Hobbyhuren und unliebsame Polizeikontakte

du gehst schon wieder im Vorhinein von einer tatsächlichen "Schuldhaftigkeit" aus und verbreitest im selben Atemzug gleich noch die passende Verschwörungstheorie

Da in diesem Thread die Beschuldigten aus gutem Grund nicht identifiziert werden (anders als in der Kriminalberichterstattung der Massenmedien), erscheint mir die ständige Erinnerung an die Unschuldsvermutung für Sittenpolizisten etwas übertrieben. Als Privatbeteiligte im Strafverfahren gegen die Polizeispitzel gehe ich persönlich natürlich von deren Schuld aus - und das ist mein gutes Recht. (Eine Frau, die vergewaltigt wurde, wird auch nicht wegen der Unschuldsvermutung auf die Strafverfolgung des ihr bekannten Täters verzichten wollen.) Was jedoch die von mir angeführte Verteidigungsstrategie betrifft, die bei Amtsvergehen sehr verbreitet ist, so sehe ich keine Verschwörungstheorie, sondern eine empirische Tatsache.
 
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Für Hobbyhuren, die wie ich Besuch von einem verdeckten Ermittler in ihrer Wohnung erhalten, habe ich im Urlaub ein nettes Zitat gefunden (UVS Tirol, 2006/19/0302-6 vom 30.10.2008):

"Das gegenständliche Anbahnungsgespräch hat in der Wohnung in I. zwischen der Berufungswerberin und einem Polizeibeamten stattgefunden. Damit fehlte aber die für die Verwirklichung des Anbahnungstatbestandes [...] erforderliche Öffentlichkeit"

Ebenfalls relevant ist VwGH 2006/09/0044 vom 15.05.2008:

"[Die Beschwerdeführerin hat] weitere Kontaktgespräche mit den anzeigenden Exekutivorganen geführt, diesen aber die für die Verwirklichung des Anbahnungstatbestandes [...] erforderliche Öffentlichkeit fehlte, weil sie sich in der geschlossenen Wohnung zutrugen"

Dazu sind diverse ältere Erkenntnisse zitiert. Im gleichen Sinn ist VwGH 2004/09/0219 vom 20.11.2008:

"Die Beschwerdeführerin hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil sie kein Delikt begangen habe. Das Anbieten von Geschlechtsverkehr gegen Entgelt stelle keine Prostitution dar. Eine solche sei nur im Fall der Gewerbsmäßigkeit gegeben, und die Beschwerdeführerin habe kein Verhalten gesetzt, das einen Schluss auf Gewerbsmäßigkeit ziehen lasse. Die Beschwerdeführerin zeigt damit eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf."

Damit ist klargestellt, dass ein verdeckter Ermittler, der eine Wohnung betritt, um als Scheinfreier Prostitution nachzuweisen, diesen Nachweis schon deshalb nicht erbringen kann, weil alle Handlungen außerhalb der Öffentlichkeit stattfinden.

Da damit das Betreten der Wohnung völlig sinnlos ist, hat dieser Ermittler klarerweise auch die Achtung der Wohnung gem Art 8 EMRK verletzt.
 
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Da damit das Betreten der Wohnung völlig sinnlos ist, hat dieser Ermittler klarerweise auch die Achtung der Wohnung gem Art 8 EMRK verletzt.

Kuhl... und wenn ihm die Wohnung zur Nachschau nun - ob des Geifers und der Aussicht auf Kohle - freiwillig und unter Besitz aller geistigen Fähigkeiten, ganz einfach sperrangelweit geöffnet wurde? Hätte er sich nicht deklariert und mal angenommen, er hätte während der Mittagspause `ne schnelle Nummer geschoben, wäre die Schusterin wohl noch immer bei ihren Leisten und die Eiche hätte sich nicht am Wildschwein gerieben. Who care`s? Kleiner Finger - ganze Hand. Spätestens dann - wenn`s um die Kohle geht - werden Mimoserl zu Henkersweibern und schreien lauthals um ihre Rechte. Wehe, wenn sie kein Gehör nicht finden.

:cool:
 
Kuhl... und wenn ihm die Wohnung zur Nachschau nun [...] freiwillig und unter Besitz aller geistigen Fähigkeiten, ganz einfach sperrangelweit geöffnet wurde?

Genau dies ist in den zitierten Fällen geschehen ... nur dass es eben KEINE Nachschau war, weil bei einer Nachschau deklariert sich der Polizist vor dem Betreten als Beamter
 
Genau dies ist in den zitierten Fällen geschehen ... nur dass es eben KEINE Nachschau war, weil bei einer Nachschau deklariert sich der Polizist vor dem Betreten als Beamter

Wohl wahr. Beim "scheinbaren" Freier wird`s offenkundig zwischen Tür & Angel mitgeteilt worden sein. Die Wahrheit samt Anbahnungsgespräch wird wohl irgendwo in der Mitte liegen.

Egal, Lycisca, sollte aus der ganzen Geschichte Kohle herausspringen, lass` es mich bitte wissen. :mrgreen:
 
Kohle für wen? Jedenfalls für Anwälte ... das ist mir der Schutz der Menschenrechte aber Wert (spende ich eben woanders weniger).

Sehr aufrichtig und selbstlos. Max Mustermann & Aloe Vera werden dir aber - ob deines Einsatzes für die Menschenrechte in Mitteleuropa - mit Sicherheit kein Denkmal errichten. Wer lieber durch Ruhmeshallen lustwandelt, dem sei dennoch gesagt: Undank ist der Welten Lohn und die letzten Freiwilligen liegen heute noch in Stalingrad.
 
Wer lieber durch Ruhmeshallen lustwandelt, dem sei dennoch gesagt: Undank ist der Welten Lohn und die letzten Freiwilligen liegen heute noch in Stalingrad.

Ist das zynisch gemeint?

Wenn du aber Stalingrad erwähnst (wo wohl nur von "Freiwilligen", aber nicht von wirklich Freiwilligen gesprochen werden kann): Nach der Analyse von Antonio Gramsci, der dem linken Lager zugehört, konnten die Bolschewiken in Russland nur deshalb erfolgreich die Macht übernehmen, weil es im zaristischen Russland keine starke Zivilgesellschaft gegeben hat, wo sich genügend viele Bürger auch ohne persönlichen Nutzen für den Erhalt und die Weiterentwicklung von Grundwerten einsetzten.
 
Ist das zynisch gemeint?

Wenn du aber Stalingrad erwähnst (wo wohl nur von "Freiwilligen", aber nicht von wirklich Freiwilligen gesprochen werden kann): Nach der Analyse von Antonio Gramsci, der dem linken Lager zugehört, konnten die Bolschewiken in Russland nur deshalb erfolgreich die Macht übernehmen, weil es im zaristischen Russland keine starke Zivilgesellschaft gegeben hat, wo sich genügend viele Bürger auch ohne persönlichen Nutzen für den Erhalt und die Weiterentwicklung von Grundwerten einsetzten.

Eigentlich isses `ne zynische Anspielung auf die herben Verluste der 6. deutschen Armee im Winter des Jahres 42/43. Eine verhältnismäßig "kalt"schnäuzige Anspielung par excellence. Aber wie darf ich deine Untermalung betreffend fehlender russischer Zivilcourage nun deuten? Erkennt man hier gar eine persönliche Auflehnung und Widerwillen ob der hiesigen staatlichen Dominanz, deinerseits?
 
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Er meint eher die andere Seite.

Oh... warst schneller...
Es gab sogar wirkliche Freiwillige... sie sind leider, nicht so freiwillig, geopfert worden.
 
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Erkennt man hier gar eine persönliche Auflehnung und Widerwillen ob der hiesigen staatlichen Dominanz, deinerseits?

Ich denke, das geht aus dem Thread hervor: Das einvernehmliche Sexualleben zwischen Erwachsenen geht den Staat nach meiner Ansicht nach nichts an - und wenn Behörden dennoch glauben, herumschnüffeln zu können, müssen ihnen Grenzen gesetzt werden.

Dass mir dieses Setzen von Grenzen in meinem konkreten Fall keinen unmittelbaren finanziellen Nutzen bringt - auch keinen "Ruhm" (bei der Beschwerde vor dem EGMR beantrage ich natürlich Anonymität), ist klar. Auf der Bereitschaft zu solchem uneigennützigen Handeln beruht aber die Zivilgesellschaft: Einem Feuerwehrmann bringt es auch keinen unmittelbaren persönlichen Nutzen, in der Nacht aus dem Bett zu steigen, um ein unbekanntes Unfallopfer aus einem Wrack zu schneiden.

PS.: Dass die rechtliche Lage der Sexworker so schlecht ist (dass sogar internationale Bedenken über deren Behandlung in Wien bestehen -> UN Ausschuss gg Folter), liegt sicher auch daran, dass im Rotlicht eher die Tendenz besteht, keine kostspieligen Verfahren anzustrengen, sondern lieber ungerechtfertigte Strafen zu zahlen, um dann ungestört weiterzuverdienen ... was dann letztlich zur faktischen Kriminalisierung des gesamten Umfelds geführt hat.
 
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Ein Nachtrag zum Posting #948: Hier ist der Link zu einem Wiki-Eintrag über Antonio Gramisci. Die zitierte Analyse findet sich in:

Gramsci, A. (1975): Quaderni del carcere. Edizione critica dell'Istituto Gramsci. Einaudi, Turin
 
Alles schön und gut Lycisca. Der (dein) Thread erreicht im Bälde seinen 1. Jahresstempel. Es wurde viel geschrieben und viel Wasser floss bis dato die Donau flussabwärts. Die Mühlen mahlen langsam - aber sie mahlen. Mich würde eigentlich nur mehr der Ausgang der beschriebenen Causa interessieren, mehr nicht. Mangels der Tatsache, selbst beim dazumaligen Geschehen nicht dabeigewesen zu sein und der Vielzahl an Möglichkeiten, im Nachhinein noch immer jede Menge (Falsch)Interpretationen deponieren zu können, gleicht jeglicher Beitrag einem Kampf gen Windmühlen. Wenn`s nun endlich mal soweit ist, bitte um Mitteilung. Der Thread könnte schön langsam ein Einbiegen in die Zielgerade vertragen.
 
Die Mühlen mahlen langsam - aber sie mahlen. Mich würde eigentlich nur mehr der Ausgang der beschriebenen Causa interessieren, mehr nicht.

Wie du am aktuellen Fall der BAWAG siehst, wo Elsner seit 2007 in U-Haft ist und nun die Generalprokuratur die Aufhebung 2008 verhängten Urteile empfiehlt, worüber der OGH frühestens Ende 2010 beraten wird, kannst du im Rechtswesen nicht innerhalb eines Jahres berichtbare Ergebnisse erwarten. (Wobei der BAWAG Prozess ja besonders flott war - schließlich wäre sonst die U-Haft völlig unvertretbar gewesen.)

Im Anlassfall zu diesem Thread ist frühestens in diesem Jahr der innerstaatliche Rechtsweg abgeschlossen, dann habe ich sechs Monate Zeit zur Erstellung einer Beschwerde an den EGMR, der in frühestens drei Jahren den Fall genauer ansieht und entscheidet. Danach folgen weitere sechs Monate Wartefrist, ob der Fall vor der Grand Chamber neu verhandelt wird (aktuell beim Urteil SH et al gg Österreich der Fall, wo es um das Recht auf medizinisch unterstützte Fortpflanzung geht), und dann wieder drei Jahre bis zur endgültigen Entscheidung ... also vier bis sieben Jahre Dauer des internationalen Verfahrens.

PS.: Im Fall SH et al ist bis zur endgültigen Entscheidung (die Vorgeschichte waren langwierige Verfahren in Österreich bis zum VfGH) der Zug für die Familienplanung wohl abgefahren ... also wieder ein Beispiel für ein Handeln im Interesse einer zukünftig demokratischeren Gesellschaft, ohne dass die anonymen Beschwerdeführer Nutzen aus ihren Mühen ziehen werden.
 
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Wie bereits geschrieben - sehr aufopfernd und selbstlos, dein Engagement. Erinnert mich dennoch irgendwie an das Hollywood-Epos "Ben Hur".

:cool: :mrgreen:
 
Ist das zynisch gemeint?

Wenn du aber Stalingrad erwähnst (wo wohl nur von "Freiwilligen", aber nicht von wirklich Freiwilligen gesprochen werden kann): Nach der Analyse von Antonio Gramsci, der dem linken Lager zugehört, konnten die Bolschewiken in Russland nur deshalb erfolgreich die Macht übernehmen, weil es im zaristischen Russland keine starke Zivilgesellschaft gegeben hat, wo sich genügend viele Bürger auch ohne persönlichen Nutzen für den Erhalt und die Weiterentwicklung von Grundwerten einsetzten.

Ich kenn den Spruch zwar anders .......... man sagte im Hinblick auf die Gleichschaltung von Mann und Frau manchmal etwas spöttisch, dass die letzten Kavaliere in Stalingrad gefallen wären. Angesichts des Umfanges dieser Tragödie ist aber Spaß tatsächlich nicht angebracht.

In der Sache der starken Zivilgesellschaft gebe ich dir (teilweise) recht. In Russland gibt es selbige auch heute noch nicht, wenn wir von ein paar Einzelkämpfern absehen. Das gilt ähnlich auch für Belarus, welches ich viel besser kenne.
 
diese Maßnahme [...] auch hier

Das wäre keine Innovation, Beispiel Libro Pleite: 8 Jahre Untersuchungen, bis schließlich 2009 Anklage erhoben wurde. Innerstaatlich können solche langen Verfahrensdauern auch eine Menschenrechtsverletzung darstellen (Art 6, im Fall der U-Haft Elsner auch Art 3 und 5 EMRK), weswegen diese "Innovation" doch keine so gute Idee wäre.
 
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