Das wirft die Frage auf, nach wessen Moralvorstellungen "man" handelt?
Und weiters die Frage, ob der Umstand, dass man Moralvorstellungen nicht selbst entwickelt, sondern von anderen übernimmt, diese Vorstellungen abwertet?
Und die dritte Frage, ob es nicht eine Scheinmoral ist, wenn sich jeder für sich eine eigene Moral zurechtbastelt, die ihm genau das erlaubt, wonach ihn gelüstet?
Oder anders gefragt, setzt Ethik und Moral nicht einen gewissen Grundkonsens voraus, der sich an generell zwischenmenschlichem Verhalten ausrichtet, und nicht an Details der persönlichen Prioritäten?
Ich frag' ja nur
Es gibt - genau genommen - nicht "Ethik und Moral".
Ethik ist die Gesamtheit aller Werte - ohne Gut oder Böse. Moral ist ein Teil davon, der - je nach den Vorherrschenden in einer Gruppe - variiert.
Die Vorstellung, welcher Teil der Ethik als Schlecht oder Gut zu bewerten ist, übernimmt alleine der Bewerter, der sie als zu geltende Moral vorschreibt oder übernimmt.
Scheinmoral bedeutet, dass jemand nur so tut, als wäre er moralisch - es ist also etwas ganz anderes, als Du beschrieben hast. Wasser predigen und
heimlich Wein trinken. Oder die engagierte Abtreibungsgegnerin, die im Krankenhausbett dauernd weinte aus Angst, jemand könnte erfahren, dass sie selbst heimlich abtrieb. Das ist Scheinmoral (nicht zu verwechseln mit Doppelmoral, wenn gleichwertige Handlungen verschieden bewertet werden).
Ethik basiert auf Verantwortungsgefühl - nach bestem Wissen und Gewissen.
Sich
gefällige Ausschnitte aus der geltenden Moral zusammenzubasteln, basiert auf Egoismus.
Sowohl Ethik als auch Moral setzen "einen gewissen Grundkonsens voraus, der sich an generell zwischenmenschlichem Verhalten ausrichtet".
Die Frage ist nur, welches generelle zwischenmenschliche Verhalten?
Wir leben heute in einer Demokratie und haben daher eine andere Moral als die Generation der NS-Zeit.
Es gibt eben Situationen, in denen man besser unmoralisch ist, so wie die "unmoralischen" Menschen damals (von den Juden "gutmensch" genannt).