sich wiederfindet,
Ists gut in einen Strom zu sehn,
Wo alles wogt und schwindet.

O! starre nur hinein, hinein,
Du wirst es leichter missen,
Was dir, und solls dein Liebstes sein,
Vom Herzen ward gerissen.

Blick unverwandt hinab zum Fluß,
Bis deine Tränen fallen,
Und sieh durch ihren warmen Guß
Die Flut hinunterwallen.

Hinträumend wird Vergessenheit
Des Herzens Wunde schließen;
Die Seele sieht mit ihrem Leid
Sich selbst vorüberfließen.

(Nikolaus Lenau)
 
ein krebs in seiner muschel saß,
er ließ keinen herein,
wen verwundert es in diesem fall,
er fühlt sich oft allein.

früher, da war er ohne schutz,
verletzt hat man ihn schwer.
nachdem er sich dann erholt hatte,
wollt' der krebs nicht mehr.

heute sitzt er in seinem gehäuse,
er steckt darin wie ein pfropfen,
doch plötzlich was ist das?
da hört er jemanden klopfen!

"hey du, krebs! komm doch heraus?"
trägt die weibliche stimme vor.
"komm, wir unternehmen was!",
der krebs, der ist ganz ohr.

"ich habe viel gehört von dir",
in die muschel schallt es hinein,
"daher kann ich es nicht versteh'n,
dass du bist hier allein!"

ihre worte treffen ihr ziel,
der krebs, der macht sich gedanken.
diese zärtliche stimme,
bringt sein herzchen ins wanken!

"ok, ist gut, ich öffne die muschel!",
dringt es schüchtern und dumpf vor zu ihr,
auf einmal steht der krebs vor ihr.

schüchtern blinzeln sie sich an,
bekannt war er für seinen charme,
nach langem suchen nun endlich,
nimmt sie ihn in den arm!

und die moral von dieser geschichte,
die ist nicht schwer zu erkennen,
liebe kann sogar muscheln knacken,
welche die verliebten trennen!
 
Die Weihnachtsmaus

Die Weihnachtsmaus ist sonderbar
(sogar für die Gelehrten),
denn einmal nur im ganzen Jahr
entdeckt man ihre Fährten.

Mit Fallen oder Rattengift
kann man die Maus nicht fangen.
Sie ist, was diesen Punkt betrifft,
noch nie ins Garn gegangen.

Das ganze Jahr macht diese Maus
den Menschen keine Plage.
Doch plötzlich aus dem Loch heraus
kriecht sie am Weihnachtstage.

Zum Beispiel war vom Festgebäck,
das Mutter gut verborgen,
mit einem Mal das Beste weg
am ersten Weihnachtsmorgen.

Da sagte jeder rundheraus:
"Ich hab es nicht genommen!
Es war bestimmt die Weihnachtsmaus,
Die über Nacht gekommen."

Ein andres Mal verschwand sogar
das Marzipan von Peter,
was seltsam und erstaunlich war,
denn niemand fand es später.

Der Christian rief rundheraus:
"Ich hab es nicht genommen!
Es war bestimmt die Weihnachtsmaus,
Die über Nacht gekommen."

Ein drittes Mal verschwand vom Baum,
an dem die Kugeln hingen,
ein Weihnachtsmann aus Eierschaum
nebst andern leckren Dingen.

Die Nelly sagte rundheraus:
"Ich habe nichts genommen!
Es war bestimmt die Weihnachtsmaus,
die über Nacht gekommen."

Und Ernst und Hans und der Papa,
die riefen: "Welche Plage!
Die böse Maus ist wieder da,
und just am Feiertage!"

Nur Mutter sprach kein Klagewort.
Sie sagte unumwunden:
"Sind erst die Süssigkeiten fort,
ist auch die Maus verschwunden!"

Und wirklich wahr:
die Maus blieb weg,
sobald der Baum geleert war,
sobald das letzte Festgebäck
gegessen und verzehrt war.

Sagt jemand nun, bei ihm zu Haus -
bei Fränzchen oder Lieschen -
da gäb es keine Weihnachtsmaus,
dann zweifle ich ein bißchen!

Doch sag ich nichts, was jemand kränkt!
Das könnte euch so passen!
Was man von Weihnachtsmäusen denkt,
bleibt jedem überlassen!

James Krüss
 
...Lieblingstexte sind auch gern gesehen? Na dann:

Games, changes and fears,
When will they go from here?
When will they stop?
I believe that fate has brought us here
And we should be together babe, but we're not.

I may appear to be free
But I'm just a prisoner of your love
And I may seem alright
And smile when you leave
But my smiles are just a front, just a front.

(Macy Gray)
 
Neue Liebe

Herz, mein Herz, warum so fröhlich,
So voll Unruh und zerstreut,
Als käme über Berge selig
Schon die schöne Frühlingszeit?

Weil ein liebes Mädchen wieder
Herzlich an dein Herz sich drückt,
Schaust du fröhlich auf und nieder,
Erd und Himmel dich erquickt.

Und ich hab die Fenster offen,
Neu zieh in die Welt hinein
Altes Bangen, altes Hoffen!
Frühling, Frühling soll es sein!

Still kann ich hier nicht mehr bleiben,
Durch die Brust ein Singen irrt,
Doch zu licht ist´s mir zum Schreiben,
Und ich bin so froh verwirrt.

Also schlendr ich durch die Gassen,
Menschen gehen her und hin,
Weiß nicht, was ich tu und lasse,
Nur, daß ich so glücklich bin.

(Joseph Freiherr von Eichendorff)
 
Neue Liebe

Herz, mein Herz, warum so fröhlich,
So voll Unruh und zerstreut,
.........
Weiß nicht, was ich tu und lasse,
Nur, daß ich so glücklich bin.

(Joseph Freiherr von Eichendorff)

Ein sehr schönes Gedicht von Eichendorff, optimistisch und fröhlich, aber auf eine sehr ruhige Weise. Danke fürs posten!
Ich habe mich nach deinem Tipp ein wenig bei ihm umgesehen...sind schon einige sehr nette Sachen dabei.
Storm und seine Lieder aus der grauen Stadt sind mir aber doch noch ein wenig lieber, und auch manche Sachen von Lenau (wie das untenstehende)
Ganz liebe Grüße und eine ruhige Nacht!
 
Meine Braut

An der duftverlornen Grenze
Jener Berge tanzen hold
Abendwolken ihre Tänze,
Leichtgeschürzt im Strahlengold.

Wenn ich nach den lichten Räumen
Jener Berg' hinüberseh,
Überschleicht es mich wie Träumen,
Faßt mein Herz ein dunkles Weh.

Und mir ist, als wohne drüben
Meine Braut und harr in Schmerz,
Daß ich komme, sie zu lieben,
Eh verblüht ist Wang und Herz.

Plötzlich treibt ein wildes Sehnen
Nach den Bergen mich, zu ihr,
Fluchtverstreute Wonnetränen
Stürzen aus den Augen mir.

Doch die Berge sich verdunkeln,
Und die Wolken werden Nacht;
Nicht ein Sternlein seh ich funkeln,
Und der Sturm ist aufgewacht;

Scheltend ruft er mir entgegen:
Heißer Narr, wohin? verzeuch!
Deine Braut heißt Qual, – den Segen
Spricht das Unglück über euch!

(Nikolaus Lenau)




:)..."Fluchtverstreute Wonnetränen"...einfach herrlich...
 
Ich bitte nicht um Wunder und Visionen, Herr, sondern um die Kraft für den Alltag.
Lehre mich die Kunst der kleinen Schritte.

Mach mich findig und erfinderisch, um im täglichen Vielerlei und Allerlei rechtzeitig
meine Erkenntnisse und Erfahrungen zu notieren, von denen ich betroffen bin.

Mach mich griffsicher in der richtigen Zeiteinteilung.
Schenke mir das Fingerspitzengefühl, das nötig ist,
um herauszufinden, was erstrangig und was zweitrangig ist.

Lass mich erkennen, dass Träume nicht weiterhelfen,
weder über die Vergangenheit noch über die Zukunft.
Hilf mir, das Nächste so gut wie möglich zu tun
und die jetzige Stunde als die wichtigste zu erkennen.

Bewahre mich vor dem naiven Glauben, es müsste im Leben alles glattgehen.
Schenke mir die nüchterne Erkenntnis,
dass Schwierigkeiten, Niederlagen, Misserfolge und Rückschläge
eine selbstverständliche Zugabe zum Leben sind,
durch die wir wachsen und reifen.

Erinnere mich daran, dass das Herz oft gegen den Verstand streikt.
Schick mir im rechten Augenblick jemanden,
der den Mut hat, mir die Wahrheit in Liebe zu sagen.

Du weißt, wie sehr wir der Freundschaft bedürfen. Gib, dass ich diesem
schönsten, schwierigsten, riskantesten und zartesten
Geschenk des Lebens gewachsen bin.

Verleihe mir die nötige Phantasie, im rechten Augenblick
ein Päckchen Güte, mit oder ohne Worte,
an der richtigen Stelle abzugeben.

Mach aus mir einen Menschen, der einem Schiff mit Tiefgang gleicht,
um auch die zu erreichen, die „unten“ sind.

Bewahre mich vor der Angst, ich könnte das Leben versäumen.
Gib mir nicht, was ich mir wünsche, sondern was ich brauche.
Lehre mich die Kunst der kleinen Schritte.

Antoine de Saint-Exupéry​
 
VORBEI

Wir hatten uns erkoren,
versprochen Lieb und Treu,
wir hattens uns geschworen...
Und nun ists doch vorbei!

Verwelkt die schönsten Triebe,
verdorrt, müd und matt,
und ach, das Herz der Liebe
und auch des Lebens satt.

"Vorbei" - wie sie auch glühten
im schönen jungen Mai,
vorbei die holden Blüten -
auf immerdar vorbei! -

Erweckt euch nichts mehr wieder
mit himmlischer Gewalt,
sind all die frohen Lieder
auf ewig nun verhallt?

Und doch durchs Herze leise
mir immerfort noch zieht
die zarte, liebe Weise -
das alte schöne Lied!

Rainer Maria Rilke (Trennung Liebesgedichte)
 
Wir hatten uns erkoren.....
Liebe Vulcana! Ein wunderbarer, herzzerreissender Rilke! Lenau hat Ähnliches geschrieben, doch hatte es ihn scheinbar noch wesentlich schlimmer erwischt.
Ein Gedicht wie ein Aufschrei, das Spiel mit dem wandelnden Schicksal der Träne finde ich einfach genial...
liebe Grüße



Dahin!

Einst, o nächtlicher Himmel! blickt ich
Selig empor zu dir, umschlungen
Von der Geliebten, und ich weinte
Dank dem ewigen Gott!

Und sie pflückte mit Küssen mir die
Blüte der Wonne von der Wang, und
Mächtiger zog ich die Geliebte
An die klopfende Brust.

Doch nun sind sie dahin! die Stunden
Seliger Lust; und ach! nun weht der
Brausende Sturm die heiße Träne
Banger Wehmut dahin!

(Nikolaus Lenau)
 
Lieber revere!
Das ganze Leben von Novalis war - meiner Meinung nach - ein einziger verzweifelter Aufschrei.
In allem was er schrieb spiegelt sich sein Gemütszustand wider.
Wird dir vielleicht gefallen:

ES GIBT SO BANGE ZEITEN (Novalis)

Es gibt so bange Zeiten,
es gibt so trüben Mut,
wo alles sich von weitem
gespenstisch zeigen tut.

Es schleichen wilde Schrecken
so ängstlich leise her;
und tiefe Nächte decken
die Seele zentnerschwer.

Die sichern Stützen schwanken,
kein Halt der Zuversicht;
der Wirbel der Gedanken
gehorchen dem Willen nicht.

Der Wahnsinn naht und locket
unwiderstehlich hin.
Der Puls des Lebens stocket,
und stumpf ist jeder Sinn.

Wer hat das Kreuz erhoben
zum Schutz für jedes Herz?
Wer wohnt im Himmel droben
und hilft in Angst und Schmerz?

Geh zu dem Wunderstamme,
gib stiller Sehnsucht Raum,
aus ihm geht eine Flamme
und zehrt den schweren Traum.

Ein Engel zieht dich wieder
gerettet auf den Strand,
du schaust voll Freuden nieder
in das gelobte Land.
 
Lieber revere!
Das ganze Leben von Novalis war - meiner Meinung nach - ein einziger verzweifelter Aufschrei.
In allem was er schrieb spiegelt sich sein Gemütszustand wider.
Wird dir vielleicht gefallen:
Novalis war ein armer Tropf wenn er immer so mies drauf war;)
lieb Grüße!
 
Storm war nicht immer trübsinnig. Wie dieses Beispiel zeigt. Herzig:)

Von Katzen

Vergangnen Maitag brachte meine Katze
Zur Welt sechs allerliebste kleine Kätzchen,
Maikätzchen, alle weiß mit schwarzen Schwänzchen.
Fürwahr, es war ein zierlich Wochenbettchen!
Die Köchin aber - Köchinnen sind grausam,
Und Menschlichkeit wächst nicht in einer Küche -,
Die wollte von den sechsen fünf ertränken,
Fünf weiße, schwarzgeschwänzte Maienkätzchen
Ermorden wollte dies verruchte Weib.
Ich half ihr heim! - Der Himmel segne
Mir meine Menschlichkeit! Die lieben Kätzchen,
Sie wuchsen auf und schritten binnen kurzem
Erhobnen Schwanzes über Hof und Herd;
Ja, wie die Köchin auch ingrimmig dreinsah,
Sie wuchsen auf, und nachts vor ihrem Fenster
Probierten sie die allerliebsten Stimmchen.
Ich aber, wie ich sie so wachsen sahe,
Ich pries mich selbst und meine Menschlichkeit. -
Ein Jahr ist um, und Katzen sind die Kätzchen,
Und Maitag ist's! - Wie soll ich es beschreiben,
Das Schauspiel, das sich jetzt vor mir entfaltet!
Mein ganzes Haus, vom Keller bis zum Giebel,
Ein jeder Winkel ist ein Wochenbettchen!
Hier liegt das eine, dort das andre Kätzchen,
In Schränken, Körben, unter Tisch und Treppen,
Die Alte gar - nein, es ist unaussprechlich -
Liegt in der Köchin jungfräulichem Bette!
Und jede, jede von den sieben Katzen
Hat sieben, denkt euch! sieben junge Kätzchen,
Maikätzchen, alle weiß mit schwarzen Schwänzchen!
Die Köchin rast, ich kann der blinden Wut
Nicht Schranken setzen dieses Frauenzimmers;
Ersäufen will sie alle neunundvierzig!
Mir selber! ach, mir läuft der Kopf davon -
O Menschlichkeit, wie soll ich dich bewahren!
Was fang ich an mit sechsundfunfzig Katzen!

(Theodor Storm)
 
...aber schon oft :confused:
...einfach wunderschön, diese Ode an die Heimat...

Gedenkst du noch?

Gedenkst du noch, wenn in der Frühlingsnacht
Aus unserm Kammerfenster wir hernieder
Zum Garten schauten, wo geheimnisvoll
Im Dunkel dufteten Jasmin und Flieder?
Der Sternenhimmel über uns so weit,
Und du so jung; unmerklich geht die Zeit.

Wie still die Luft! Des Regenpfeifers Schrei
Scholl klar herüber von dem Meeresstrande;
Und über unsrer Bäume Wipfel sahn
Wir schweigend in die dämmerigen Lande.
Nun wird es wieder Frühling um uns her,
Nur eine Heimat haben wir nicht mehr.

Nun horch ich oft, schlaflos in tiefer Nacht,
Ob nicht der Wind zur Rückfahrt möge wehen.
Wer in der Heimat erst sein Haus gebaut,
Der sollte nicht mehr in die Fremde gehen!
Nach drüben ist sein Auge stets gewandt:
Doch eines blieb - wir gehen Hand in Hand.

(Theodor Storm)
 
Zauberschwestern

Zwiefach sind die Phantasien,
Sind ein Zauberschwesternpaar,
Sie erscheinen, singen, fliehen
Wesenlos und wunderbar.

Eine ist die himmelblaue,
Die uns froh entgegenlacht,
Doch die andre ist die graue,
Welche angst und bange macht.

Jene singt von lauter Rosen,
Singt von Liebe und Genuß;
Diese stürzt den Hoffnungslosen
Von der Brücke in den Fluß.

(Wilhelm Busch)
 
Unter dem Plüschplaid, mich liebkosend,
Denk ich an gestern, an den Traum.
Was war das? Mein Sieg, dein Sieg? Bloß die
besiegte Frau?

Ich überdenke alles, leide
Noch immer alles nochmals neu.
In dem, wofür's kein Wort gibt, keines!
War Liebe wohl dabei?

Wer war der Jäger? Wer die Beute?
So teuflisch alles und verrannt!
Was - lange schnurrend - wohl der Kater
Von alledem verstand?

In jenem Zweikampf zweier Willen
Wer war der Ball in wessen Hand?
Und wessen Herz - das meine, Ihres -
Ist plötzlich durchgebrannt?

Und - was nur war das? - immer wieder:
Was will man bloß, das dann nur trügt?
Ich weiß es nicht: bin ich die Siegerin?
War ich besiegt?

Marina Zwetajewa
 
Zuletzt bearbeitet:
Gleiches Gedicht, in einer Übersetzung von Karin Elster

Ich lieg hier zwischen weichen Kissen
Und einiges ist mir nicht klar:
Denn wer Besiegter, möcht ich wissen,
wer Sieger war.

Wieder beschäftigt mich die Frage,
Lange noch quält sie mich fürwahr:
Ob,- was ich nicht zu denken wage,-
Schon Liebe war?

Doch wer der Jäger, wer die Beute?
Ach, alles scheint mir so verdreht!
Ob so ein Kater seine Leute
Wohl recht versteht?

Sein Dickkopf siegte. Oder meiner?
Wer spielte wem den Ball nur zu?
Wes Stolz zerbracht? War`s meiner, seiner?
Find keine Ruh.

Zwar würd` ich gern mein Herz verschenken,
nur leider ist mir nicht ganz klar:
Bin ich besiegt – nicht auszudenken,
- bin Sieger gar?
 
Die Frage bleibt

Halte dich still, halte dich stumm,
Nur nicht forschen, warum? warum?

Nur nicht bittre Fragen tauschen,
Antwort ist doch nur wie Meeresrauschen.

Wie's dich auch aufzuhorchen treibt,
Das Dunkel, das Rätsel, die Frage bleibt.

(Theodor Fontane)
 
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