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Gast
(Gelöschter Account)
Einige kritische Betrachtungen zur Wiener Verkehrspolitik:
"Öffi statt Auto? Theoretisch eine gute Sache. Doch die städteplanerische Praxis fördert auch weiterhin den Individualverkehr"
Autorin: die Journalistin Martina Salomon
Die Fr. Salomon hat leider nicht nur nicht recht, sie üblerweise überhaupt nicht recherchiert, sondern meint mit der Reproduktion der sachlich in vielen punkten falschen ÖVP-Propaganda schon etwas gemacht, das man Journalismus nennen könnte.
Nur die wichtigsten Punkte:
Im Media-Quartier / St. Marx ist eine Station der U2-Verlängerung geplant - das war aber von StR Schicker geplant und weil der ein Roter ist, verschweigt man das im schwarzen Kurier. Man erspart sich da auch gleich auf die eher ganz üble Verschuldung der Stadt hinzuweisen und man erspart sich zu erwähnen, daß Straßenbahnbau erheblich billiger ist bei gleichem Verkehrsversorgungseffekt, sofern es nicht um stadtquerende Verbindungen geht. Die U2 wird natürlich verlängert werden, aus Budgetgründen aber erst in 15-20 Jahren.
Was an der ORF-Übersiedlung so großartig ist ist auch noch nicht erwiesen. Eine eindeutige Studie, die erhebliche Vorteile ergibt, gibt es nicht. Klar will die Stadt ihre Investition in St. Marx rentierlich machen, die Mehrkosten zahlen die ORF-Kunden über dann zu erhöhende Gebühren und am Künigelberg können es sich endlich die schwarzen und roten Genossenschaften gütlich machen. So schauts aus, wenn man bei Raiffeisen nicht im Sold steht.
Am künftigen Wiener Hauptbahnhof (Zentralbahnhof gibt es seit mehreren Monaten als Bezeichnung nicht mehr - aber wieso sollte ausgerechnet eine Journalistin a jour sein?) ist es ähnlich: Vor kilometerlangen Fußmärschen kann keine Rede sein. Wenn umgesetzt wird, was nun geplant ist, wird es sogar ein Rollband für Fußgänger im Verbindungstunnel geben. Zum Vergleich: Die Fußmärsche (trotz Rollbändern) sind im Skylink deutlich länger als am künftigen Hauptbahnhof Wien. Wurde dort darüber im Kurier gejammert? Nein - das würde sicher den Landespröll verärgern, geht also gar nicht.
Eine eigene Station dort zu fordern ist reinster Schwachsinn, wenn man sich nur 10 Sekunden den Bereich im öffentlich zugänglichen Plan ansähe. Die Verlängerung der Station Südtirolerplatz, sodaß die Züge direkt unter dem Gürtel halten, wäre die Lösung, die 500m Fußgängertunnel ersparte. Das wäre mit erheblichem Aufwand möglich - aber es gibt niemanden, der es bezahlen möchte. Tja - so wird es in 2-3 Jahrzehnten gebaut werden, wenn der Gürtel das nächste Mal saniert werden muß.
Die Superschnelle Verbindung zum Flughafen und nach Preßburg - was soll denn das sein? Ist das ein ernstes Problem? Solange man eine bis zwei Stunden vor Abflug dort sein muß, um sich optisch und ggf. auch händisch begrapschen zu lassen und das Gepäck genau röntgen zu lassen, ist es ziemlich egal ob man eine reine Fahrzeit von 7 (Magnetschwebebahn theoretisch) oder 15 (Cat ab 2014) oder 20 (Cat heute) Minuten mit der Bahn fährt - dazu muß man aber in jedem Fall 6 Minuten für das ein- und Aussteigen rechnen.
Was aber mit einer superschnellen Verbindung konterkariert würde, ist, daß bei einer solchen der Ausbau der normalen Bahnstrecke zum Flughafen und nach Preßburg stark verzögert würde und daß dann nicht sein kann, was jetzt tatsächlich gebaut wird, nämlich daß die Strecken der Fernzüge, die nach Wien kommen zum Flughafen und auch ggf. nach Preßburg einfach verlängert werden können.
Fr. Salomon kann sich vielleicht die 40 oder 50 Euro für eine Strecke superschnellfahren leisten - aber auch sie wird es nicht wollen. Die Grenze ist beim jetzigen Cat-Preis (9 Euro pro Strecke) und dafür bekommt man "nur" schnell oder sehr schnell, aber keine Dummheiten wie superschnell.
Wichtiger wäre es des zeitraubenden Spießrutenlauf am Flughafen drastisch zu vereinfachen. So wie bei der Bahn sollte es sein (die USA machen seit Jahrzehnten bei Inlandsflügen vor, was die Bahn seit 150 Jahren schon kann): Fahrschein stempeln - Einsteigen - Platz suchen - Fliegen - Aussteigen.
U-Bahn über Landesgrenzen? Na klar, sobald der gefunden ist, der bezahlt. Nicht nur die verlängerte, sondern auch die Kosten der Zersiedelung. Man fahre durch Niederösterreich uns sehe sich um. Erschreckend viele Häuser unbewohnt, weil man es sich nicht mehr leisten kann, die Gemeinden stöhnen unter der Last der Kosten der Erhaltung der Infrastruktur und sind teils extrem bis an die Grenze des Konkurses verschuldet. Und die, die sich das Pendeln leisten können, könne es sich nur leisten, weil es sehr große Subventionen mittels Pendlerpauschales gibt. Sonst wäre der Unfug nämlich längst abgestellt. Aber sowas nennt man ja in der ÖVP die ökosoziale Marktwirtschaft - oder hab ich da etwas mißverstanden? Klar: Die Kosten trägt der Staat, den Nutzen haben die Reichen und die Öl- und Automobil-Wirtschaft.
Was aber schon richtig erkannt wurde ist, daß die Shoppingzentren in den Umlandgemeinden die Nahversorgung in den Städten und Dörfern zerstören. Den Sc seit hluß, daß es richtig ist, diese Zerstörer nicht auch noch mit öffentlichen Geldern in ihrem lustigen Treiben zu fördern, den muß Fr. Salomon noch machen. Zumindest die Forderung, daß die Shoppingzentren die öffentlichen Verkehrsmittel zu zahlen hätten, wäre als Forderung ein erster Schritt im Denken. Das machen die Shoppingzentren natürlich nicht, weil sie diese Kunden gar nicht wollen, die kommen mit einer kleinen Tasche und nicht mit einem großen Kofferraum oder gar gleich mit Klein-LKW.
Daß die U-Bahn derzeit bis nach Oberlaa verlängert wird, ist beim Kurier auch noch nicht bekannt - wen wundert es bei den anderen hahnebüchernen Argumenten des Artikels.
In der Bundeshauptstadt versucht man gar nicht die Autos zu verdrängen. Man meint nur, daß Stehzeuge dort stehen sollten, wo der Platz dafür da ist, nämlich in P+R-Anlagen und Garagen. Da die fälschlicherweise Fahrzeuge genannten Gegenstände durchschnittlich 92% der Zeit stehen, und zwar derzeit meist nahezu kostenfrei oder (in Relation zu den wahren Kosten) zu extrem niedrigen Preisen auf öffentlichem Grund, hat man sich in Wien eine Nachhilfestunde in Wirtschaftskunde geleistet und erkannt, daß der gegenwärtige Zustand saublöd ist, insbesondere, weil man die Straßen für das öffenliche Leben braucht und nicht für die Lagerungen privater, ungenutzter Gegenstände.
Also Fahrbahnen zum Fahren ohne Stau (der kostet nämlich - nicht nur Lebenszeit, sondern auch Geld), Gehsteige, auf denen man gehen kann und nicht ständig Hindernissen ausweichen muß, weil sie zu schmal sind, Radwege, die in der Gesamtheit den Namen Radwegenetz rechtfertigen, sowie Bereiche für die Bewohner, von Kinderspielplätzen bis Ruhezonen und Hundeklos. Daß Sitzgelegenheiten und Schanigärten auch attraktiver sind als Automobile, ist mittlerweile den Wienern auch schon aufgefallen - sogar die Gastwirte haben die klingelnden Effekte im eigenen Beutel schon wahrgenommen und jammern vorsichtshalber nicht allzu laut.
Daß die Öffentlichen Verkehrsmittel derzeit bummvoll sind ist weitgehend nicht der Verkehrspolitik zu verdanken, sondern den drastisch gestiegenen Treibstoffpreisen. Naja, das zu recherchieren hätte 2 bis 3 Stunden sinnerfassendes Lesen im Internet erfordert. Das erfährt man nicht in der Propagandaabteilung der Stadt-ÖVP, denn da geht es natürlich um Zusammenhänge in der Wirtschaft und nicht nur um die Nichtverärgerung des eigenen Klientels.
Und daß die Energiepreise gerade am Anfang des 21. Jahrhunderts steigen, das konnte man seit den frühen 70er Jahren sogar schon im Bericht an den Club of Rome lesen, doch das hat kaum jemand getan (und wenn, nicht wirklich ernst genommen).
Die starke Änderungsreaktion der Verkehrsteilnehmer war aber nachvollziehbarerweise in diesem Ausmaß überraschend, insbesondere, weil es durch dies nicht nur durch die seit Jahren infolge sehr hoher Inflation (6-7% beim "Wochenkorb" also den Ausgaben des täglichen Bedarfs) langsam gesunkenen Haushaltseinkommen verstärkt wurde, sondern auch durch die Wirtschaftskrise, die vielen den Betrieb des Autos nicht mehr möglich machen.
Die Verkehrspolitik, insbesondere die günstige Jahreskarte, habe diese Entwicklung nur deutlich verstärkt.
Aber keine Sorge - die nächste Hundertschaft an ULFen ist schon bestellt. Kürzere Intervalle: Klar wäre das oft eine Lösung. da könnte man auch mehr Personal einstellen - gibt es das schon als Volksbegehren? Vielleicht mit dem Finanzierungsvorschlag kostendeckender Stellplatzabgaben im gesamten Stadtgebiet (das wären durchschnittlich ca. 3 Euro pro 30 Minuten) und kostendeckender Abgaben für die Schanigärten (nicht die gegenwärtigen Microbeträge, die billiger sind als die Parkscheine)
Im Übrigen ist der Parkraum bis jetzt noch nicht verknappt und verteuert worden, schon gar nicht dramatisch. Verknappt wird er frühestens Anfang Oktober und die Verteuerung ist äußerst mäßig, nämlich gerade so, daß in den überstark verparkten gürtelnahen Bezirksteilen vielleicht einzelne Stellplätze wieder zu finden sein werden.
Keine Rücksicht auf Gemeinde- und Landesgrenzen? Das hatten wir schon im Dritten Reich. da war Klosterneuburg und Schwechat und Mödling bei Wien. Hat sich eben nicht ganz bewährt. Aber nachdenken kann man auch darüber. Oder doch eher so wie die Badner Bahn es macht. Da darf man aber nicht genau hinschauen, soviel Bürokratie gibt es sonst kaum wo und wenn 80% der Fahrkertenautomaten defekt sind, entsteht auch kein positiver ökonomischer Effekt im Bereich der Einnahmen. Abgesehen davon haben es die Betreiber nicht einmal geschafft sich in die Zugsvorankündigungen an den Stationen einzubinden.
Summa summarum: Wer Journalismus betreibt, sollte sich informieren können. Wer es nicht kann, sollte den Beruf wechseln. Vielleicht haben die Wiener Linien noch eine Stelle in der Abteilung Schienenritzenputzer. Seit Ende der Pferdeeisenbahn ist das auch nicht mehr so aufwändig.