Ja, ja, die netten Verbote der netten Politiker, all over the world.
Hier ein Text von Umberto Eco zur Mobiltelefoniererei
Wie man das Mobiltelefon nicht benutzt
Es ist leicht, sich über die Besitzer von Mobiltelefonen lustig zu machen. Man muß nur sehen, zu welcher der folgenden Kategorien sie gehören. Zuerst kommen die Behinderten, auch die mit einem nicht sichtbaren Handicap, die gezwungen sind, ständig in Kontakt mit dem Arzt oder dem Notdienst zu sein. Gelobt sei die Technik, die ihnen ein so nützliches Gerät zur Verfügung gestellt hat. Dann kommen jene, die aus schwerwiegenden beruflichen Gründen gehalten sind, immer erreichbar zu sein (Feuerwehrhauptmänner, Gemeindeärzte, Organverpflanzer, die auf frische Leichen warten, oder auch Präsident Bush, das sonst die Welt in die Hände von Quayle fällt). Für diese ist das Mobiltelefon eine bittere Notwendigkeit, die sie mit wenig Freude ertragen.
Drittens die Ehebrecher. Erst jetzt haben sie, zum erstenmal in der Geschichte, die Möglichkeit zum Empfang von Botschaften ihrer geheimen Partner, ohne daß Familienmitglieder, Sekretärinnen oder boshafte Kollegen den Anruf abfangen können. Es genügt, daß nur sie und er die Nummer kennen (oder er und er, sie und sie andere mögliche Kombinationen entgehen mir). Alle drei aufgelisteten Kategorien haben ein Recht auf unseren Respekt. Für die ersten beiden sind wir bereit, uns im Restaurant oder während einer Beerdigungsfeier stören zu lassen, und die Ehebrecher sind gewöhnlich sehr diskret.
Zwei weitere Kategorien benutzen das Mobiltelefon jedoch auf eigene Gefahr (und nicht nur auf unsere). Zum einen die Leute, die nirgendwo hingehen können, ohne weiter mit Freunden und Angehörigen, die sie eben verlassen haben, über dies und das zu schwatzen. Es ist schwierig, ihnen zu sagen, warum sie das nicht tun sollten: Wenn sie nicht imstande sind, sich dem Drang zur Interaktion zu entziehen und ihre Momente der Einsamkeit zu geniessen, sich für das zu ineressieren, was sie gerade tun, das Fernsein auszukosten, nachdem sie die Nähe gekostet haben, wenn sie nicht vermeiden können, ihre Leere zu zeigen, sondern sie sich sogar noch auf die Fahnen schreiben, so ist das ein Fall für den Psychologen. Sie sind uns lästig, aber wir müssen Verständnis für ihre schreckliche innere Ödnis haben, müssen dankbar sein, daß wir besser dran sind, und ihnen verzeihen (doch hüten wir uns, der luziferischen Freude anheimzufallen, nicht so zu sein wie jene da, das wäre Hochmut und Mangel an Nächstenliebe). Anerkennen wir sie als unsere leidenden Nächsten und leihen wir ihnen auch noch das andere Ohr.
Die letzte Kategorie (zu der, auf der untersten Stufe der sozialen Leiter, auch die Käufer von falschen Mobiletelefonen gehören) besteht aus Leuten, die öffentlich zeigen wollen, wie begehrt sie sind, besonders für komplexe Beratungen in geschäftlichen Dingen: Die Gespräche, die wir in Flughäfen, Restaurants oder Zügen mit anhören müssen, betreffen stets Geldtransaktionen, nicht eingetroffene Lieferungen von Metallprofilen, Zahlungsmahnungen über eine Partie Krawatten und andere Dinge, die in den Vorstellungen des Sprechers sehr nach Rockefeller klingen.
Nun ist die Trennung der Klassen ein grausamer Mechanismus, der bewirkt, daß der Neureiche, selbst wenn er enorme Summen verdient, einem atavistischen proletarischen Stigma zufolge nicht mit dem Fischbesteck umgehen kann, das Äffchen ins Rückfenster des Ferraris hängt, das Christophorus-Bildchen ans Armaturenbrett des Privatjets klebt oder Manadchment sagt; und so wird er nicht zur Herzogin von Guermanten eingeladen (und fragt sich verzweifelt, warum nicht, wo er doch eine so lange Yacht hat, daß sie praktisch eine Brücke von Küste zu Küste ist).
Diese Leute wissen nicht, daß Rockefeller kein Mobiltelefon braucht, da er ein so großes und effizientes Sekretariat hat, daß äßerstenfalls, wenn wirklich sein Großvater im Sterben liegt, der Chauffeur kommt und ihm etwas ins Ohr flüstert. Der wahrhaft Mächtige ist der, der nicht gezwungen ist, jeden Anruf zu beanworten, im Gegenteil, er läßt sich wie man so sagt verleugnen. Auch auf der unteren Ebene des Managements sind die beiden Erfolgssymbole der Schlüssel zur Privattoilette und eine Sekretärin, die sagt: Der Herr Direktor ist nicht im Hause.
Wer also das Mobiltelefon als Machtsymbol vorzeigt, erklärt damit in Wirklichkeit allen seine verzweifelte Lage als Subalterner, der gezwungen ist, in Habachtstellung zu gehen, auch wenn er gerade einen Beischlaf vollzieht, wann immer ihn der Geschäftsführer anruft, der Tag und Nacht hinter seinen Schuldnern her sein muß, um überleben zu können, der von der Bank sogar noch während der Erstkommunion seiner Tochter wegen eines ungedeckten Schecks verfolgt wird. Aber die Tatsache, daß er sein Mobiltelefon so prahlerisch benutzt, ist der Beweis dafür, daß er all diese Dinge nicht weiß, und somit die letzte Bestätigung seiner unwiderruflichen sozialen Marginalisierung.
Umberto Eco 1991
Immer noch aktuell.