Alles ist mit Sicherheit nicht privat denn sonst könnte jeder tun und lassen was er so möchte in seiner Wohnung. [...] auch in der Wohnung gelten die Gesetze.
Das ist unbestritten, ABER: Art 8 Abs 1 EMRK gebietet die Achtung der Wohnung unter dem Gesetzesvorbehalt des Art 8 Abs 2 EMRK. Wenn also Polizei in das Privatleben oder eine Wohnung eindringen will (Verletzung des Abs 1), dann darf sie das nur unter folgenden Voraussetzungen:
1. Die Polizei handelt aufgrund eines Gesetzes, dessen Auswirkungen und Grenzen klar erkennbar sind (EGMR über die Qualität von Gesetzen);
2. dieses Gesetz verfolgt bestimmte legitime Ziele (taxative Aufzählung in Abs 2): nationale Sicherheit, wirtschaftliches Wohl des Landes, öffentliche Ruhe und Ordnung, Verteidigung der Ordnung, Verhinderung von Straftaten, Schutz der Gesundheit, Schutz der Moral, Schutz der Rechte und Freiheiten anderer;
3. der konkrete Eingriff in Ausübung dieses Gesetzes ist verhältnismäßig, wobei das bei Eingriffen im Zusammenhang mit dem Sexualleben (EGMR über "notwendig in einer demokratischen Gesellschaft") einen "pressing social need" erfordert.
Der dritte Punkt bedeutet, dass auch ein gesetzmäßiger Eingriff eine Menschenrechtsverletzung sein kann. Österreich wurde zum Beispiel mehrfach verurteilt, weil Homosexualität bis vor kurzem unter Strafe stand: Die Punkte 1 und 2 waren zwar erfüllt, die demokratische Ordnung bricht aber nicht zusammen, weil zwei erwachsene Männer miteinander in ihrer Wohnung Sex haben. Letztlich haben RA Graupner und das OLG Innsbruck beim lange Zeit widerwilligen VfGH schließlich doch die Abschaffung der Strafbestimmungen durchgesetzt.
Die demokratische Ordnung bricht auch nicht zusammen, wenn irgendeine andere der in diesem Forum gepflegten sonstigen Spielarten von Sex im Einverständnis zwischen zwei oder mehreren erwachsenen Menschen ausgeübt wird. Deswegen sollten aggressive Ermittlungsmethoden, die solches Sexualleben ausspionieren, tunlichst unterlassen werden: Im Regelfall sind solche Methoden nicht notwendig in einer demokratischen Gesellschaft.
Beim Fall, der der Hintergrund zu diesem Thread ist, ist bereits der zweite Punkt nicht erfüllt: Verdeckte Ermittlungen sind mangels ausdrücklicher gesetzlicher Ermächtigung unzulässig zur Aufklärung von Verwaltungsdelikten, das Eindringen eines "wilden" (weil weder von einem Richter, noch von einem Staatsanwalt beaufsichtigten) verdeckten Ermittlers in eine Wohnung ist sogar ausdrücklich verboten.