Im konkreten Fall wurde eine Geheimprostituierte, die übers Netz ihre Dienste anbot, durch verdeckte Ermittler der Kripo in ihrer PRIVATEN Wohnung erwischt. Der vermeintliche Freier war ein Bulle. Lycisca sieht darin (Eindringen in ihre PRIVATsphäre bzw. -wohnung, da sie es für ihre sexuelle Erfüllung brauche, als Hure behandelt zu werden) eine Verletzung ihrer Menschenrechte.
Um den allgemeingültigen Sachverhalt in Bezug auf Menschenrechte klarzustellen,
1.) Der Ermittler hat ohne
konkreten Verdacht auf ein Verbrechen eine verdeckte Ermittlung geführt, um illegale Wohnungsprostitution nachzuweisen. Dies ist rechtswidrig: Selbst wenn sich der Verdacht auf professionelle Prostitution bestätigt hätte, rechtfertigt eine Verwaltungsübertretung nicht das sicherheitspolizeiliche Instrument der verdeckten Ermittlung. (Auch du, @badmanu, bist nach deinem früherem Post in diesem Thread demnach von einer rechtswidrigen Ermittlung betroffen gewesen.)
2.) Der verdeckte Ermittler ist dabei auch unter dem falschen Vorwand in die Wohnung eingedrungen. Somit hat er in die Achtung der Wohnung gem Art 8 EMRK eingegriffen. Solche Eingriffe sind nur gestattet, wenn sie gesetzlich vorgesehen sind (und verhältnismäßig). Somit liegt bereits deshalb eine Verletzung von Art 8 EMRK vor, weil das Eindringen nach Punkt 1 rechtswidrig war.
Allerdings, wieweit bleibt eine Wohnung privat, wenn sie nicht nur für Wohnzwecke, sondern auch tw. für gewerbliche genützt wird
Das ist schon lange ausjudiziert: Das Wort Domizile im französischen Text der EMRK erfasst auch Wohnungen, die für den Beruf genutzt werden, also beispielsweise eine Rechtsanwaltskanzlei. Nach den völkerrechtlichen Auslegungsregeln (weil der französische und englische Text die "Urfassungen" der Konvention sind), ist also jedes Domizile "privat". Demnach wurdest also auch du, @badmanu, so wie du im Thread am 26.06.2010 geschrieben hast, in deinem Grundrecht auf Achtung der Wohnung verletzt ... auch wenn du vielleicht nicht in der betreffenden Wohnung gewohnt hast.
@badmanu: Eine Beschwerde beim UVS oder der DSK hat in deinem Fall nach mehreren Jahren wohl wenig Sinn, doch eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft St. Pölten wegen Verdacht auf Missbrauch der Amtsgewalt (schon alleine wegen Punkt 1 oben) kannst du auch jetzt noch einbringen (5 Jahre Verjährungsfrist) ... und im Verfahren als Privatbeteiligte deinen Schaden durch die Ermittlung geltend machen, ebenfalls in einem Amtshaftungsverfahren gegen den Bund als Rechtsträger der Polizei (10 Jahre Verjährungsfrist bei Haftung aus Verbrechen) ... Wenn du keine Sachverhaltsdarstellung machen möchtest: Möchtest du, dass dich meine Anwälte als Zeugin nominieren, die im Ermittlungsverfahren einvernommen werden soll? In diesem Fall wird von Amts wegen ein Verfahren gegen "deine" Spitzelpolizisten eingeleitet.
Aber sie [@Lycisca] wurde (wie geschrieben mE) lediglich erwischt
Was ändert das an dem Fakt, dass ein Polizist rechtswidrig meine Wohnung betreten hat und daher das Grundrecht auf Achtung meiner Wohnung verletzt hat ... soll ich das so einfach hinnehmen?
Die Auffassung, dass Prostitution eine Arbeit wie jede andere ist, wird sich auch kaum jemals durchsetzen. [...] Ich finde deinen Einsatz für die Menschenrechte ehrend, aber irgendwie berücksichtigst du den beschriebenen Umstand zu wenig.
Meiner Ansicht nach soll Sexwork auch nie eine Arbeit wie jede andere sein - es soll also das Arbeitsamt niemanden zur Prostitution zwingen dürfen und ein "Chef" einer SW niemals sexuelle Handlungen vorschreiben und ein Freier die Erbringung solcher Handlungen niemals einklagen dürfen. Doch Menschenrechte beziehen sich nicht auf die Arbeit, die jemand hat, sondern auf die Person. Egal, was die Gesellschaft über Sexwork denkt, die Menschenrechte der Frauen im Sexwork sind zu achten. Dies wird durch die Polizei systematisch verletzt, wenn sie verdeckte Ermittlungen zur Ausforschung der Wohnungsprostitution führt.