Lycisca, ich darf noch immer davon ausgehen, daß das verdeckte Ermitteln an sich ja keinerlei Verletzung(en) darstellt. Ob, wie, wann, in welchem Ausmaß und in welcher Relation gesehen (zum beabsichtigten Erfolg der Ermittlung) diese durchgeführt wird, obliegt ja noch immer der Behörde (und dessen ausführende Organe).
Das ist falsch: Denn A) Bereits eine verdeckte Ermitteln ohne gesetzliche Grundlage stellt automatisch eine Verletzung von Art 8 EMRK dar - wie vom EGMR immer wieder festgestellt wurde (Verletzung der Achtung des Privatlebens gem Art 8 Abs 1 EMRK ohne die Voraussetzung der Gesetzmäßigkeit gem Abs 2). Und B) gibt es zur Auslotung von Wohnungsprostitution mittels verdeckter Ermittlungen keine gesetzliche Grundlage. So eine Ermittlungshandlung setzt also von vorne herein Unrecht.
Und wenn ich zu schnell fahre, dann ist das meine Schuld und nicht die desjenigen der mir dafür berechtigterweise Kohle abnimmt
Das Stichwort für diesen ganzen Thread ist "berechtigterweise". Eine gesetzliche Ermittlung ohne rechtliche Grundlage ist nicht "berechtigt". Vergleichbar wäre in deinem Beispiel ein Polizist, der vor der Verkehrskontrolle die 30 kmh Beschränkung abdeckt, weil er dann mehr "Schnellfahrer" erwischt.
Ach ja..der Glaube an die unfehlbare Obrigkeit is doch was Schönes.........soviele Radfahrer!
Im Fall von Mylene könnte das bei noch mehr Flensburg-Punkten bald wörtlich so weit sein. Aber vielleicht rafft sie sich doch zu einem Einspruch auf, wenn sie einmal nicht "berechtigterweise" bestraft wird.
`S Autofahrerbeispiel ist praxisbezogen soweit entfernt wie die Sonne von der Erde
Offenbar warst du noch nie in Mexiko mit dem Auto unterwegs - da hättest du ja noch Glück gehabt, wenn dir der Verkehrspolizist nur die Rücklichter eintritt. Wenn er nachher die Scherben versteckt und sein Kollege "nichts gesehen" hat, was willst du ihm denn beweisen?
Eine Hure redet mich an und sagt mir ihre Preise, und weil sich das bisschen bumsen nicht recht auszahlt, tritt sie mir in die Eier und verlangt für Sado-Maso noch extra
Du aber zahlst nicht, weil das Geschäft sittenwidrig ist. Ein gesetzwidriges Handeln der Polizei soll sich die Bürgerin aber offenbar ohne zu mucksen gefallen lassen.
Schlußendlich steht man vor deiner Tür, man
betritt und siehe da... dein Modus operandi hat eingeschlagen. Auf frischer Tat betreten. Eventuell sogar noch durch "freiwillige Nachschau", sprich, du hast den Beamten (in deinen Augen `nen Freier) hineingelassen.
Die "freiwillige Nachschau" lässt dich nicht los, obwohl sie weder im Anlassfall zutrifft, noch allgemein: In dem Moment, wo ein Polizist vor der Tür steht und sich Einlass in eine private Wohnung unter einer anderen Identität erschleicht (als Gasmann, als Freier, ...), ermittelt er iSv § 54 Abs 3 SPG verdeckt.
Korrekterweise soll der/die "Vernaderte" von der ermittleten Behörde davon in Kenntniss gesetzt werden , dass gegen ihm/sie eine Anzeige wegen illegaler Wohnungsprostitution vorliegt und die Einvernahme am Kommisariat stattfindet!(und nicht in der Wohnung...weil...eh schon wissen)
Das gilt natürlich auch, wenn der "privat ermittelnde" Beamte glaubt, dass Wonungsprostitution vorliegt. Gerade bei "Vernaderung" wegen angeblicher Prostitution sollte die Behörde aber vorsichtig sein:
Fehlalarm. Die Dame hatte schlichtweg häufig Männerbesuch
Naja, beweist doch nur, dass gar nix passiert, wenn sich ein Verdacht als unbegründet herausstellt.
Das private Sexualverhalten der Frau wurde vom Staat ausgeforscht und höchst sensible Daten zum Sexualleben wurden an die Behörden - und sogar die Medien (wenn auch in nur schwach anonymisierter Form) weiter gegeben. Hier wurde in den Anspruch der Frau auf die Achtung ihres Privatlebens und in ihr Grundrecht auf Datenschutz massivst eingegriffen. Dass der Kellnerin "gar nichts passiert" sei, ist somit eine ziemliche Untertreibung.
Wäre die Ermittlung zB. aufgrund Sinnlosigkeit oder `nem etwaig ausbleibenden Erfolg bereits vor `ner etwaigen Kontrolle eingestellt worden, hättest du nie davon erfahren.
Das wäre ja ein ziemlicher Skandal, dass die Polizei Bürger ausspioniert und die Bürger erfahren es nicht einmal ... möglicherweise ist genau diese Verletzung ihres Privatlebens den vielen Frauen passiert, wo der verdeckte Ermittler selber gemerkt hat, dass der Verdacht auf Prostitution ungerechtfertigt ist.
Sicher darf man etwas dagegen sagen [gegen Fehlverhalten der Polizei, Anm. Lycisca], aber wird durch das Fehlverhalten des Polizisten das eigene aufgehoben, bzw. darf man abstreiten fehl gehandelt zu haben? Aber ohne genaue Kenntnisse dieses Falles kann man diesen Knoten und die verschiedenen Sichtweisen wohl schwer lösen, oder?
Inzwischen liegt über den Ausgangsfall so viel Information vor, dass die Theorie vom "Fehlverhalten des Opfers" (Motto "selber schuld") nicht mehr anwendbar ist, denn:
Ja, aber das hat sie laut geltdendem Recht doch [sich strikt an die Gesetze gehalten, Anm. Lycisca]. Sonst hätte sie nie Recht bekommen.
Abgesehen davon, eine Theorie, wonach das Opfer von Polizeiübergriffen selber daran schuld sei, ist rechtlich völlig unhaltbar. Die Polizeibehörde ist für die Einhaltung von Gesetzen verantwortlich, sie ist auch beim Vorgehen "nach dem Buchstaben des Gesetzes" auch immer dazu verpflichtet, die Verhältnismäßigkeit ihrer Maßnahmen im Auge zu behalten ... wie im folgenden Beispiel:
Ich frage mich, ob die §-7-VStG-Strafen gegen Freier in Sperrzonen jemals gehalten haben, wenn jemand Einspruch dagegen erhoben hat.
Bei diesen Strafverfügungen frage ich mich vor allem, ob die Polizeibehörde nicht bewusst mit dem Interesse der Angezeigten auf die Achtung ihres Privatlebens "spielt": Wer nicht zahlt, der muss damit rechnen, dass die Strafverfügung nach Hause flattert ... gerade, dass nicht noch ein besonders eifriger Polizist die Ehefrau anruft und nachfragt, ob die Post an den notorischen Hurengeher schon angekommen sei.
Sie hat nicht Recht bekommen - deswegen geht sie doch von Instanz zu Instanz
Zur Klarstellung: Die angesprochenen Instanzen beschäftigen sich mit laufenden Verfahren gegen die zuständige Polizeibehörde und gegen die involvierten Polizisten persönlich. Erst wenn ich dort nicht durchdringe, dann geht die Angelegenheit zu internationalen Instanzen - wo dann dieser Fall sicherlich einen gewissen "Sex-Appeal" hätte - auch aus rein akademischer Perspektive gesehen.
Schließlich noch OT:
Geht um die Zwangsuntersuchung und er [ein Rotlichtveteran, Anm. Lycisca] meint das selbige 'nen nützlichen Nebeneffekt hat. Kommt ein Mädel nämlich mit blaue Flecken etc. zur Kontrolle
Dieser angebliche Nebeneffekt der Kontrolluntersuchung zur Aufdeckung von Zuhälterkriminalität wäre zwar theoretisch wegen §§ 78 Abs 1 und 3 sowie 80 Abs 1 StPO denkbar (Anzeigepflicht bzw Anzeigerecht), doch wie das in der Praxis gehandhabt wird, zeigt ein Bericht im
Falter, 27.06.2007 über die Kontrollstelle Graz:
Kaum hatte Kleinhappl dies ausgesprochen, brach die junge Frau in Tränen aus. Kleinhappl sagt: „Ich konnte sie kaum mehr beruhigen.“ Der mitgekommenen Freundin der Rumänin sagte die Sozialarbeiterin, sie möge sich doch um diese kümmern. „Viel mehr“, erklärt Kleinhappl, „konnte ich nicht für sie tun. Ich spreche ihre Sprache nicht, und hier steht die behördliche Arbeit im Vordergrund“.