(Blöd sich um diese Uhrzeit von so einem Thema reinsaugen zu lassen)
Nach kurzem Nachdenken fallen mit 4-5 Fälle ein, also Personen, die ich persönlich (wenn auch nicht nahe) kannte bzw. zumindest getroffen:
Fälle von denn ich nichts konkreteres weiß:
ein Jüngerer (<20) - jedenfalls gab es ihn irgendwann nicht mehr, was irgendwie achselzuckend quittiert wurde
2 andere Personen mittleren Alters (die ich nur vom Sehen kannte) haben sich AFAIR aufgehängt, einer mit psychiatrischer Vorgeschichte, ein anderer wohl nach wirtschaftlichem Niedergang
jemand aus einer Parallelklasse, Sohn aus ... nicht armem Haus, dürfte was mit Drogen gewesen sein. Wurde beim ersten Klassentreffen kurz vermerkt.
jemand, der nie so richtig die Kurve gekriegt hat und während seiner Bundesheerzeit immer weiter abdriftete. Machte einer Interpretation/Schilderung eines Freundes kurz davor noch eine Art Abschiedstour wo er verschiedene Leute besuchte. Seine Geschwister machten einigen anderen noch jahrelang Vorwürfe.
eine Geschichte, die mir recht ausführlich von seiner Partnerin erzählt wurde, wobei nicht klar ist, ob Selbstmord oder mit Fremdeinwirkung im Wasser gelandet. Beides wurde meines Wissens nicht ausgeschlossen. Eindringlich war dieser insoferne, als ich denjenigen eine Weile vorher erlebt habe, und andererseits eine relativ langjährige Vorgeschichte erfahren habe.
ein Fall, der damals wohl auch kurz durch die Medien ging: ein engagiertes junges Mitglied der damals noch frischen Piraten (hab den Namen vergessen), wurde mir mal so nebenbei erklärt, auch der Hinweis auf Depressionen. Ich erinnere mich gut, wie ihn daneben jemand (mit einer Bewegung über die Haare? irgendsowas war es) eigentlich frotzelte, in etwa: "Er ist halt ein Emo, aber wir mögen ihn trotzdem."
In dem Moment dachte ich mir nur *WTF*. Einige Zeit später hab ich am selben Ort vom Ende erfahren. Wie sein dortiges Umfeld zumindest punktuell so unsensibel damit umgehen konnte, verstehe ich bis heute nicht.
andere Geschichte - einige Freunde haben jemanden abseits der Straße aus dem Auto gezogen ... "klassisch" mit Auspuffgasen. Hat überlebt und sich dann gefangen.
dann noch ein Gespräch nächtens in einem Lokal mit einer jungen Frau, die unübersehbare (verheilte) Schnitte an den Unterarmen hatte, vom Versuch erzählte, dem gewaltsamen Tod ihrer Schwester Jahre zuvor, und ein Sammelsurium von Dingen im Leben, die man ohne Rückhalt kaum wegstecken kann.
Der Umgang schien in den meisten Fällen eher Achselzucken zu sein, nicht unbedingt Aufarbeitung und sensibler gegenüber anderen Menschen zu werden. Es wird meistens wohl als Einzelfall, Einzelschicksal, das nicht abwendbar war, gesehen. Von Vorwarnzeichen war eigentlich rückblickend außer beim Piraten/Emo nie die Rede.
Das Thema ist abermals stark kulturell geprägt bzw. in "unserem Fall" (Mitteleuropa): verdrängt. Das mag nur zum Teil von der christlichen Vorstellung geprägt und erzwungen worden sein, daß Selbstmörder nicht in den Himmel kommen und auch nicht auf dem (geweihten) Friedhof beerdigt werden dürfen. (Ist das immer noch so?!?)
Die japanische Gesellschaft zB hat einen ganz anderen Bezug dazu (ohne das jetzt komplett ausarbeiten zu können). Kern ist hier der Ehrbegriff und Sühne einer persönlichen Schuld. Auf der anderen der Pilot, der sich (mangels damaliger Drohnentechnik) als fliegende Bombe opfert.
Der inzwischen ... Klischee-Selbstmordattentäter mit Bombengürtel der auf 72 flotte Erstbesteigungen spekuliert ... ganz anderes Selbstverständnis der Thematik, hochstilisiertes Heldentum im Namen der höheren Sache. Eine nette Instrumentalisierung von Naivität, um es mal euphemistisch zu konotieren.
Im antiken Griechenland und Rom hatte man sowieso einen anderen Zugang zum Tod und mehr subjektive Nähe zu den Göttern.
Wenn man also den Aspekt der Religion als kindliche/jugendliche Prägung hernimmt, differenzieren sich die Sichtweisen und auch die Bedeutung so einer Tat. Aber welche "Auswege" aus vermeintlich unüberwindlichen persönlichen Krisen sieht man dann dort stattdessen?
Man hat heutzutage allerlei Statistiken bzgl. der Verteilung zw. den Geschlechtern, der jeweiligen Methode, uvm., tut sich aber verständlicherweise schwer, das Thema öffentlich breitzutreten, weil man (wahrscheinlich nicht zu Unrecht) befürchtet, eine Welle loszutreten, wie es damals "Die Leiden des jungen Werther" taten. Daß man dadurch bedingte Verzögerung in den Öffis mit "aufgrund einer Erkrankung eines Fahrgastes" codiert ist ja noch verständlich (klingt besser als: "ein Zugführer muß kurzfristig die Scheiben putzen" ... *wtf* ... das hier ist die U3!!!)
Jetzt könnte man noch Erwin Ringel ins Spiel bringen, um den speziell österreichischen Aspekt zu beleuchten, aber ich gestehe, ich hab ihn nicht gelesen. Jedenfalls hat man in unserer Gesellschaft zwischen Katholizismus, wenig Militarismus, wenig praktisch gelebte Religion, Leistungsgesellschaft, die Depressionen und "Psycho-Zeugs" usw. gerne als was "wenig schmeichelhaftes" diffamiert, und auf (vermeintliche) Erfolgsmenschen und LeistungsZWANG und Stärke pocht, offenbar keinen Leidensdruck als Kollektiv, einen gewissen Ausfall von Individuen hinzunehmen.
Gleichzeitig war Wien aber zweifellos ein Hochburg von geschichtlicher, subtiler melancholischer Morbidität, insoferne abschließend vielleicht der analytisch wohl zutreffende Spruch:
"Das Wienerlied ist eine Mischung aus Alkoholismus, Frauenfeindlichkeit und Todessehnsucht"
Über zB plausible Kausalitäten zwischen diesen dreien und angrenzenden Faktoren spekulieren wir erst einmal lieber nicht.