Der Bauch der Republik
Die Parteien kennen keine Krise. Nirgendwo wird Politik so großzügig gefördert wie in Österreich
»Die staatliche Finanzierung der österreichischen Parteien lag Mitte der 1990er Jahre mit deutlichem Abstand vor Schweden, Israel und Japan an der Spitze«, stellt Sickinger fest. Auf Grundlage neuerer Zahlen hält er es für sehr plausibel, »dass Österreich diesen Rang auch aktuell einnimmt«.
Für die direkte Parteifinanzierung haben 2008 der Bund 16,14 Millionen Euro, die Länder 95,6 Millionen und die Gemeinden 25 Millionen, zusammen also 136,7 Millionen Euro aufgewendet. Im Nationalrat wurden die Fraktionen mit 15,6 Millionen, in den Landtagen mit insgesamt 20,5 Millionen subventioniert. Eine Gesamtsumme der Gemeindeförderungen ist unbekannt. Daneben wurden die Parteiakademien mit 11,6 Millionen staatlich finanziert. Die Kosten der Wahlkämpfe zum Nationalrat und zum Europäischen Parlament wurden mit 13 Millionen beziehungsweise 12 Millionen rückerstattet.
Die Höhe der Abgeordnetenbezüge beträgt in Österreich mehr als das Vierfache des Durchschnittseinkommens, in Großbritannien das Dreifache und in Deutschland nur das Zweieinhalbfache.
In Wien findet Parteienförderung nicht statt – offiziell zumindest nicht
Doch es ist nicht die Höhe der staatlichen Parteienfinanzierung, so ungewöhnlich sie auch sein mag, die den eigentlichen politischen Missstand darstellt. Der Skandal besteht in dem undurchdringlichen Dunkel des Systems. Darin breiten sich die systematische Umgehung von Gesetzen, illegitime, ja illegale Praktiken und Korruption aus. In dieser Finsternis können staatliche Ämter missbraucht werden, bis hin zum Kauf positiver Berichterstattung in unabhängigen Medien. Darin blüht der Klientelismus, werden dubiose Spenden verborgen. Die Verfilzung von politischen und wirtschaftlichen Interessen wird darin zur politischen Normalität. Skandalös ist die Verweigerung jeglicher Kontrolle und jeder öffentlichen Debatte über Angemessenheit, Grenzen und Auflagen der Parteienfinanzierung.
In Wien wurde vom Stadtmagistrat noch 2005 die bloße Existenz staatlicher Parteienförderung öffentlich geleugnet. Dabei schüttete Wien mit 31 Millionen Euro die bei Weitem höchste direkte Parteienförderung aus. Man hatte sie, laut Sickinger, einfach »im Gemeindebudget nicht als solche ausgewiesen, sondern – offensichtlich bewusst zur Herstellung von Intransparenz – unter zwei nichtssagenden Haushaltsstellen.
»Die Wiener Parteien sind sich seit 1993 einig«, schreibt Sickinger, »die Parteienförderung der Gemeinde nicht zu thematisieren, seit diesem Jahr taucht diese in Gemeinderats- und Landtagsdebatten fast nicht mehr auf«. Die SPÖ, Hauptnutznießerin dieser Förderungen, besitzt darüber hinaus Beteiligungen an 44 Unternehmen, über deren Leistungen für die Partei natürlich keinerlei Rechenschaftsbericht Auskunft gibt.
Während in Deutschland als Berechnungsbasis für die direkte Parteienfinanzierung 70 Cent pro Stimme gilt, genehmigt man sich allein in Niederösterreich 9 Euro, aber wohlgemerkt pro Wahlberechtigten. So machen sich die Parteien bei ihrer Finanzierung immer unabhängiger von der Anzahl ihrer Mitglieder, von der Höhe ihrer Mitgliedsbeiträge, von der Wahlbeteiligung und tendenziell sogar von ihrem Wahlergebnis. Die Parteien verlieren ständig Menschen, aber kein Geld.
Ein klammer Staatshaushalt kann prallen Parteikassen nichts anhaben
Sie bleiben von den Medien weitgehend ungeschoren. Man sitzt schließlich in einem Boot. Was den einen die staatliche Finanzierung ist, sind den anderen die staatliche Presseförderung und die Inseratenkampagnen der Regierungen in Bund und Ländern, der Gemeinden, der Körperschaften und Verbände. 34,7 Millionen hat im Jahr 2008 allein die Bundesregierung für Öffentlichkeitsarbeit ausgegeben, die Stadt Wien über 30 Millionen. Doch wo in Österreich Staat draufsteht, sind Parteien drin. Es handelt sich in aller Regel um reine Parteipropaganda.
»Demokratie kostet Geld« lautet das zentrale, oft einzige Argument. Doch die Menge des Geldes, das Parteien zufließt, ist ständig gewachsen, das Ausmaß an Demokratie aber nicht.