@nedul: Damit nicht täglich das Murmeltier grüßt (Copyright @badmanu) und ich auch etwas anderes zitiere, unten ein Ausschnitt aus dem Artikel
Sex-work harm reduction von Michael L. Rekart (Vancouver) in Lancet 366/2005. Im Unterschied zur von dir zitierten Broschüre des Wiener Gesundheitsamts handelt es sich bei Lancet um ein internationales Top-Journal.
Prostitution, or some aspect of it such as soliciting, is illegal in many countries, but the law is an ineffective means of eliminating its negative aspects, often resulting in the criminalisation of sex workers [Zitate]. Even if prostitution is not illegal, sex workers can be treated as criminals [Zitate]. Criminalisation leads to violence; police harassment; increased HIV and STI risk; reduced access to services; psychological disease; drug use; poor self-esteem; loss of family and friends; work-related mortality; and restrictions on travel, employment, housing, and parenting.
[...]
The health-care system can treat sex workers like criminals, which affects access to services and health education and leads to raised rates of HIV, STIs, hepatitis, disability, and death [Zitate]. Mandatory HIV testing is an example.
Laut diesem Artikel ist die Pflichtuntersuchung eine faktische Kriminalisierung ("treats like criminals") von Sexworkern (letzter Satz) und eine solche Politik hat menschenrechtlich relevante negative Auswirkungen, die im ersten Absatz angeführt werden. Im Hinblick auf die Human Rights Based Approaches der Vereinten Nationen finden sich solche Positionen auch bei WHO/UNAIDS.
Wenn wir schon zitieren: Ein Mitposter, der eigentlich immer die Gegenposition von mir vertritt, hat mich per PN auf einen Artikel im Presse Panorama vom 16.12.2008 aufmerksam gemacht (Rech, Traum und Wirklichkeit), wo die Rechtsanwaltskammer Wien das übertriebene Sicherheitsdenken anprangert; unten sind ein paar Ausschnitte:
Gerade in der Handhabung von Freiheit und Sicherheit offenbart sich eine irritierend repressive Vorgehensweise. [...] das Recht auf Freiheit und Privatsphäre verliert immer mehr an Gewicht. Übermächtig steht ihnen das Recht auf Sicherheit
gegenüber. Diesem Grundrecht hat sich alles unterzuordnen. [...] Das Gros der Politiker scheint diese Grundrechtseinschränkungen nicht zu kümmern. Der Populismus spricht eben eine andere Sprache. Die Rechtsanwaltschaft (be)kümmert es sehr wohl. [...] Nur von Grund- und Freiheitsrechten zu sprechen und jedes Jahr den Tag der Menschenrechte zu feiern ist zu wenig. Sonst sind die im 19. Jahrhundert blutig erkämpften Staats- und Grundrechte bald nur mehr ein Traum.
Die Diskussion in diesem und anderen Threads im EF belegt diese von der RAK konstantierte Entwicklung. Denn verfolgt man die Diskussionen im EF, auch im Gesundheitsthread, sehen viele User den Sinn der Zwangsuntersuchungen in der Erhöhung der Sicherheit für Freier, die kein Kondom verwenden wollen. Diesen Männern (die einen der größten Threads im EF bevölkern) soll der Staat offenbar gesundes "Fickfleisch" zuführen. Dass die dazu geschaffene Registrierung mit zunehmend repressiven Polizeimaßnahmen durchgesetzt wird, wird offenbar von vielen hier mit Genugtuung zur Kenntnis genommen. Frauen, die sich nicht auf diese Weise wie Objekte behandeln lassen wollen, sollen unter Verletzung ihrer Privatsphäre ausgeforscht werden - offenbar nach dem Motto, "geschieht ihnen Recht", hätten sie sich registriert.
Was die RAK von der Politik bemerkt ist demnach genauso unter den Usern des EF zu beobachten: Verletzungen von Menschenrechten in Österreich bekümmern nur wenige, weil sich kaum jemand im Klaren ist, was Menschenrechte sind - z.B. das Recht auf Privatleben oder das Recht auf freie Meinungsäusserung: Auch wer nichts zu verbergen hat, hat ein Recht, unbeobachtet zu bleiben. Sollte es z.B. nicht weitehin erlaubt sein, dass User unter Nicks im EF mitschreiben, statt gesetzlich vorzuschreiben, den Klarnamen zu verwenden, der mittels Ausweiskopie im Profil zu verifizieren wäre? Und wer etwas zu verbergen hat, hat dieses Recht auch, solange nicht wirklich gravierende Umstände dagegen sprechen.