Nach wie vor ein schwieriges Thema für mich und sicher für die meisten, das macht der Verlauf dieses Threads auch deutlich. Ich schreibe aus verschiedenen Perspektiven. Zum einen aus der diesem Thema ursprünglich zugrundeliegenden Sicht - ich war etliche Jahre so schwer depressiv, daß ich mir nicht vorstellen konnte, da überhaupt je wieder rauszukommen. Irgendwo hier wurde gefragt, wie lange das Leiden dauern dürfte, bis man "hilft" - da kann ich nur subjektiv sagen: wenn ein depressiver Schub massiv ist, gibt es kein Zeitgefühl mehr, gab's für mich nicht, das war kein Leiden, das war wie ein Verlorengehen in einem Vakuum, in dem einen nichts mehr erreichen kann. Wer hätte mir da helfen sollen? Ich hätte um Hilfe bitten müssen, dazu war ich nicht mehr in der Lage. Wäre ich dazu in der Lage gewesen: dann hätte man mir helfen können - dann wäre es mir allerdings auch nicht mehr "schlecht genug" gegangen, als daß ich Sterbehilfe für gerechtfertigt ansehen könnte.
Ich habe
@Mitglied #469517 s Argumente gelesen, verstanden, aber teilen kann ich sie trotzdem nicht. Ich kann einfach nicht akzeptieren, daß jemandem nicht jede Hilfe zurück ins Leben gewährt wird und Sterbehilfe die Alternative sein soll.
Rückblickend: ich war 16 Jahre lang wiederholt und intensiv in Behandlung, ich hatte das Glück, daß mir die nie verweigert worden ist. Nicht durchgängig depressiv, aber über diesen Zeitraum wiederholt und sehr schwer.
Der letzte massive Einbruch liegt mittlerweile etwa 25 Jahre zurück, ich kann also aus "Betroffenensicht" nur sagen: ja, es gibt Menschen, die dauerhaft geheilt werden. Zur damaligen Zeit war ich als Patientin kein besonders "aussichtsreicher" Fall.
Die weiteren Betrachtungen schreibe ich aus Sicht derjenigen, die einige Jahre in der Behinderten- und Altenpflege im häuslichen Bereich gearbeitet hat, auch mit Sterbebegleitung zu tun hatte. In der Zeit habe ich u.a. miterlebt, wie eine Frau, die vom Hals ab gelähmt war, mit Hilfe ihres Mannes und deren Hausarzt sich das Leben genommen hat. Alle wußten es, aber man konnte ihnen das strafrechtlich nicht nachweisen. Darüber war ich froh, ich hatte um den Sterbewunsch der Klientin Bescheid gewußt. Selbst bin ich damals nicht damit klargekommen, aber für die Frau und deren Angehörige war ich erleichtert. Zu der Zeit habe ich mich mit Hilfe von Literatur auch mit dem Thema Freitod und das Recht auf selbstbestimmtes Sterben auseinandergesetzt. Es hat mir geholfen, den Sterbewunsch anderer besser zu verstehen. Es hat mir nicht geholfen bei der Vorstellung, anderen aktiv dabei helfen zu können.
Ich weiß nicht was Du denkst, aber man sollte schon wissen worüber alle reden.
Es gibt aktive Sterbehilfe, assistierter Selbstmord, indirekte Sterbehilfe, passive Sterbehilfe, Sterbebegleitung ...
Das ist mir bewußt. Ich schreibe nicht aus juristischer Perspektive. Wenn ich schreibe, es geht um aktives Töten, beziehe ich mich nicht auf juristische Bewertungen, sondern lediglich auf's Tun. Wenn ich einem geliebten Menschen, der dazu nicht in der Lage ist, Medikamente organisiere, ihm aktiv verabreiche, dann ist das Töten, auch wenn das juristisch anders deklariert wird.
Vor ein paar Tagen habe ich mich mit meinem Mann über dieses Thema unterhalten, er sagte, daß er unter bestimmten Voraussetzungen sich wünscht, daß er dann sterben dürfe. Und ich würde ihm helfen, auch im Wissen, daß ich damit sicher nicht klarkäme danach. Menschliches Leben ist in meinem Werteempfinden so hoch angesetzt, daß es bedeutet: ein eigentlich unumstößliches Tabu zu brechen. Ich glaube, ich würde daran zerbrechen. Trotzdem wäre ich bereit, das auf mich zu nehmen, als letzten Liebesdienst.
Eine ehemalige Schulfreundin hat eine Mutter, die nach einem Schlaganfall im Wachkoma liegt, es gibt keine Patientenverfügung, aber schriftliche Dokumente der Mutter, dass sie in dem Fall nicht weiter am Leben erhalten werden will (künstliche Ernährung etc.). Wir haben überlegt die Mutter in die Schweiz zu bringen um sie dort in einem Hospiz sterben zu lassen (Maschinen abschalten), und da hatten wir massive juristische Bedenken, dass das (also das Verbringen der Mutter in die Schweiz zwecks Sterben lassen bereits ein Verstoß gegen § 78 StGB wäre.
Wir hatten einen ähnlichen Fall in der Familie meines Mannes. Die Frau lag seit Jahren im Wachkoma. Sie hatte eine Patientenverfügung, in der klar geregelt war, daß sie keine lebensverlängernden Maßnahmen wünscht. Rechtlich war alles klar, die Ärzte weigerten sich unter Berufung auf Gewissensgründe. Ich bin nicht sicher - ich glaube, es waren 4 Jahre durch alle gerichtlichen Instanzen. Die Frau starb, nachdem man sie endlich per Gerichtsbeschluß in ein anderes Krankenhaus verlegt hatte. Für ihre Tochter war diese Zeit furchtbar.